Johanniskraut, Ginkgo und Lavendel – was gilt für die Beratung? |
Pflanzen für die Psyche – Grün tut gut. / © Getty Images/PhotoAlto/Frederic Cirou
Johanniskraut gehört neben Ginkgo zu den am besten erforschten Arzneipflanzen weltweit. Das hat ihm eine Berücksichtigung in der S3-Leitlinie zur Unipolaren Depression eingebracht. Demnach ist ein Therapieversuch bei depressiven Episoden leichter und mittelstarker Ausprägung mit Johanniskrautextrakt möglich. Dieser wird aus den getrockneten Triebspitzen von Hypericum perforatum gewonnen. Als Leitsubstanzen gelten Phloroglucinderivate wie Hyperforin, Naphthodianthrone wie Hypericin und Flavonole wie Hyperosid. Trotz zahlreicher Forschungsarbeiten existiert jedoch bis heute kein allgemeingültiges Wirkprinzip.
Mehr als zwei Dutzend klinische Studien zeigen, dass Johanniskrautextrakte nicht nur wirksam, sondern den chemisch-synthetischen Antidepressiva sogar ebenbürtig sind – bei weniger Nebenwirkungen. Entscheidend für die gute Wirksamkeit ist eine relativ hohe Dosierung. In den meisten Studien lag sie bei mindestens 900 mg pro Tag.
Deshalb ist für die Beratung wichtig: Präparate mit ausreichend hoher Wirkstärke von etwa 900 mg zu empfehlen (wie Neuroplant® Aktiv, Jarsin® 450 , Laif® 900). In diesem Zusammenhang ist auch die vorgeschriebene Einnahmehäufigkeit zu prüfen. Für manche Patienten ist die einmal tägliche Einnahme vorteilhaft. Nach etwa vier bis sechs Wochen ist mit einer aufhellenden Wirkung zu rechnen.
Neben klar definierten Wirkstoffgehalten schreibt das Europäische Arzneibuch außerdem Methanol oder Ethanol als Extraktionsmittel vor. Zu bedenken: Manche Präparate enthalten keinen Extrakt, sondern Pulver. Doch sind in Pulverpräparaten nur Spuren von Hyperforin nachweisbar; sie sind mit geprüften Präparaten nicht vergleichbar.
Bei leichten Formen depressiver Verstimmungen können hoch dosierte Johanniskrautextrakte gut helfen. Die Behandlung mittelstarker depressiver Episoden gehört jedoch in ärztliche Hand. Entsprechende Phytopharmaka sind dann erstattungsfähig. Das heißt: Die Kosten für Johanniskrautextrakte werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, wenn sie rezeptiert werden.
Ein weiteres pflanzliches Arzneimittel steht auf der Ausnahmeliste zur Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung der Ginkgo-biloba-Spezialextrakt EGb® 761 (Tebonin® konzent®). In einer Tagesdosierung von 240 mg empfiehlt die S3-Leitlinie ausschließlich diesen Spezialextrakt unter den Ginkgo-Präparaten als Therapieoption bei leichten bis mittelgradigen Demenzformen unterschiedlicher Genese.
Auch wenn die vollständige Aufklärung der pharmakologischen Wirkprinzipien noch aussteht, belegen zahlreiche Untersuchungen, dass sich die Inhaltsstoffe der Ginkgoblätter positiv auf die Energieproduktion des Gehirns auswirken. Sie stärken nicht nur die Fähigkeit der Nervenzellen, sich untereinander zu vernetzen (Stichwort: Verbesserung der Neuroplastizität), sondern fördern auch die Durchblutung.
Klinische Studien belegen die Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit und von Alltagsfunktionen bei leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz oder vaskulärer Demenz. Auch nicht psychotische Verhaltenssymptome wie Reizbarkeit, Aggression, Niedergeschlagenheit oder Schlafstörungen, die häufig mit einer Demenz einhergehen, sprechen auf eine Therapie an. Ein präventiver Effekt ist dagegen nicht belegt.
Zwar wird hinter kognitiven Störungen bei älteren Menschen häufig eine Demenzerkrankung vermutet. »Doch viele Patienten haben keine Demenz, sondern eine Depression«, sensibilisierte der Psychiater und Neurologe Professor Dr. Michael Berner vom Universitätsklinikum Freiburg bei einer Veranstaltung des Unternehmens Dr. Willmar Schwabe. Im Gegensatz zu einer »echten« Demenz beginne die depressionsbedingte Pseudodemenz rasch und schreite schnell fort, zudem sei in erster Linie die Konzentration anstelle des Gedächtnisses gestört.
Die beiden Krankheitsbilder ließen sich mittels einfacher Tests innerhalb weniger Minuten unterscheiden, beispielsweise mit dem Mini-Mental-Status-Test. Dabei prüft der Arzt mithilfe simpler Aufgaben die Orientierung, Konzentration und Merkfähigkeit des Patienten. Erzielen lässt sich ein Score von maximal 30 Punkten. Je höher die Punktzahl, desto besser steht es um die Kognition des Patienten. Mehr als 20 Punkte deuteten auf eine maximal leichte, 19 bis 10 Punkte auf eine mittelgradige und weniger als 10 Punkte auf eine schwere Demenz hin, erklärte Berner.
Nicht nur Kognitionsabbau, sondern auch Schlafstörungen betreffen häufig betagte Menschen. Auch hier könne mit Phytopharmaka gegengesteuert werden, erklärte Professor Dr. Hans-Peter Volz, selbstständiger forensisch-psychiatrischer Gutachter in Würzburg, bei der gleichen Veranstaltung.
Gestörter Schlaf sei dabei meist ein Symptom einer anderen Erkrankung und trete nur selten isoliert auf. Zu den Hauptursachen zählten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schmerzen, psychiatrische oder neurologische Erkrankungen, Lungenerkrankungen und Adipositas. »Psychiatrische Erkrankungen sind der Hauptteil des Kuchens«, betonte der Arzt, darunter fallen vor allem Depressionen und Angststörungen.
Neben der Behandlung der Grunderkrankung und einer guten Schlafhygiene könnten beispielsweise Phytopharmaka den Schlaf fördern. Bei angstbedingten Schlafstörungen sei beispielsweise Arzneilavendelöl wie Silexan® in Lasea® indiziert, so Volz. Silexan besitzt einen extrem hohen Gehalt an Linalool und Linalylacetat von rund 80 Prozent.
Für die anxiolytische Wirksamkeit macht man den modulierenden Effekt auf Calciumkanäle verantwortlich. Dadurch soll das Neurotransmittergleichgewicht wiederhergestellt werden. Die Lavendelöl-Zubereitung drosselt den Einstrom von Calciumionen in Nervenendigungen. Das bremst die Ausschüttung erregender Neurotransmitter wie Noradrenalin und Serotonin, weshalb sich die natürliche Reizfilterfunktion zwischen den Neuronen bei der Informationsweitergabe verbessern soll.
Ist die Schlafstörung dagegen depressionsbedingt, sei ein Johanniskraut-haltiges Präparat vorzuziehen, riet Volz. In diesem Fall müsse allerdings das Interaktionspotenzial beachtet werden (siehe Kasten).
Johanniskraut-haltige Extrakte sind eine der ganz wenigen pflanzlichen Zubereitungen, von denen klinisch relevante Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen bekannt sind. Verantwortlich dafür ist der Inhaltsstoff Hyperforin.