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Mehr billig als recht

Ist Fleischkonsum noch vertretbar?

Die Tierwirtschaft trägt maßgeblich zum Klimawandel bei. So viel steht fest. Dabei bestimmt vor allem die Menge, welche Auswirkungen der Fleischkonsum auf den Klimaschutz hat.
AutorKontaktFranziska Horvat
Datum 31.08.2022  15:00 Uhr

Ein gebratenes Rindersteak, das zarte Kalbsschnitzel mit knuspriger Panade oder der saftige Burger zwischen den Brötchen - auf der einen Seite ist der Appetit auf Fleisch ungebrochen, doch auf der anderen macht sich Ablehnung breit. In den sozialen Medien, in der Öffentlichkeit, aber auch in der Politik werden Fleischkonsum und -produktion als großes ökologisches und moralisches Problem angesehen. Die industrielle Fleischproduktion zerstört weltweit viele Ökosysteme und trägt mit ihren Emissionen zum Klimawandel bei. Während die Zahl der vegan und vegetarisch lebenden Menschen steigt, gibt es eine Gruppe in der Bevölkerung, die extrem viel Fleisch isst. Kann man Fleisch heutzutage überhaupt noch ohne schlechtes Gewissen essen? Und wie viel Fleisch darf es sein, ohne den Planeten zu zerstören?

Wie das gesamte gesellschaftliche Leben und die Ernährungsweise, ist auch der Fleischkonsum einem ständigen Wandel unterworfen. Die Ernährungsgewohnheiten ändern sich und passen sich den jeweiligen Lebensumständen an. Fleisch war viele Jahrhunderte ein knappes und kostbares Nahrungsmittel, dass nur den Reichen vorbehalten war. Deutlich geändert hat sich das in Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als mit dem technischen und züchterischen Fortschritt und der Intensivierung der Landwirtschaft immer größere Tierhaltungen möglich wurden. Dadurch ist Fleisch zu einem überall und in großen Mengen verfügbaren und billigen Nahrungsmittel geworden. Ab den 50er-Jahren aßen die Bürger hierzulande immer mehr Fleischprodukte. 1950 umfasste der Verbrauch pro Person und Jahr rund 38 Kilogramm Fleisch, 1960 waren es dann schon etwa 59 Kilogramm. Nach der Wiedervereinigung 1990 erreichte der Fleisch- und Wurstverbrauch mit circa 100 Kilogramm einen Höchstwert in Deutschland. Seitdem geht der Konsum zurück: Von gut 60 Kilogramm pro Kopf im Jahr 2000 ist er auf knapp 55 Kilogramm im Jahr 2021 gesunken. Das ist jedoch kein großer Rückgang und der Konsum bleibt auf einem hohen Niveau.

Im Durchschnitt isst jeder Mensch in Deutschland über 1 Kilogramm Fleisch pro Woche. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt – wenn überhaupt – nur etwa die Hälfte. Nicht nur die Menge, sondern auch das konsumierte Fleisch selbst haben sich im Laufe der Zeit verändert. Es etablierte sich immer mehr die Nachfrage nach Kurzgebratenem jeglicher Art. Das ist praktisch, schnell und erfordert keine höheren Kochkenntnisse. Traditionelle Zubereitungsmethoden und das Know-how, wie andere Fleischteile zubereitet werden, gerieten in Vergessenheit. Heute findet man hauptsächlich nur noch fertig verpackte Fleisch-Edelteile in den Supermarktregalen.

Das Bevölkerungswachstum und der steigende Wohlstand in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern haben die globale Fleischmenge in die Höhe getrieben. Der weltweite Fleischkonsum hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt und erreichte im Jahr 2018 320 Millionen Tonnen. Vor allem China ist für diesen Anstieg verantwortlich. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet für die kommenden Jahre weiteres Wachstum, vor allem in den Ländern des globalen Südens.

Tierisches Klima

Der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge sind 14,5 bis 18 Prozent der gesamten von Menschen gemachten Treibhausgase der Viehzucht zuzuschreiben. Das ist mehr als dem gesamten Verkehrssektor zukommt. Eine zentrale Ursache für die starke Klimabelastung tierischer Nahrungsmittel ist der höhere Energieeinsatz meist aus fossilen Energieträgern wie Erdöl, Erdgas und Kohle, bei deren Verbrennung das Klimagas Kohlendioxid (CO2) entsteht. Vor allem die Herstellung synthetischer Stickstoffdünger verbraucht sehr viel Energie, die in der konventionellen Landwirtschaft für die Produktion von Futterpflanzen nötig ist. Zum anderen werden Wirtschaftsdünger wie Gülle, das heißt Exkremente von Nutztieren, auf die Felder ausgebracht. Gülle enthält Kalium, Phosphor und Stickstoff. In Deutschland ist eine übermäßige Düngung mit Stickstoff ein großes Problem. Denn zu viel Sticksoff im Boden kann zu Lachgas umgewandelt werden: ein Klimagas, das für die Atmosphäre 300-mal schädlicher ist als Kohlendioxid.

Zudem verwenden die Tiere die in der pflanzlichen Nahrung enthaltene Energie überwiegend für ihren eigenen Stoffwechsel und um »nicht fleischlieferndes« Gewebe aufzubauen. Durch diese sogenannten »Veredelungsverluste« geht ein Großteil des Energiegehaltes von pflanzlichen Nahrungsmitteln verloren, sodass ein Vielfaches an Futterpflanzen für die Erzeugung tierischer Produkte notwendig ist. Dadurch entsteht also viel Treibhausgas für relativ wenig Nahrung.

Um die Fleischproduktion und den Konsum in Deutschland aufrechtzuerhalten, müssen große Mengen an Futtermitteln importiert werden. In der industriellen Tierhaltung ist Soja eines der wichtigsten Bestandteile des Futters. Seit 2001 hat sich sein Anteil im internationalen Handel mehr als verfünffacht. Soja findet als Lebensmittel, Treibstoff oder Industriematerial Verwendung – fast 90 Prozent landen jedoch in den Futtertrögen. Für den Anbau von Soja werden in Brasilien und Argentinien große Flächen Wälder und Grasland zerstört. Das verursacht unter anderem riesige CO2-Emissionen, denn vor allem die Bäume sind neben den Meeren wichtige Kohlenstoffspeicher.

Zusätzlich setzen Wiederkäuer wie Rinder und Schafe Methan bei der Verdauung von Nahrung im Magen frei, was die schlechte Klimabilanz von Rinderprodukten erklärt. Methan ist 20-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid.

Vorteil für die Weide

Wie viele Emissionen jeweils anfallen, hängt stark vom jeweiligen Haltungssystem, der Fütterung und der Zucht ab. Das Problem ist, dass die meisten Tiere heutzutage in Ställen gehalten werden – mit ressourcenintensiver Fütterung, die das Vieh zum Nahrungskonkurrenten des Menschen macht. Demgegenüber bietet die Haltung auf dem Grünland Vorteile für die weltweite Ernährungssicherung und die Natur. Wiederkäuer wie Rinder, Schafe und Ziegen sind dazu in der Lage, Gras in hochwertige Lebensmittel umzuwandeln, sofern dafür Flächen genutzt werden, auf denen Ackerbau nicht möglich oder aus Klimaschutzgründen nicht sinnvoll ist, wie in Moorgebieten.

Außerdem braucht Gras die Beweidung der Tiere, um zu wachsen. Durch Photosynthese nehmen Gräser CO2 auf und lagern es langfristig im Boden ein. Es entsteht Humus, der die Bodenfruchtbarkeit verbessert und ebenfalls Kohlenstoff bindet. Werden Rindfleisch und Milch auf der Basis nachhaltiger Grünlandbewirtschaftung erzeugt, helfen sie beim Naturschutz. Kritisch sind aber neu angelegte Weideflächen, für die Regenwald abgeholzt wurde sowie die großen Ackerflächen, auf denen Futter für die Tiere angebaut wird wie Soja, Mais oder Getreide.

Wie viel darf’s sein?

Wissenschaftler warnen seit Jahren, dass die aus der Tierhaltung resultierenden Treibhausgasemissionen in erheblichem Maße zum Klimawandel beitragen. Zu diesem Ergebnis kommt auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Denkfabrik Chatham House in ihrer 2021 erschienenen Studie »Food System Impacts on Biodiversity Loss«. Sie betonen, dass eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten dringend notwendig sei.

Wie das gehen könnte, hat ein internationales Team, die EAT-Lancet-Kommission, schon im Jahr 2019 vorgeschlagen. Die Wissenschaftler haben einen Speiseplan entwickelt, der gesund ist, den Planeten schützt und in der Lage ist, die wachsende Weltbevölkerung satt zu bekommen. Die internationalen Experten wollen damit eine wissenschaftliche Basis für Veränderungen schaffen. Im Vordergrund steht eine Vielzahl an pflanzlichen Lebensmitteln. Das heißt reichlich Gemüse, Obst und vorwiegend Vollkornprodukte, ergänzt um geringe Mengen tierischer Lebensmittel.

Für jedes Lebensmittel haben die Autoren eine empfehlenswerte Menge berechnet. Beispielsweise kommt man mit einer täglichen Menge von 43 Gramm Fleisch auf etwa zwei Fleischmahlzeiten mit je 150 Gramm pro Woche. Deutsche Durchschnittsesser dürften nur noch ein Viertel der momentan üblichen Fleischmenge essen. Weltweit betrachtet müsste der Verzehr von Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Nüssen ungefähr verdoppelt, der Verzehr von rotem Fleisch und Zucker dagegen halbiert werden.

Die Forderungen des Berichts erinnern stark an das, was verschiedene Organisationen seit Jahrzehnten empfehlen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt aktuell 300 bis 600 Gramm Fleisch in der Woche, die Vollwert-Ernährung kann, wenn gewünscht, bis zu 300 Gramm Fleisch pro Woche beinhalten. Die Vollwert-Ernährung, die neben gesundheitlichen Aspekten auch stärker ökologische und sozioökonomische Belange berücksichtigt, kommt damit den Berechnungen der EAT-Lancet-Kommission noch näher.

Weniger ist mehr

Eine pflanzenbetonte Ernährung mit einem geringen Fleischanteil ist nicht nur für Klima und Umwelt gut, sondern auch für die Gesundheit. Ein hoher Konsum von rotem (Muskelfleisch von Rind, Schwein, Schaf, Pferd oder Ziege) und verarbeitetem Fleisch steht im Verdacht, Zivilisationskrankheiten wie Schlaganfall, koronare Herzerkrankung, Diabetes Typ 2, Kolorektal- und Brustkrebs zu fördern. Das bestätigen die Ergebnisse einer umfassenden Übersichtsarbeit der DGE, die sie im 14. DGE-Ernährungsbericht veröffentlicht hat. Mit verarbeitetem Fleisch ist solches gemeint, das zum Beispiel durch Salzen, Fermentieren, Räuchern oder Pökeln haltbar gemacht wird, wie Salami, Schinken oder Würstchen. Krebsforscher der Weltgesundheitsorganisation WHO haben im Jahr 2015 solches Fleisch als »krebserregend« eingestuft und rotes Fleisch als »wahrscheinlich krebserregend«.

Beim Erhitzen von Gesalzenem und Gepökelten können aus dem Nitritpökelsalz im Magen krebserregende Nitrosamine entstehen. Deshalb gehören Kasseler oder Räucherspeck, Fleisch- und Bockwurst oder Leberkäse nicht auf den Grill. Beim Braten und Grillen von Fleisch und Fleischprodukten werden außerdem gefährliche Stoffe gebildet wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) oder heterozyklische aromatische Amine (HAA). PAKs entstehen, wenn Fett aus dem Fleisch oder der Marinade auf die glühende Kohle tropft. Sie steigen mit dem Rauch auf und lagern sich zum Teil auf dem Fleisch ab. HAAs entwickeln sich, wenn man das Fleisch zu heiß und zu lange grillt. Vermutlich sind diese Stoffe für das höhere Krebsrisiko der Fleisch- und Wurstesser verantwortlich.

Auch die Inhaltsstoffe von Fleisch oder Wurst selbst können eine Gefahr für die Gesundheit darstellen, zum Beispiel die gesättigten Fettsäuren, Cholesterin oder Purine. Bei allen Risiken enthält Fleisch aber auch wertvolle Inhaltsstoffe, die Menschen für eine gesunde Ernährung brauchen. Das sind in erster Linie Eiweiß, Eisen, Zink, Selen, Vitamin A und die B-Vitamine. Gesund ernähren kann man sich mit oder ohne Fleisch. Nur eines ist klar: Viel Wurst und Fleisch zu essen, ist ungesund.

Klasse statt Masse

Weniger Fleisch auf dem Speiseplan leistet einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz. Ob Fleisch aus biologischer Produktion generell weniger Energie verbraucht und weniger Treibhausgase verursacht als konventionell erzeugtes Fleisch, ist unter Experten noch umstritten. Beispielsweise zeigt eine Ende 2020 im Magazin Nature Communications veröffentlichte Studie eines deutschen Forscherteams, dass Fleisch aus Bio-Produktion in Sachen Klimaschutz nicht unbedingt besser abschneidet als aus konventioneller Herstellung. Dennoch hat Biohaltung einige Vorteile, zum Beispiel bei der Biodiversität, dem Tierschutz sowie dem Boden- und Grundwasserschutz.

Aber egal ob bio oder konventionell: Die Tierhaltung inklusive der für sie angebauten Futtermittel ist laut der Verbraucherorganisation Foodwatch der größte Verursacher von Treibhausgasen in der Landwirtschaft. Durch eine verstärkt pflanzliche Kost könnten die Emissionen an Treibhausgasen deutlich gesenkt werden. Global verantwortlich ernährt sich daher, wer sich an die empfohlenen Fleischmengen der Fachgesellschaften hält. Dabei ist Biofleisch, am besten von heimischen Weidetieren, solchem von Stalltieren vorzuziehen. 

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