KI nur mit Köpfchen! |
Isabel Weinert |
04.06.2025 12:00 Uhr |
Schon die Kleinsten können an Typ-1-Diabetes erkranken. Ein Leitsymptom ist ein enorm großer Durst. / © Adobe Stock/ZoneCreative S.r.l.
Das gilt allerdings nur, wenn Typ-1-Diabetiker auch wirklich gut geschult werden. Darauf wies auf einer Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) Ulrike Thurm hin, Sportlehrerin und Diabetesberaterin DDG in Berlin. Typ-1-Diabetes kann nur mit Insulin behandelt werden. Menschen mit diesem Diabetestyp verabreichten sich das Hormon der Bauchspeicheldrüse viele Jahrzehntelang ausschließlich mit Spritzen. Dann kam die Insulinpumpe als Alternative, die über einen Katheter, dessen Kanüle im Unterhautfett des Bauches fixiert wird, das Insulin kontinuierlich in einer bestimmten Menge und zusätzlich zu den Mahlzeiten abgibt. Wie hoch die jeweilig abgegebene Menge ist, entscheidet der Mensch, der die Pumpe trägt – oder aber, im Falle kleiner Kinder, dessen Eltern.
Ein großer Fortschritt, der nochmals weiter entwickelt wurde hin zum AID-System (Automatische Insulin-Dosierung). Bei diesem System, das auch als Closed Loop oder künstliche Bauchspeicheldrüse bezeichnet wird, arbeiten ein Glucosesensor und eine Insulinpumpe zusammen. Dabei steuert ein Algorithmus die beiden Systeme, der auf einem Computer, praktischerweise dem Smartphone, hinterlegt ist. Innerhalb dieses geschlossenen Systems führt die kontinuierliche Glucosemessung über den Glucosesensor dazu, dass die Pumpe die dazu passende Menge Insulin in den Körper freisetzt. Ein AID-System ist die modernste Lösung dafür, die Arbeit der Bauchspeicheldrüse bei Typ-1-Diabetikern zu ersetzen. Es existieren verschiedene Algorithmen für dieses System. In Summe beschert das AID-System Typ-1-Diabetikern einen gleichmäßigeren Blutzuckerverlauf und weniger Unterzuckerungen als dies alleine mit einer Insulinpumpe oder über Insulinspritzen möglich ist.
Technik dieser Art bedarf allerdings einer strukturierten, qualitativ hochwertigen und gleichbleibenden Schulung, wie Thurm betonte. Nur dann kann das System zum Vorteil der Typ-1-Diabetiker wirken. Da gibt es zum Beispiel Sophie, ein Mädchen, dessen Typ-1-Diabetes diagnostiziert wurde, als sie acht Jahre alt war. Das aktive und lebenlustige Mädchen tanzte in einer Karnevalsgruppe, doch mit der Diagnose Diabetes wollten weder der Trainer noch die Eltern der anderen Mädchen die Verantwortung für Sophies Stoffwechseleinstellung übernehmen, im Training oder bei Aufführungen. Für das Mädchen das Aus in der Tanzgruppe und ein sehr niederschlagendes Ereignis. Es war ein AID-System, das Sophies Rückkehr zum Tanzen ermöglichte und dass sie nach intensiver Schulung auch ihrer Eltern erhielt. Mithilfe des Systems konnte Sophies Mutter über ihr Smartphone stets die aktuelle Stoffwechseleinstellung der Tochter verfolgen. Auf diese Weise von der Verantwortung befreit, stimmten Trainer und Eltern Sophies Wiederaufnahme in die Tanzgruppe zu.
Thurm wusste allerdings auch von einem Fall, der tödlich endete. Ein Mann, Typ-1-Diabetiker, mitten im Leben, mit kleinen Kindern und anspruchsvollem Job, vernachlässigte seine Stoffwechseleinstellung. Man sah ein AID-System als Lösung, das der Mann erhielt, ohne zuvor darin geschult geworden zu sein. Er selbst widmete sich dem System auch nicht weiter, sondern nutzte es nur. Das wurde ihm zum tödlichen Verhängnis: Von einem spontanen Joggingausflug, zu dem der Typ-1-Diabetiker auch keine Notfallkohlenhydrate zur Behandlung einer Unterzuckerung mitgenommen hatte, kehrte er nicht mehr lebend zurück. »Künstliche Intelligenz in der Diabetestherapie kann Segen sein – oder Fluch«, fasste Thurm zusammen. Was den Unterschied macht? Schulungen mit Fachleuten, die sich auskennen, bestenfalls mit einer Zertifizierung der DDG, die harten Kriterien zur Ausbildung und Qualitätskontrolle folgt.