Kapseln mit Amfetamin-Sulfat |
Das Pulver wird in Bahnen gleichmäßig über das Kapselbrett verteilt und vorsichtig mit einem senkrecht gehaltenen Kartenblatt verteilt. / Foto: DAC/NRF
Eine Kollegin der PTA Gabi Galenik arbeitet nach längerer Pause wieder in der Apotheke. In ihrer ersten Woche nach dem Wiedereinstieg erhält sie von einer Kundin ein Rezept für Kapseln zur Herstellung in der Apotheke. Die Kapseln sind für ein sieben Jahre altes Kind. Gabis Kollegin hat die Kapseln früher häufiger hergestellt und übernimmt die Herstellung und die Erstellung der Protokolle deshalb gerne. Weil es eine Weile her ist, arbeitet sie mit Gabi zusammen.
Die Verordnung lautet wie folgt:
50 Amfetamin-Kapseln 5 mg
1 Kapsel morgens
Amfetaminsulfat wird bei Kindern mit hyperkinetischer Störung (ADHS) eingesetzt. Die Anfangsdosierung liegt für Kinder über sechs Jahren bei 5 mg pro Tag, was theoretisch zur Angabe auf dem Rezept passt. Auf dem Rezept ist allerdings die Base Amfetamin verordnet, nicht das Amfetaminsulfat. Um eine Verwechslung und damit eine Fehldosierung auszuschließen, bittet die Kollegin Gabi, mit dem Arzt Rücksprache zu halten, während sie sich mit der Herstellung auseinandersetzt und die ersten Protokolle ausfüllt.
Gabi erreicht die Praxis relativ schnell. Dort teilt man ihr mit, dass sie die Kapseln mit 5 mg Amfetaminsulfat herstellen sollen. Das Rezept wird geändert. Sie teilt ihrer Kollegin das Ergebnis des Telefonats mit. Diese hatte in der Zwischenzeit eine raue Reibschale und einen Messzylinder bereitgestellt und wollte nun DAC-Anlage G im DAC/NRF öffnen. Diese Anlage, so erinnert sich die Kollegin, beschrieb, wie das Kalibriervolumen für die volumetrische Kapselherstellung durchgeführt wird. Doch die Anlage ist als »Nicht besetzt« gekennzeichnet. Gabi weiß zu berichten, dass die Kapselherstellung stattdessen in den »Allgemeinen Hinweisen« in Kapitel I.9. erklärt wird.
Außerdem hat die Kollegin bereits die standardisierte Rezepturvorschrift für Amfetaminsulfat-Kapseln 5 mg / 10 mg (NRF 22.5.) herausgesucht. Sie wundert sich, dass dort absolute Zahlen für die Einwaage des Füllmittels angegeben sind. Sie kennt die Kapselherstellung noch so, dass die benötigte Menge an Füllmittel erst mit einem Glaszylinder ermittelt werden musste. Für die volumetrische Herstellung stimmt das auch. Die neue gravimetrische Herstellung nach Masse funktioniert mit absoluten Zahlen und wird heutzutage bevorzugt. Beide Verfahren werden in Kapitel I.9. erklärt.
Die volumetrische Herstellung von Kapseln hat in der Praxis einige Nachteile. Das Wirkstoffpulver muss mit einer bestimmten Menge Füllmittel ergänzt werden, um die Unterteile der Kapseln komplett zu füllen. Die Menge an benötigtem Füllmittel wird bei der volumetrischen Herstellung mit einem Glaszylinder ermittelt. Der Wirkstoff wird mit dem Füllmittel in einer rauen Reibschale angerieben. Das Anreiben und das mehrfache Umfüllen des Pulvers sorgen für hohe Pulververluste. Der Wirkstoff haftet an den Oberflächen, was zu einer Unterdosierung führen kann.
Die gravimetrische Herstellungsmethode bietet hier Vorteile. Sie verringert die Anzahl an Umfüllvorgängen, was zu geringeren Verlusten führt. Außerdem werden Wirk- und Füllstoff getrennt angerieben (sofern eine Anreibung überhaupt nötig ist) und in einer glatten Schale gemischt. An der glatten Oberfläche haftet weniger Wirkstoff an als an der Oberfläche der rauen Reibschale.
Um mit der Masse arbeiten zu können, muss das Schüttvolumen des fertig gemischten Pulvers bekannt sein. Das geht nur, wenn die Partikelgrößen der Pulver definiert sind. Aus diesem Grund arbeitet die Vorschrift mit Mannitol 35 als Hauptbestandteil des Füllmittels und mit einem Wirkstoffpulver, dessen Partikelgröße klein genug ist. Sind die Partikelgrößen des Wirkstoffs zu groß, verringert das die Mischgüte bei der Mischung mit dem Füllmittel. Außerdem muss die Wirkstoffkonzentration klein genug sein (wie im vorliegenden Fall), sodass sie das Schüttvolumen nicht entscheidend verändert.
Die Partikelgröße von Amfetaminsulfat ist genau vorgeschrieben. Steht der Apotheke nur gröbere Ware zur Verfügung, wird der Arzneistoff mit Hochdispersem Siliciumdioxid verrieben, um die benötigte Partikelgröße zu erreichen. DAC-Probe 22 beschreibt die mikroskopische Prüfung der Teilchengrößen. Neben dem Wirkstoff wird Mannitol-Siliciumdioxid-Füllmittel (Vorschrift S.38.) verwendet. Für 100 g Füllmittel werden Mannitol 35 99,5 g sowie Hochdisperses Siliciumdioxid (200 m²/g) 0,5 g benötigt.
Mannitol 35 ist definiert gepulvert und weist die benötigte Teilchengröße auf. Mannitol mit höherer Teilchengröße müsste erst weiter zerkleinert werden. Die Herstellung erfolgt nach Vorschrift S.38. in einer ausreichend großen glatten Schale, in der erst das hochdisperse Siliciumdioxid mit einem kleinen Teil des Mannitols 35 (siehe Vorschrift) zweimal mindestens 30 Sekunden verrührt und abgeschabt wird. Der Rest des Mannitols 35 wird hinzugefügt und auf gleiche Weise verrührt. Gegebenenfalls muss gesiebt und erneut verrührt werden.
Ist das Schüttvolumen des Füllmittels bekannt, kann daraus die Nennfüllmasse der Kapseln berechnet werden. Aus dieser ermittelt man die Masse an benötigtem Füllmittel. Wer dies nicht selbst berechnen will, kann auf die Rechenhilfe »Pulvergefüllte Hartkapseln: Ansatzberechnung/Inprozessprüfung« von der Webseite des DAC/NRF zurückgreifen. Die Rezepturvorschrift nennt eine Nennfüllmasse für die hier benötigte Kapselgröße 1 von 0,275 g. In die Berechnung fließen neben der gewünschten Wirkstoffmenge mehrere Faktoren ein: zum einen der Einwaagekorrekturfaktor des Amfetaminsulfats, außerdem wird ein Wirkstoffzuschlag von 5 Prozent verwendet. Da der Wirkstoff mit Hochdispersem Siliciumdioxid verrieben wurde, muss natürlich auch das berücksichtigt werden. Werden alle benötigten Daten zusammen mit der gewünschten Anzahl an Kapseln in die Rechenhilfe eingegeben, errechnet sie die benötigte Masse an Füllmittel.
Die Herstellungsanweisung der Rezepturvorschrift enthält genaue Angaben dazu, wie Wirkstoff und Füllmittel gemischt werden sollen. Wie oben erwähnt, geschieht dies in einer glatten Schale, am besten aus Metall, und mit einem glatten Pistill. Erst legt man eine bestimmte Menge an Füllmittel vor (siehe Vorschrift), dann gibt man den Wirkstoff hinzu. Dann wird dreimal je 30 Sekunden unter mehrfachem Abschaben gerührt. Das gleiche geschieht noch einmal, wenn der Rest des Füllmittels hinzugegeben wurde. Gabis Kollegin wundert sich an dieser Stelle, dass keine Reibschale verwendet wird. Das liegt daran, dass die Pulverpartikel nicht zerkleinert, sondern nur gemischt werden sollen.
Das Pulver wird in Bahnen gleichmäßig über das Kapselbrett verteilt und vorsichtig mit einem senkrecht gehaltenen Kartenblatt verteilt. Es bleibt ein kleiner Teil Pulver übrig, wenn die Kapselunterseiten komplett gefüllt sind. Diesen schiebt man an die Seite des Kapselbretts und klopft dann das Brett vorsichtig ein paarmal auf die Arbeitsfläche auf. Auf diese Weise sinkt das Pulver etwas in die Kapseln ein. Der Pulverüberstand wird gleichmäßig verteilt. Diesen Vorgang wiederholt die PTA, bis das Pulver komplett in den Kapseln verteilt ist. Wieder wundert sich Gabis Kollegin, denn früher sollte nicht geklopft werden. Vorsichtiges Klopfen hilft jedoch, Pulverbrücken und Lufteinschlüsse in den Kapseln »herauszuklopfen«.
Ist das Pulver vollständig in den Kapseln, werden diese verschlossen. Möglicherweise an der Oberfläche der verschlossenen Kapseln anhaftende Pulverreste müssen mit einem Tuch durch vorsichtiges Rollieren entfernt werden. Abschließend gilt es, die Massen der Kapseln zu kontrollieren. Dies geschieht durch Prüfung auf Masseneinheitlichkeit, Masseverlust und Masserichtigkeit. Die Rechenhilfe des DAC/NRF bietet hier ebenfalls Unterstützung. Man bestimmt die Gesamtmasse einer bestimmten Anzahl an leeren Kapselhüllen und fertigen Kapseln und die Einzelmassen von zehn fertigen Kapseln. Diese und andere Zahlen trägt man ein. Die benötigten Werte wie Mittelwert, Standardabweichung und die prozentuale Abweichung des Kapselinhalts werden dann automatisch berechnet. Gabis Kollegin liest sich das entsprechende Kapitel durch, um die benötigten Zahlenwerte herauszusuchen, und führt die Wägungen und Berechnungen aus. Die Kapseln stimmen mit den Vorgaben überein und können abgefüllt werden.
Als Gefäß wählt die Kollegin eine Plastikflasche. Da es sich bei den Kapseln um ein Betäubungsmittel handelt, muss die Flasche einen kindersicheren Verschluss haben, dessen Funktionsweise sie noch einmal überprüft. Abschließend guckt sie sich die Kapseln in der Flasche noch einmal auf Knicke oder Dellen an und begutachtet die Flasche auf Pulverreste. Alles in Ordnung, sie verschließt die Flasche nun, etikettiert sie und führt die letzten Dokumentationen durch. Gabi informiert die Kundin in der Zwischenzeit, dass diese die Kapseln abholen kann.
50 Amfetaminsulfat-Kapseln 5 mg
1 Kapsel morgens