Keine Angst vor dem Absetzen |
Den Experten zufolge können die meisten Betroffenen Antidepressiva ohne relevante Symptome absetzen. Auch ein Ausschleichen sei meist nicht nötig. / Foto: Getty Images/Milko
Die Studie der Charité-Universitätsmedizin Berlin und der Uniklinik Köln, veröffentlicht in »Lancet Psychiatry«, liefert beruhigende Nachrichten für Patienten, die überlegen, ihre Antidepressiva-Behandlung zu beenden. Denn: Oftmals sei das Erleben von sogenannten Absetzsymptomen durch negative Erwartungshaltungen beeinflusst – und nicht unbedingt durch die Medikation selbst.
Das bedeutet: Wer Symptome erwartet, hat womöglich eher welche. Die von den Wissenschaftlern durchgeführte Meta-Analyse umfasste rund 21.000 Teilnehmer und belegt, dass echte medikamentenbedingte Absetzsymptome bei etwa 16 bis 17 Prozent der Fälle auftreten – und diese meist mild sind.
»Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen wird Antidepressiva ohne relevante Symptome absetzen können. In den allermeisten Fällen ist daher kein langwieriges oder kleinschrittiges Ausschleichen der Medikation nötig«, erklärt Dr. Jonathan Henssler, Leiter der Arbeitsgruppe Evidence-Based Mental Health an der Charité.
In der Nationalen Versorgungsleitlinie »Unipolare Depression« wird nach einer Erhaltungstherapie oder Rezidivprophylaxe jedoch prinzipiell ein Ausschleichen über mindestens acht bis zwölf Wochen empfohlen. Die Metaanalyse ist daher eher als Beruhigung anzusehen, da laut ihr Absetzsymptome nicht so häufig auftreten, wie es einzelne frühere Studien und auch Reviews nahegelegt hätten.
Grundsätzlich gilt: Wer überlegt, seiner Antidepressiva-Therapie zu beenden, sollte das nicht alleine tun. »Es ist wichtig, dass alle Menschen, die eine Behandlung mit Antidepressiva beenden wollen, ärztlich eng begleitet und im Falle von Entzugssymptomen individuell unterstützt werden«, betont Prof. Christopher Baethge von der Uniklinik Köln. »Eine gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen Betroffenen und Behandelnden, schon vor Beginn einer Therapie, ist die Basis für eine gute Behandlung. Wir hoffen, dass unsere Daten diese unterstützen können und der aktuellen Verunsicherung entgegenwirken.«
Dieser Artikel wurde am 11. Juli 2024 aktualisiert.