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Kardiale Gesundheit

Infektiöse Herzmuskelentzündungen – die schleichende Gefahr

Eine simple Erkältung kann eine Herzmuskelentzündung nach sich ziehen. Oft heilen infektiöse Myokarditiden zwar spontan aus, es gibt aber auch schwere Verläufe mit bleibenden Herzschäden. Deshalb die Botschaft: Auch banale Infekte gut auskurieren.
Ulrike Viegener
24.08.2020  12:57 Uhr

Viren und Bakterien sind meist nur mit bestimmten Geweben und Organen assoziiert und rufen dort charakteristische Krankheitssymptome hervor. Viele von ihnen befallen gleich die Eintrittspforten, durch die sie in den Körper eindringen – in der Regel die Atemwege oder den Magen-Darm-Trakt. Das ruft die Abwehr auf den Plan, die meist verhindern kann, dass die Erreger weiter vordringen. Es bleibt bei einer Erkältung oder einem Magen-Darm-Infekt.

Unter bestimmten Umständen jedoch können Erreger ins Blut gelangen und sich in anderen Organen einnisten, so auch im Herzmuskel. Die Folge ist dann meist eine sogenannte Myokarditis beziehungsweise eine Perimyokarditis, wenn auch der Herzbeutel betroffen ist. Die zu den Enteroviren zählenden Coxsackie-B-Viren gehören in unseren Breiten zu den häufigsten Erregern einer infektiösen Myokarditis. Bevorzugt in den warmen Monaten schlagen diese Viren zu und verursachen typischerweise eine »Sommergrippe«.

Meist Viren verantwortlich

Viren sind weitaus häufiger für infektiöse Myokarditiden verantwortlich als Bakterien, wobei das Erregerspektrum bei intaktem und geschwächtem Immunsystem variiert. Bei immunkompetenten Menschen gehören neben Coxsackie-B-Viren auch Adenoviren zu den relevanten Erregern. Adenoviren sind ebenfalls Erkältungsviren, können aber auch heftige Durchfallerkrankungen mit Erbrechen provozieren. Eine empfindliche Virushülle fehlt in beiden Fällen, was diese verbreiteten Viren äußerst widerstandsfähig macht. Weitere Viren, die allerdings deutlich seltener eine Myokarditis auslösen, sind unter anderem Influenzaviren, Herpesviren sowie Masern-, Mumps- und Rötelnviren.

»Bakterien, Borrelien ausgenommen, spielen als Erreger von Myokarditiden zahlenmäßig eine untergeordnete Rolle. Die Verläufe können aber hochdramatisch sein«, sagt Professor Dr. Derk Frank, leitender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel im Gespräch mit PTA-Forum. Durch Zecken übertragene Borrelien könnten auch auf das Herz schlagen, wobei sich die Häufigkeit im einstelligen Prozentbereich bewege. Durch Pilze verursachte Myokarditiden würden praktisch nur bei immunsupprimierten Patienten vorkommen. Schließlich können auch Parasiten eine Myokarditis auslösen. Der Erreger der in Südamerika endemischen Chagas-Krankheit – ein einzelliger Parasit – sei »so ein Fall«.

Banaler Infekt

In mehr als 50 Prozent der Fälle geht der Myokarditis ein banaler Virusinfekt voraus. Dazwischen liegen in der Regel ein bis zwei Wochen. Die Herzmuskelentzündung kann sich aber auch schneller oder langsam schleichend entwickeln. Die Symptomatik der Myokarditis ist ebenfalls variabel. Manchmal treten nur Allgemeinsymptome gegebenenfalls mit unspezifische Brustbeschwerden auf. Aber auch eindeutige Herzsymptomen von leicht bis schwer sind möglich: Die Bandbreite an potenziellen Herzrhythmusstörungen reicht von Palpitationen (Herzstolpern) über schwere malige Arrhythmien mit Bewusstseinseintrübung bis hin zum plötzlichen Herztod. Bei manchen Patienten ähneln die Beschwerden den Symptomen einer Angina pectoris beziehungsweise eines akuten Herzinfarkts. »Bei Verdacht auf eine Myokarditis gehöre die weiterführende Diagnostik auf jeden Fall in erfahrene Hände«, betont Professor Frank.

Wie viele Menschen nach einem akuten Virusinfekt eine Myokarditis entwickeln, dazu gibt es keine verbindlichen Zahlen. Möglicherweise komme dies viel häufiger vor, als gemeinhin angenommen. Für eine hohe Dunkelziffer spreche unter anderem der Fund von Spuren viraler Erreger im Myokardgewebe von Patienten mit bestimmten Herzmuskelerkrankungen, bei denen in der Krankengeschichte keine Herzmuskelentzündung dokumentiert wurde. Wahrscheinlich war eine unbemerkte Myokarditis die Ursache der später diagnostizierten krankhaften Herzmuskel-Erweiterung, so Frank. »Auch vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die infektiöse Myokarditis auf dem Schirm zu haben und bei entsprechender Symptomatik zurückliegende Infekte abzuklären«, sagt er weiter.

Schädliche Abwehrreaktionen

Bei einer infektiösen Myokarditis haben Abwehr- und Reparaturprozesse einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf. Entzündungsreaktionen zielen darauf ab, die Erreger zu vernichten und zu entsorgen. Natürliche Killerzellen, zytotoxische T-Zellen und Makrophagen wandern deshalb in das befallene Gewebe ein. Eine erfolgreiche Erregerelimination hat allerdings ihren Preis: Die infizierten Zellen gehen zugrunde. Das kann, wenn es sich um Herzmuskelzellen handelt, zu mehr oder weniger ausgeprägten Einbußen der kardialen Pumpfunktion führen. Vernarbungen können die Kontraktilität ebenfalls beeinträchtigen.

Bleiben Zellverluste und fibrotische Gewebeveränderungen überschaubar, bestehen gute Chancen, dass die Myokarditis spontan ausheilt, ohne dass das Herz dauerhaften Schaden nimmt. Mediziner sprechen in diesen Fällen von Defektheilung: Der ursprüngliche Gesundheitszustand ist zwar nicht in vollem Umfang wieder hergestellt, die Betroffenen spüren davon aber nichts und sind beschwerdefrei.

Leichte Verläufe mit Spontanheilung kommen bei infektiösen Myokarditiden häufig vor.

Aber nicht immer geht es so glimpflich ab. Myokarditiden können sehr heftig verlaufen und schwere kardiale Probleme verursachen. Manche Patienten entwickeln eine akute Herzinsuffizienz mit deutlich eingeschränkter Pumpfunktion. Atemnot, Herzrhythmusstörungen und Ödeme sind typische Zeichen. Behandelt wird mit den üblichen Medikamenten wie ACE-Hemmer oder AT1-Blocker, Beta-Blocker, Diuretika sowie Aldosteronrezeptor-Antagonisten. Im ungünstigen Fall bleibt die Pumpfunktion auf Dauer eingeschränkt. Daneben gibt es auch schleichende Verläufe, in denen sich die Pumpfunktion des Herzens langsam und anfangs eventuell unbemerkt verschlechtert. Spezifische Therapien, die bei virusbedingten Myokarditiden auf die Erregerelimination abzielen, gibt es kaum. Eine Sonderform der Myokarditis ist die Riesenzellmyokarditis, die besonders schwer verläuft, jedoch oft erfolgreich mit Immunsuppressiva behandelt werden kann.

Schonung ist das A und O

Körperliche Anstrengung ist bei einer Herzmuskelentzündung Gift. Schonung ist angesagt. Dann bestehen gute Chancen, dass sich der Herzmuskel erholen kann. Schwere Verläufe infektiöser Myokarditiden werden nicht selten bei jüngeren Menschen gesehen, die nach einem grippalen Infekt ungeduldig ins stressige Alltagsleben zurückkehren und auch wieder Sport treiben. Damit erhöht sich das Risiko, dass Erreger im Körper verbleiben und das Herz in Mitleidenschaft gezogen wird.

»Auch bei banalen Infekten – vor allem, wenn sie mit Fieber und geschwollenen Lymphknoten einhergehen – sollte man sich eine Pause gönnen und den Körper nicht zu früh zu belasten«, betont Frank. Das betreffe sportliche Aktivitäten ebenso wie besonders anstrengende Alltagstätigkeiten. Bei gesicherter Herzmuskelentzündung wird unabhängig vom Schweregrad sechs Monate Schonung empfohlen. »Außerdem sollten sich alle Patienten, die eine infektiöse Myokarditis durchgemacht haben und genesen sind, in regelmäßigen Abständen kardiologisch durchchecken lassen«, ergänzt der Mediziner. Auch nach milden, unproblematischen Verläufen sei nicht auszuschließen, dass zurückbleibende Gewebeveränderungen am Herzen – und seien sie minimal – schleichende Prozesse in Gang setzen, die irgendwann zu signifikanten Funktionsstörungen des Herzens führen könnten.

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