Ist Kollagen ein Jungbrunnen für die Haut? |
Eine glatte haut trotz des Älterwerdens bewahren – dabei sollen Kollagenpräparate helfen. / Foto: Adobe Stock/deagreez
Kollagen macht mit etwa 30 Prozent den größten relativen Anteil am Gesamtprotein des Menschen aus und ist der wichtigste Faserbestandteil von Haut. Es handelt sich dabei um eine Familie von Proteinen, die ein Bestandteil der extrazellulären Matrix sind. Die extrazelluläre Matrix ist das Gewebe, das zwischen den Zellen liegt. Kollagene besitzen eine dreidimensionale Struktur, wobei sich drei kettenförmige Proteine umeinanderwinden und eine Dreifachhelix bilden. Es werden knapp 30 verschiedene Typen unterschieden, wovon Kollagen Typ I, Typ II und Typ III am meisten von Interesse sind. Typ I dominiert mengenmäßig und ist maßgebend für die Eigenschaften der Haut zuständig.
Über Lebensmittel wie Fleisch, Knochenbrühe, Schalentiere oder Fisch nimmt der Mensch Kollagen auf, kann es aber auch selbst herstellen. Dafür sind hauptsächlich die Fibroblasten im Bindegewebe zuständig. Diese spezialisierten Zellen bauen Kollagen über Zwischenstufen wie Prokollagen auf. Dafür werden zum einen Aminosäuren, vor allem Prolin und Glycin, benötigt. Diese liefern proteinreiche Lebensmittel wie Fisch, Fleisch, Eier, Hülsenfrüchte oder Sojaerzeugnisse. Zum anderen benötigt der Körper für die Kollagensynthese Co-Faktoren, von denen Vitamin C der wichtigste ist. Dieses kann der Körper unter anderem aus Zitrusfrüchten, Beeren, Paprika oder Tomaten aufnehmen. Dann sind noch Spurenelemente erforderlich, vor allem Kupfer, das zum Beispiel in Rinderleber, Getreideprodukten, Nüssen, grünem Gemüse, Kaffee und Tee enthalten ist, sowie Zink aus Fleisch, Eiern, Milch(produkten), Hülsenfrüchten, Nüssen oder Vollkornprodukten.
Die Fibroblastenaktivität geht allerdings mit zunehmendem Alter zurück. Stress, Tabak- und Alkoholkonsum sowie UV-Strahlung fördern den Abbau von Kollagen. Das Bindegewebe verändert sich und die Spannkraft der Haut lässt nach. Sie ist weniger elastisch und kann weniger Feuchtigkeit aufnehmen und speichern. Es zeigen sich erste Fältchen, die sich allmählich vertiefen.
Die Idee, Kollagen zuzuführen, um den Kollagenspiegel auch bei fortschreitendem Alter hochzuhalten, ist naheliegend. Ob Kollagen in Hautcremes und Seren einen Effekt hat, wird allerdings angezweifelt. Kollagen kommt von Natur aus in tieferen Hautschichten vor. Auf die Haut aufgetragen können die großen Kollagenfasern vermutlich nicht die äußeren Hautschichten durchdringen. Ob dies kürzeren Aminosäureketten, den sogenannten Kollagenpeptiden gelingt, ist noch nicht ausreichend belegt. Zielführender sei die orale Aufnahme, erklären die Hersteller von Kapseln, Pulvern und Drinks mit Kollagen. Die Nahrungsergänzungsmittel (NEMs) enthalten bearbeitete Formen wie hydrolysiertes Kollagen, die leichter absorbiert werden sollen. Die Vorstellung, dass die Kollagensupplementation Jugend und Schönheit erhält, bestärken entsprechende Marketingaussagen. Influencer berichten, dass sie durch die Einnahme nicht nur eine glatte Haut, sondern auch festere Nägel und vollere Haare bekommen hätten.
Zu beachten ist, dass es für gesundheitsbezogene Aussagen bei NEMs klare Regeln und eine von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassene Liste sogenannter Health Claims gibt. Für Kollagen gibt es derzeit keinen genehmigten Health Claim. Auf den Etiketten von NEMs werden die Wirkungen daher häufig nicht dem Kollagen selbst, sondern zusätzlich enthaltenen Bestandteilen wie Vitamin C, Biotin oder Zink zugeschrieben. Für sie gibt es zugelassene Health Claims, die sich auf die Haut beziehen, etwa »Biotin unterstützt ein normales Hautbild«.
Im Zusammenhang mit Kollagenpräparaten werden häufig Studien präsentiert, die die Wirkung auf das Hautbild belegen sollen. In einer aktuellen systematischen Überprüfung und Metaanalyse aus April 2023 werteten Forscher aus Taiwan 26 randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs) mit 1721 Patienten aus, um die Auswirkungen einer Supplementierung von hydrolysiertem Kollagen auf die Haut zu prüfen. Die Kollagen-Einnahme verbesserte die Hautfeuchtigkeit und die Elastizität im Vergleich zur Placebogruppe signifikant. Die Autoren stellten zwar Verzerrungen in den eingeschlossenen RCTs fest. Dennoch deuteten ihrer Ansicht nach die Ergebnisse darauf hin, dass eine Supplementierung positive Auswirkungen auf die Hautgesundheit haben könnte. Es seien jedoch weitere groß angelegte randomisierte kontrollierte Studien erforderlich, um diese Ergebnisse zu bestätigen.
2021 hatten Wissenschaftler aus Brasilien die Erkenntnisse über die Auswirkungen einer Supplementierung mit hydrolysiertem Kollagen auf die menschliche Haut in einer systematischen Übersicht zusammengefasst und anschließend in einer Metaanalyse klinischer Studien, die sich auf den Prozess der Hautalterung konzentrierten, untersucht. Sie schlossen 19 RCTs mit insgesamt 1125 Teilnehmern im Alter zwischen 20 und 70 Jahren (95 % Frauen) ein. In der Metaanalyse zeigte eine gruppierte Analyse der Studien günstige Ergebnisse der Supplementierung mit hydrolysiertem Kollagen im Vergleich zu Placebo in Bezug auf Hautfeuchtigkeit, Elastizität und Falten.
In einer systematischen Übersichtsarbeit ebenfalls aus 2021 hatten die Autoren die Literatur zu den Auswirkungen von Kollagenpräparaten auf Hautgesundheitsparameter bei gesunden und kranken Personen ausgewertet. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die orale Verabreichung von intaktem oder hydrolysiertem Kollagen verschiedene klinische Parameter der Hautgesundheit verbesserte.
Bei den in den Studien eingesetzten Kollagenpräparaten kann es sich um spezielle Formen handeln, etwa um Verisol. Das ist ein Kollagenhydrolisat mit patentiertem Herstellungsverfahren. Es setzt sich aus verschiedenen spezifischen Kollagenpeptiden zusammen, die durch Hydrolyse von Schweinekollagen Typ I gewonnen werden. Kollagen in dieser Form soll von den Fibroblastzellen in der Dermis-Schicht der Haut als Kollagenfragmente erkannt werden und den Kollagenstoffwechsel anregen. Der Hersteller legt für die proklamierten Wirkungen verschiedene Studien vor. Eine höhere Hautelastizität war beispielsweise das Ergebnis einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie mit 69 Frauen im Alter von 35 bis 55 Jahren. Parameter wie die Hautfeuchtigkeit verbesserten sich in einer Untergruppenanalyse, die Daten erreichten jedoch kein statistisches Signifikanzniveau. Während der gesamten Studie wurden keine Nebenwirkungen berichtet.
In einer weiteren doppelblinden, placebokontrollierten Studie nahmen 114 Frauen im Alter von 45 bis 65 Jahren entweder acht Wochen lang einmal täglich 2,5 g von dem Kollagenpräparat oder Placebo ein. In der Kollagen-Gruppe verringerte sich statistisch signifikant das Augenfaltenvolumen im Vergleich zur Placebogruppe. Verisol-Kollagen soll auch gegen Cellulite helfen. In einer RCT regte es die extrazelluläre Matrixbildung der Haut an und als sichtbarer Effekt wurde berichtet, dass sich die Dellen reduzierten. In einer Studie mit 25 Teilnehmerinnen wirkte sich Versiol positiv auf die Nägel aus. Die Nägel waren weniger spröde und brüchig nach zweimonatiger Behandlung und wuchsen schneller. Bei solchen herstellerfinanzierten oder -unterstützten Studien lassen sich allerdings Verzerrungen durch das Studiendesign oder die Messmethoden nicht ausschließen.
Die Studienergebnisse zusammen mit den Werbeaussagen mögen auf den ersten Blick den Eindruck vermitteln, dass es sich bei Kollagen wirklich um ein Wundermittel gegen das Altern handelt. Stiftung Warentest zeigte sich im Oktober 2022 von den Präparaten allerdings weniger beeindruckt. Die Tester prüften 15 Zubereitungen mit Kollagen und befanden die beworbene Wirkung als wissenschaftlich nicht belegt.
Eine gute Nachricht ist, dass Kollagen als Protein und normaler Bestandteil des Körpers und der Ernährung an sich nicht toxisch ist. Möglich ist aber, dass Anwender mit Allergien oder Unverträglichkeiten darauf reagieren. Da NEM nicht kontrolliert werden müssen, lässt sich zudem nicht ausschließen, dass Verunreinigungen in den Produkten enthalten sind. Für Tierfreunde, Vegetarier und Veganer mag abschreckend sein, dass tierische Schlachtabfälle die Hauptquelle für Kollagen sind. Insgesamt fügt sich die Kollagensupplementation in den aktuellen Longevity-(Langlebigkeits)Trend. Populäre Mediziner wie der Arzt Dr. Brad Stanfield aus Neuseeland erklären in YouTube-Videos, von welchen Supplementen sie sich ein längeres und gesünderes Leben erhoffen. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass ein ganz entscheidender Faktor für ein gesundes Leben die Lebensweise ist und NEMs allenfalls bei einem klinisch erwiesenen Mangel sinnvoll sind.
So ist auch das Hautbild nicht maßgebend davon abhängig, ob Kollagen supplementiert wird. Einflüsse wie UV-Strahlung, Rauchen, Hormone und Ernährung tragen hingegen wesentlich dazu bei, dass sich das Hautbild im Laufe der Jahre ändert. Wer frischer und jugendlicher erscheinen mag, kann mit seinem täglichen Verhalten dazu beitragen.