Infektionsprävention aus der Apotheke |
Grippe, Corona oder RSV? Vierfachschnelltests geben Auskunft. Danach ist aber eine Abklärung vom Arzt notwendig. / © Adobe Stock/forma82
»Impfen ist die wichtigste Präventionsmaßnahme«, nannte der Professor für Pharmazeutische Chemie an der Universität Frankfurt am Main ein Beispiel, wie Apotheken zum Schutz der Bevölkerung beitragen können. In der Apotheke wird bekanntlich fleißig geimpft, die gerade zurückliegende »Lange Nacht des Impfens« in acht Bundesländern war wieder ein voller Erfolg.
Bedauerlicherweise liegen die Impfraten nach wie vor sehr niedrig, gar nur jeder Fünfte über 60 Jahren ist gegen SARS-CoV-2 geimpft, bei rund 43 Prozent liegen die Impfraten gegen Influenza. »Ich sehe eine erhöhte Verantwortung bei Ärzten und Apothekern – gerade im Hinblick auf die nach wie vor hohen Hospitalisierungs- und Todeszahlen.« In der Tat mussten in der zurückliegenden Saison rund 143.000 Menschen aufgrund von Influenza-, Corona- und RSV-Infektionen hospitalisiert werden, zudem stehen 5000 Todesfälle auf der Negativbilanz.
Für Schubert-Zsilavecz ist die Apotheke der geeignete Ort für Infektionsprophylaxe gerade von Risikopatienten. »Hier bestehen aufgrund der täglich vielen Millionen Kundenkontakte gute Möglichkeiten, Risikopatienten ausfindig zu machen – eben anhand der Kenntnis des Alters des Patienten, mithilfe des Rezeptes oder des Medikationsplans.« Bekanntlich haben Menschen ab 60 Jahren, mit kardiovaskulären, Leber- und Nierenerkrankungen, Diabetes oder Immunsupprimierte ein erhöhtes Risiko, schwer zu erkranken und hospitalisiert werden zu müssen.
Wie der Referent deutlich machte, sind die Apotheken aber auch der geeignete Ort, um über PoC-Schnelltests wie etwa den gegen Covid-19 zu informieren. Funktionieren alte Antigentests überhaupt noch, wenn doch das Coronavirus ständig weitermutiert? »Die Tests funktionieren auch bei neuen Varianten«, so der Pharmazeut, »die Mutationen beeinflussen die Testsensitivität nicht.« Denn das Auftreten neuer Varianten von SARS-CoV-2 beruht auf Mutationen im Spike-Protein. Die Selbsttests weisen per Antigen-Antikörper-Reaktion aber das Nukleosid-Protein (N-Protein) des Virus nach. Dieses ist weniger von Mutationen betroffen, weshalb auch ältere Tests anschlagen.
Schubert-Zsilavecz informierte ferner, dass wir hinsichtlich SARS-CoV-2 heute in einer stark immunisierten Bevölkerung leben und das Maximum der Viruslast bei einer Infektion anders als zu Beginn der Pandemie meist erst zeitverzögert nach Symptombeginn eintritt – im Durchschnitt nach vier Tagen. Deshalb sei die Sensitivität der Tests zu Symptombeginn gering. Die US-amerikanische Arzneimittelagentur FDA rät daher, bei negativem Test und Symptomen noch einen zweiten Test 48 Stunden später zu machen.
Neben SARS-CoV-2-Schnelltests sind auch Tests auf Influenza-A- und -B-Viren sowie RSV – auch in Kombination – erhältlich. Folgende Vierfachtests zur Selbstanwendung sind verbreitet: CorDx Combo4-Test, fluorecare®-Test und Solmira®-Test. Nach einer Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung dürfen diese seit rund zwei Jahren auch in der Apotheke abgegeben werden; zuvor war das nur bei Covid-19- und HIV-Schnelltests gestattet. Laut Herstellerangaben sind die Vierfachantigentests erst für Kinder ab zwei Jahren geeignet.
Aber Achtung: Diese Selbsttests auf Influenza- und RSV-Viren dürfen zwar an Laien verkauft werden, eine Durchführung in der Apotheke ist jedoch nicht erlaubt. Grund: Als meldepflichtige Erkrankungen obliegt die Diagnose von Influenza und RSV dem Arzt. Das ist nach wie vor gültig. Insofern empfiehlt es sich, bei der Abgabe des Tests daran zu erinnern, dass positive Testergebnisse und das weitere Vorgehen mit dem Arzt besprochen werden müssen.
Grundsätzlich funktionieren die Vierfachtests ähnlich wie die Corona-Selbsttests, auch wenn die genaue Durchführung produktabhängig ist. So müssen zum Beispiel die Tupfer der Vierfachtests eine Minute im Probenröhrchen stehen gelassen werden – eine Wartezeit, die man von den Corona-Selbsttests nicht kannte. Beim Ablesen des Ergebnisses sind auch mehrere Kontrolllinien zu berücksichtigen. Das Ergebnis kann nach 15 Minuten – ähnlich den Corona-Tests – abgelesen werden.
Ist eine Covid-19-Infektion nachgewiesen, dann spricht die S3-Leitlinie für Patienten in der Covid-Frühphase und mit einem hohen Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf eine Sollte-Empfehlung für die Kombination aus Nirmatrelvir und Ritonavir (Paxlovid™) aus. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt dieses Vorgehen. Das sei aus verschiedenen Gründen sinnvoll, so Schubert-Zsilavecz. Die Therapie senke das Risiko für Hospitalisierung, reduziere Symptome, verringere die Viruslast und könne die Patienten in einem gewissen Maß auch vor postakuten Leiden bewahren. Die Wirksamkeit sei unabhängig vom Impfstatus.
Die Behandlung mit Paxlovid sollte so schnell wie möglich nach der Diagnose, höchstens fünf Tage nach Einsetzen der Symptome, beginnen. Bei Personen mit mäßiger Nierenfunktionsstörung (eGFR zwischen 30 und 59 ml/min) muss die Dosis angepasst werden, indem bei der morgendlichen und abendlichen Einnahme auf nur eine der pinkfarbenen 150-mg-Nirmatrelvir-Tabletten reduziert wird. Auch hierzu können die Apothekenteams beraten.
Ebenso lohnt ein Blick auf die Begleitmedikation. Denn das große Interaktionspotenzial der Arzneistoffkombination ist ein großer Hemmschuh einer patientenfreundlichen Anwendung. Das liegt vor allem an dem Wirkstoff Ritonavir, der zum Boostern in Paxlovid enthalten ist. Ritonavir hat ein extrem hohes Wechselwirkungspotenzial aufgrund seiner CYP3A4- und seiner CYP2D6-Aktivität. Zudem wird das Transportprotein p-Glykoprotein gehemmt. Ein Wechselwirkungs-Check ist bei der Abgabe von Paxlovid auf Rezept also sinnvoll.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.