Keine Chance für Borreliose |
Körper absuchen und Zecken schnell entfernen: Denn je länger eine Zecke festgesaugt bleibt, desto höher ist das Risiko einer Borrelioseinfektion. / Foto: Adobe Stock/Roland W. Waniek
Nach einem Zeckenstich bekommt etwa eine von 100 Personen in Deutschland Borreliose, schätzen die Experten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) – das sind rund 3 von 10.000 Personen pro Jahr. Die Krankheit wird auch Lyme-Borreliose oder Lyme-Krankheit genannt, nach dem Ort Lyme im US-amerikanischen Bundesstaat Connecticut. Dort trat das Krankheitsbild 1975 erstmals gehäuft auf. Eine Infektion mit dem Bakterium Borrelia burgdorferi kann sich sehr unterschiedlich entwickeln. Meist betrifft sie die Haut, manchmal aber auch das Nervensystem und in sehr seltenen Fällen das Herz. Viele Infektionen verlaufen auch unbemerkt.
Dass ein Zeckenstich juckt und sich die Haut an der Einstichstelle rötet, ist eine normale Entzündungsreaktion und zunächst kein Hinweis auf eine Borreliose. Wenn sich aber einige Tage oder Wochen nach einem Stich ein abgrenzbarer, roter Hautfleck an der Einstichstelle zeigt, kann dies auf eine Borreliose hindeuten. Typisch ist ein Fleck, der sich ringförmig ausbreitet, bis er einen Durchmesser von mehr als 5 cm erreicht hat – das wird als Wanderröte (Erythema migrans) bezeichnet.
Bis zu sechs Wochen nach einem Zeckenstich können darüber hinaus grippeähnliche Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Muskelschmerzen auftreten. »Nach einem Zeckenstich« ist dabei leichter gesagt als gemerkt, denn »weniger als ein Drittel der Borreliose-Patienten haben überhaupt mitbekommen, von einer Zecke gestochen worden zu sein, und erinnern sich später daran«, berichtet Dr. Julia Fischer, Oberärztin am Universitätsklinikum Münster und Infektiologin.
Die genannten Beschwerden können auch mal ohne Wanderröte auf eine Borreliose hindeuten. Allerdings sind sie nicht nur für diese Erkrankung spezifisch, »und gerade, wenn sich die Beschwerden trotz Behandlung hartnäckig halten, ist es ganz wichtig, auch andere Krankheitsbilder abzuklären, etwa Autoimmunerkrankungen oder Depressionen«, erläutert Fischer, die auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie ist.
Sind die Gelenke infiziert, sprechen Mediziner von einer Lyme-Arthritis. Betroffen sind am häufigsten die Knie-, aber auch Sprung- oder Ellenbogengelenke. Ebenso wie Haut und Gelenke können Borrelien auch das Nervensystem befallen. Auch wer von einer Neuroborreliose betroffen ist, merkt das in der Regel erst wenige Wochen oder sogar Monate nach dem Zeckenstich. Typisch sind brennende Nervenschmerzen, die sich nachts verschlimmern und oft mit ein- oder beidseitigen Gesichtslähmungen einhergehen. Möglich sind auch Nervenreizungen, die zu Taubheitsgefühlen, Seh- oder Hörstörungen und in sehr seltenen Fällen sogar zu Lähmungen des Rumpfes, der Arme oder der Beine führen.
Bei Kindern wiederum zeigt sich die Neuroborreliose eher in Form einer nicht eitrigen Hirnhautentzündung mit starken Kopfschmerzen oder plötzlichen Gesichtslähmungen. Sehr selten kann eine Borrelieninfektion auch Entzündungen oder Rhythmusstörungen des Herzens auslösen.
Im Blutbild lässt sich eine Borreliose ab der dritten Erkrankungswoche anhand früher Antikörper (IgM-Antikörper) nachweisen. Ab der sechsten Krankheitswoche findet man auch späte Antikörper (IgG-Antikörper), die durch einen weiteren Test bestätigt werden müssen.
Bei der Therapie seien in allen Fällen Antibiotika Mittel der Wahl, betonen die IQWiG-Experten: »Borreliose-Beschwerden können zwar auch ohne Antibiotika von allein abklingen. Dann ist aber das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf höher.« Meist wird über einen Zeitraum von 10 bis 21 Tagen behandelt, danach heilt die Infektion in der Regel folgenlos aus.
Es kann aber auch passieren, dass eine erste Antibiotikabehandlung bei bestimmten Patienten mit Borrelienarthritiden nicht ausreichend wirkt. Dann kann es nötig sein, eine erneute antibiotische Therapie durchzuführen. Davon, nach einem Zeckenstich vorbeugend Antibiotika einzunehmen, um das Risiko für eine Borreliose zu verringern, rät das IQWiG aber ab. Es gebe keine Studien, die einen Vorteil der vorbeugenden Einnahme zeigen. Wichtig ist vor allem, zum Arzt zu gehen, wenn die genannten Krankheitszeichen auftreten.
Der Begriff »Zeckenbiss« ist zwar verbreitet, aber nicht korrekt. Laut RKI kommt der biologische Mechanismus, mit dem die Zecke bei Tieren und Menschen Blut entnimmt, eher einem »Stechen« als einem »Beißen« nahe. Denn die Zecke ritzt die Haut zwar mit ihren den Kieferklauen an, schiebt dann aber ihren Stechrüssel (Hypostom) in die Wunde hinein und saugt aus den verletzten Kapillaren Blut.
Ob ein Zeckenstich überhaupt zu Borreliose führt, hängt vor allem davon ab, wie lange die Zecke in der Haut gesteckt hat, und wie alt und groß sie war. Große Zecken sind häufiger mit Borrelien infiziert als kleine, da sie älter sind und in der Regel schon mehr Wirte gestochen haben. Außerdem schwankt die Rate der infizierten Zecken stark von Region zu Region. Eine Studie des Zentralinstituts der kassenärztlichen Vereinigung von 2019 ergab nach Auswertung der kassenärztlichen Abrechnungen, dass Regionen in Brandenburg, Thüringen, Sachsen, der Norden und Westen Bayerns sowie ganz Sachsen-Anhalt die meisten Infektionen mit Borreliose aufwiesen.
Auch bekommt nicht jeder, der von einer infizierten Zecke gestochen wird, Borreliose. Denn die Bakterien leben im Darm der Zecke. Erst nachdem die Zecke mit dem Saugen begonnen hat, wandern die Borrelien allmählich in die Speicheldrüsen, von wo sie mit dem Zeckenspeichel auf den Gestochenen übertragen werden. Wer seinen Körper also gleich nach einem Aufenthalt im Freien auf Zecken untersucht und sie innerhalb von 24 Stunden entfernt, kann sich wirksam vor Borreliose schützen. Gerade Kinder sollten immer wieder daran erinnert werden.
Wer sich vor Zeckenstichen schützen will, sollte im hohen Gras oder Gebüsch möglichst geschlossene Schuhe tragen und Kleidung, die den Körper großflächig bedeckt – also beispielsweise lange Hosen und langärmlige T-Shirts. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) können Repellents für etwa zwei bis vier Stunden einen gewissen Schutz vor Zecken bieten. Da die Wirkung nachlässt, müssen solche Sprays bei längeren Aufenthalten draußen wiederholt benutzt werden. Wer trotz allem von einer Zecke gestochen wurde, sollte beobachten, ob sich Beschwerden entwickeln, die auf eine Erkrankung hindeuten. Wenn ja, ist auf jeden Fall ein Arztbesuch angezeigt.
Last, but not least: Es gebe eine begründete Hoffnung, dass es in absehbarer Zeit einen mRNA-Impfstoff gegen Borrelieninfektionen geben könnte, erklärt Ärztin Fischer. »Dazu gibt es bereits Phase-III-Studien, also klinische Studien, bei denen der Impfstoff an einem größeren Patientenkollektiv erprobt wird, um zu sehen, ob sich die Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit auch bei vielen unterschiedlichen Patienten bestätigen lässt.« Der Impfstoff, der Proteine aus dem Zeckenspeichel enthält, soll beim Stich eine starke Immunreaktion auslösen, sodass die Zecken ihre Blutmahlzeit vorzeitig beenden.
Wenn eine Zecke in der Haut steckt, sollte man sie so bald wie möglich entfernen – bevor die Borrelien, die sie möglicherweise übertragen kann, von ihrem Darm in den Speichel und damit in die menschliche Haut gelangen. Dafür gibt es spezielle Zeckenpinzetten (Zeckenzangen), Zeckenkarten und Zeckenhaken. Sie sind so geformt, dass sie sich zwischen Zecke und Haut schieben lassen, ohne die Zecke zu quetschen.
Auch eine normale Pinzette kommt infrage, wenn deren Spitzen nach innen gewinkelt sind.
Laufen die Spitzen der Pinzette hingegen flach zusammen, wird eine Zecke beim Zugreifen automatisch zusammengedrückt. Das sollte man vermeiden, weil durch den Druck Erreger aus der Zecke in den Körper gepresst werden könnten. Wer kein geeignetes Hilfsmittel zur Hand hat, kann auch versuchen, die Zecke mit den Fingernägeln zu greifen. Wichtig ist, das Tier möglichst nah an der Einstichstelle am Kopf zu fassen und es dabei nicht mit den Fingern zusammenzudrücken.
Nachdem die Zecke entfernt wurde, kann man die Einstichstelle desinfizieren – beispielsweise mit Alkohol – und auf Überreste der Zecke untersuchen. Falls der Zeckenrüssel als kleiner schwarzer Punkt zurückbleibt, kann ein Arzt ihn entfernen. Ein zurückbleibender Zeckenrüssel führt manchmal zu einer kleinen Entzündung, ist jedoch in der Regel harmlos.
Früher wurde mitunter geraten, die Zecke mit Nagellack, Klebstoff, Zahnpasta, Alkohol oder Öl zu behandeln, um sie zu ersticken. Es kann danach jedoch sehr lange dauern, bis die Tiere abfallen, sodass sich das Infektionsrisiko dadurch sogar erhöhen könnte.