PTA-Forum online
Diagnose Typ-1-Diabetes

Ketoazidose-Gefahr senken

Immer mehr Kinder und Jugendliche erkranken an Typ-1-Diabetes. Privatdozent Dr. med. Peter Achenbach erklärt, was zur Erkrankung führt und was den Betroffenen schon vor Manifestation helfen kann. Achenbach arbeitet am Institut für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München.
Peter Achenbach
06.05.2019  16:00 Uhr

Unter welchen Voraussetzungen kann sich ein Typ-1-Diabetes entwickeln?

Achenbach: Wir kennen mittlerweile über 50 verschiedene Genvarianten, die mit der Entwicklung der Erkrankung in Verbindung gebracht werden. Bei den meisten davon wissen wir auch, wie sie wirken. Am wenigsten bekannt ist bisher, welche Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Deshalb läuft seit etwa 15 Jahren die internationale TEDDY-Studie, deren Ergebnisse helfen sollen, mögliche Umweltfaktoren besser zu verstehen.

Hierzu wurden über 8000 Kinder mit einem genetischen Risiko kurz nach der Geburt rekrutiert. Diese Kinder werden bis zum 15. Geburtstag untersucht. Bestätigt hat sich bislang, dass Kinder mit genetischem Risiko häufiger Typ-1-Diabetes entwickeln, wenn sie in den ersten Lebensmonaten gehäuft Atemwegserkrankungen bekommen, verglichen mit denjenigen Risikokindern, die nur wenige oder keine Atemwegserkrankungen hatten. Das ergab auch eine große Studie hier in Bayern, in der wir eine große Datensammlung von über 300.000 Personen angeschaut haben.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit zu erkranken?

Achenbach: Es gibt Studien, die über viele Jahre von Geburt an Kinder untersucht haben, die aus Familien mit Typ-1-Diabetikern stammen. Dazu gehört die BABYDIAB-Studie, die bereits 30 Jahre läuft. Studien in den USA und Finnland sind nun im 25. Jahr.

Diese Beobachtungsstudien von Geburt an lassen Aussagen über das Erkrankungsrisiko zu. Hat der Vater Typ-1-Diabetes, liegt das Risiko für die Kinder etwa bei 5 Prozent, bei der Mutter sind es drei Prozent. Ist bereits ein Geschwisterkind erkrankt, liegt die Wahrscheinlichkeit für dessen Geschwister bei acht Prozent. Haben zwei Verwandte ersten Grades Typ-1-Diabetes, steigt das Risiko auf 25 Prozent.

Neben dieser Familienanamnese können wir auch einige Gene mitbestimmen. So konnten wir zeigen, dass Personen mit einem Hochrisiko-Genotyp und zwei erkrankten Verwandten zu 50 Prozent selbst auch einen Typ-1-Diabetes entwickeln.

Ist Typ-1-Diabetes gleich Typ-1-Diabetes?

Achenbach: In der therapeutischen Konsequenz ja, aber was das Voranschreiten in der Krankheitsentwicklung angeht, gibt es deutliche Unterschiede.

Man sieht ganz klar eine Gruppe von Kindern, die auch einen bestimmten Genotyp haben, bei denen der Autoimmunprozess gegen die Betazellen schon ganz früh im Leben beginnt – am häufigsten im zweiten Lebensjahr. Diese Kinder entwickeln dann meist auch relativ schnell, innerhalb von Monaten bis wenigen Jahren, die klinisch-symptomatische Erkrankung Typ-1-Diabetes. Die Autoimmunantwort erscheint bei diesen Kindern aggressiver zu verlaufen als bei denjenigen, die erst später erkranken. Als Faustregel können wir sagen: Je eher der Autoimmunprozess auftritt, desto schneller schreitet die Zerstörung der Betazellen bis zum klinischen Diabetes voran. Umso später sich solch ein Prozess entwickelt, umso langsamer läuft er meist ab. Die Immunmuster und auch die Gene unterscheiden sich in Abhängigkeit vom Alter bei klinischer Manifestation. Wenn der Diabetes bei einem Jugendlichen oder jungen Erwachsenen auftritt, hat derjenige bei Manifestation meistens auch noch eine größere Insulinreserve als die ganz kleinen Kinder. Wir sehen auch eine längere Erholungsphase nach den ersten Insulingaben. In dieser »Honeymoonphase« brauchen die Patienten sehr wenig bis gar kein Insulin.

Wie können Eltern dazu beitragen, Typ-1-Diabetes früh zu erkennen und den Ausbruch soweit es geht hinauszuzögern?

Achenbach: Es lohnt sich, Studienangebote für ein Screening wahrzunehmen. Wenn man in einem bestimmten Alter einmal screent, kann man zumindest für diesen Zeitpunkt das Vorliegen eines Typ-1-Diabetes im Frühstadium ausschließen oder erkennen. Diejenigen, die davon betroffen sind, ohne es zu wissen, kennen in den allermeisten Fällen auch keine Symptome, die bei klinischer Manifestation auftreten, wie starke Müdigkeit, starker Durst und Gewichtsverlust. Dann geht wertvolle Zeit verloren, um richtig zu handeln. Bei kleinen Kindern genügen schon wenige Tage, um den Zustand so zu verschlechtern, dass sich eine Ketoazidose entwickelt.

Das Auftreten von Ketoazidose bei Erkrankungsausbruch zu verhindern, ist ein ganz aktuelles Thema in der klinischen Diabetesforschung. Denn die Ketoazidose ist eine gefürchtete, mitunter tödlich verlaufende Komplikation der Erkrankung und bei kleinen Kindern besonders dramatisch. Viele Betroffene stürzen von einem Tag auf den anderen in eine sehr gefährliche Situation und müssen auf der Intensivstation behandelt werden. Das muss alles nicht sein, weil wir die Gefahr zu erkranken über ein Screening viel früher erkennen und den Prozess beobachten können.

Zudem können wir die Familien entsprechend auf Symptome des Typ-1-Diabetes schulen und auch schon erste Kontakte herstellen, damit sie wissen, wohin sie sich im Ernstfall wenden können. Ab einem bestimmten Zeitpunkt kann man den Eltern ein Blutzucker-Messgerät an die Hand geben oder zumindest Harnzucker-Teststreifen.

Wir wissen außerdem, dass ein Großteil der Bevölkerung in Europa unzureichend mit Vitamin D versorgt ist. Vitamin D wirkt nicht nur auf den Knochenstoffwechsel, sondern auch auf das Immunsystem. Es könnte also schon sein, dass ein niedriger Vitamin D-Spiegel bei Kindern mit genetischer Disposition mit dazu beiträgt, den Erkrankungsprozess zu befördern. Deswegen empfehlen wir als eine Maßnahme bei erhöhtem genetischem Risiko, den Vitamin D-Spiegel messen zu lassen und zu substituieren, falls nötig.

Zudem spielen gesunde Ernährung und ein normales Gewicht eine Rolle. Oder umgekehrt: Übergewicht kann dazu beitragen, dass ein Typ-1-Diabetes früher manifest wird. Denn eine mit dem Übergewicht einhergehende Insulinresistenz trägt dazu bei, dass das wenige Insulin aus den wenigen noch erhaltenen Betazellen beim Typ-1-Diabetes, auch noch schlechter wirken kann.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.
TEILEN
Datenschutz

Mehr von Avoxa