Kein Zusammenhang zwischen Migräne und Demenz |
Die gute Nachricht: Zwischen Migräneattacken und der Entstehung von Demenzen besteht kein Zusammenhang. / Foto: Getty Images/Hero Images
Die Ursachen und Entstehungsmechanismen von Migräne sind bis heute nicht vollständig geklärt. Da an der Migränesymptomatik jedoch Hirngefäße beteiligt sind, werden Zusammenhänge zwischen der Erkrankung und dem Auftreten von Schlaganfällen oder dem Verlust kognitiver Fähigkeiten seit längerem untersucht.
Wie die Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) schreibt, hat sich hier gezeigt, dass Migräneerkrankungen – insbesondere mit Aura, also Sehstörungen wie Flimmern und Lichtblitzen beziehungsweise neurologischen Symptomen – mit einer leicht erhöhten Schlaganfallgefahr einhergehen: bei Frauen mit Migräne-Aura 2,1-fach, bei Männern 1,4-fach. Auch seien bei Migränepatienten Veränderungen der weißen Hirnsubstanz, des Gehirnvolumens sowie schlaganfallähnliche Läsionen im Hirn nachgewiesen (»stumme Infarkte«) worden.
Die darauf basierende Frage, ob eine Migräne auch ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenzerkrankung darstellt – Veränderungen im Hirngewebe sind mit einem gesteigerten Risiko kognitiver Störungen assoziiert – konnten die Forscher jedoch mit Nein beantworten. Das Ergebnis der ersten prospektiven Kohortenstudie dazu wurde in der Fachzeitschrift »Headache« veröffentlicht. Analysiert wurden knapp 12.500 Teilnehmer – darunter 1.397 Migränepatienten im Alter zwischen 51 bis 70 Jahren.
Im Gesamtergebnis wurde bei den Teilnehmern ohne Migräne eine Demenz-Prävalenz von 18,5, bei denen mit Migräne eine Demenz-Krankheitshäufigkeit von 16,7 Prozent festgestellt. Bei schweren Nicht-Migräne-Kopfschmerzen in der Anamnese ist eine Prävalenz von 15,8 Prozent registriert worden. Insgesamt, so die Autoren, gab es somit statistisch keine Assoziation zwischen Migräne und Demenz.
»Trotz der Tatsache, dass Migränepatienten in seltenen Fällen Veränderungen im Hirngewebe aufweisen, haben die Betroffenen kein höheres Risiko, eine Demenz zu entwickeln«, erklärt Professor Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), in einer Pressemitteilung.
Derzeit gäbe es keine Hinweise, dass bei Migräne-Erkrankungen auftretende vaskuläre und neuronale Veränderungen mit Blick auf die Entstehung von Demenzen von klinischer Relevanz sind oder einen Krankheitswert besitzen. Allerdings, so Diener, sollten Betroffene und hier vor allem Frauen, die an Migräneattacken mit Aura leiden, hinsichtlich ihres Schlaganfallrisikos überwacht werden. Sie sollten zudem Gefäßrisiken wie übermäßigen Nikotinkonsum oder Hormonbehandlungen meiden.
Sind Bezüge zwischen Migräneattacken und Demenzen nicht gegeben, so ist seit einigen Jahren bekannt, dass diese sehr wohl zwischen Hypertonie und Demenzen bestehen. Menschen mit chronisch hohen Blutdruckwerten leiden häufiger an kognitiven Einschränkungen. Das hatte Diener im Rahmen einer DGN-Pressemitteilung bereits Anfang des Jahres deutlich gemacht.
Gemäß einer zu Beginn dieses Jahres in der Fachzeitschrift »Lancet Neurology« veröffentlichten Metanalyse sechs großer Kohorten prospektiver Beobachtungsstudien mit insgesamt knapp über 31.000 Teilnehmern über 55 Jahren mit normalen (n= 15553) und erhöhten Blutdruckwerten (n=15537) könne die professionelle medikamentöse Blutdruck-Einstellung bei Hypertonie das generelle Demenzrisiko um 12, das spezifische Risiko, an Alzheimer zu erkranken, um 16 Prozent senken.
Ob ACE-Hemmer, Diuretika, Beta-, Calciumkanal- oder Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker: Gemäß dieser Auswertung sei es nicht entscheidend, welche Arzneimittel-Gruppe bei der Hypertonie-Therapie zum Einsatz kommt. »Es ist nicht so, dass eine bestimmte Klasse von Blutdrucksenkern einen Anti-Demenz-Effekt hätte, sondern, dass eine erfolgreiche Blutdrucksenkung in den Zielwertbereich unter 140/90 mm Hg zur Reduktion des Demenzrisikos führt«, so Diener. Allerdings sei die konsequente und regelmäßige Einnahme der verordneten Antihypertonika wichtig. Diener sieht hier ein immenses Präventionspotenzial, dem große Bedeutung zukommt, da die Medizin bis heute letztlich nicht über eine krankheitsmodifizierende Therapie der Demenz verfügt.
In Deutschland leben derzeit etwa 1,2 Millionen Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind. Pro Jahr kommen schätzungsweise 244.000 Betroffene neu hinzu. Ob vaskulär oder frontotemporal: Die Demenz kann Ausdruck verschiedener Erkrankungen sein. Zu 50 bis 70 Prozent werden die neurokognitiven Störungen auf die Alzheimer-Krankheit zurückgeführt. Die Lewy-Körper-Demenz macht 20 Prozent aller Demenzformen aus.