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Psychosomatische Störungen

Kinder unter Druck

Ein Kind klagt immer wieder über Kopf- oder Bauchschmerzen und auch der dritte Arzt stellt nichts fest? Dann könnte die Psyche dahinterstecken. Somatoforme Störungen sollten ernst genommen und adäquat behandelt werden, um eine Chronifizierung zu verhindern.
Anna Carolin Antropov
18.07.2022  16:00 Uhr

Stress gehört zum Leben dazu und belastende Situationen machen auch vor Kindern nicht halt. Den richtigen Umgang damit sie nur durch das Erleben und Bewältigen. Doch wenn das rechte Maß überschritten ist und schon Kinder unter Dauerstress leiden oder Belastungen sie überfordern, bleibt das nicht ohne Folgen. Das kann sich unterschiedlich äußern: Während sich einige Kinder zurückziehen, antriebslos und passiv wirken, reagieren andere mit Aggression und Nervosität und verhalten sich unbändig oder »aufmüpfig«. Wieder andere werden krank und leiden unter körperlichen Beschwerden, für die keine organische Ursache zu finden ist. Ärzte sprechen von einer somatoformen Störung, also körperlichen Symptomen, die durch seelische Anspannung und Stress ausgelöst werden.

Grundschulkinder klagen dabei am häufigsten über Kopf- oder Bauchschmerzen. Meist sind die Verläufe in diesem Alter nur kurz. Bei älteren Kindern und besonders ab der Pubertät können durchaus vielfältige Symptome auftreten und über Monate bis Jahre bestehen bleiben. Neben sozialem Rückzug ist teilweise kein Schulbesuch mehr möglich und der Alltag ist massiv beeinträchtigt.

Sogar neurologische Bewegungsstörungen wie Lähmung oder teilweiser Verlust der Bewegungsfähigkeit einzelner oder mehrerer Körperglieder sind möglich. Bei diesen sogenannten dissoziativen Bewegungsstörungen, die auch zu den psychosomatischen Störungen zählen, besteht häufig ein enger zeitlicher Zusammenhang zu einem Trauma oder einem unlösbaren Konflikt.

Kommunikation braucht Feingefühl

Hat ein Kind mal Bauchweh vor einer Schulaufgabe, ist das nicht gleich eine behandlungsbedürftige Störung. Bestehen die Beschwerden jedoch über längere Zeit oder kehren immer wieder, sollte man im Beratungsgespräch in der Apotheke aber genauer hinhören. Steckt die Psyche hinter den Symptomen, bessern sie sich beispielsweise oft situations- oder zeitabhängig (in den Schulferien oder am Wochenende). Bei schwelenden Konflikten oder familiären Problemen als Auslöser kann eine Besserung in den Ferien natürlich ausbleiben. Denn Kinder reagieren besonders sensibel auf konflikthafte Familienkonstellationen. Vielleicht weiß man bei Stammkunden von einer belastenden Situation oder ähnlichen Beschwerden im nahen Umkreis der Familie, die dem Auftreten der Symptome des Kindes vorangegangen sind? Oft passt auch die Symptomstärke nicht zu der Art, wie sie geschildert wird, etwa wenn Kinder mit einem Lächeln von stärksten Schmerzen sprechen oder trotzdem ganz normal am Alltag teilnehmen.

In der Kommunikation ist Fingerspitzengefühl gefragt. Dabei sollte man stets im Hinterkopf haben, dass die Betroffenen die Beschwerden tatsächlich erleben und nicht simulieren. Sie denken sich ihre Bauchschmerzen nicht aus, sondern sie sind real. Den Hinweis auf eine psychische oder stressbedingte Ursache empfinden Eltern oder Betroffene schnell als Beleidigung, Bagatellisierung oder gar Vorwurf. Schlimmstenfalls fühlen sie sich nicht ernst genommen und wenden sich ab. Da überrascht es nicht, dass einige Eltern mit ihrem Kind schon einen Ärztemarathon mit häufigem Arztwechsel hinter sich haben, damit endlich etwas gefunden wird.

In Behandlung

Handlungsbedarf besteht immer dann, wenn Alltag und Lebensqualität leiden. Haben Eltern bisher in Eigenregie behandelt, sollten sie unbedingt ihren Kinderarzt ansprechen. Für ihn kann es eine echte Gratwanderung sein, so wenig Diagnostik wie möglich und so viel wie nötig durchführen, um nichts zu übersehen, aber auch kein falsches Krankheitsverständnis zu manifestieren.

Bei starken Beschwerden wird er den Kinder- und Jugendpsychiater hinzuziehen. Eltern dürfen dann nicht erschrecken, denn insbesondere bei Schulabwesenheit ist die rasche Reintegration zurück in den Alltag ein wichtiges Ziel und dafür müssen Hintergründe und Einflussfaktoren genauer beleuchtet werden. Gemeinsam mit der Familie wird der Facharzt die nächsten therapeutischen Schritte erarbeiten. Hier gibt es viele Möglichkeiten: von Psychotherapie über Heilpädagogik, Körper- und Tanztherapie, Kunsttherapie bis hin zu Entspannungsverfahren. In bestimmten Fällen kann dafür ein stationärer Aufenthalt sinnvoll sein und/oder eine medikamentöse Therapie erwogen werden.

Wichtig: Psychosomatische Störungen verwachsen sich nicht einfach. Rund drei von vier Erwachsenen, die an einer chronischen Somatisierungsstörung leiden, waren schon vor dem 20. Lebensjahr betroffen. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen und so früh wie möglich die Weichen für eine Therapie zu stellen.

Doch wie entwickeln sich psychosomatische Störungen? Dafür kommen viele Faktoren zusammen. Einige können nicht beeinflusst werden, wie etwa die Gene, das persönliche Temperament oder unabwendbare frühkindliche Traumen. Auch die Eltern-Kind-Interaktion nimmt Einfluss. Denn Säuglinge und Kinder sind in ihrer Entwicklung darauf angewiesen, dass ihre Bezugsperson feinfühlig Bedürfnisse wahrnimmt und prompt und angemessen darauf reagiert. Gelingt dies den Eltern nicht, weil sie beispielsweise überfordert oder selbst psychisch oder körperlich erkrankt sind, kann sich eine gestörte Körperwahrnehmung entwickeln. Die Entschlüsselung von Körpersignalen ist jedoch – genau wie die Wahrnehmung der eigenen Gefühle – die Basis dafür, sich selbst regulieren zu können. Im Idealfall können Kinder über ihre Ängste und Probleme offen mit den Eltern sprechen, die dann unterstützend und feinfühlig darauf reagieren.

Krankheitsgewinn durch Zuwendung

Werden Erlebnisse und Stress hingegen nur unzureichend verarbeitet, können somatoforme Störungen auftreten. Eine überbesorgte Reaktion der Eltern auf körperliche Symptome, beispielsweise durch häufige Arzttermine und übertriebene Schonung, kann den Verlauf sogar begünstigen. Neurodermitis bietet dafür ein anschauliches Beispiel. Denn diese chronisch-entzündliche Hauterkrankung verläuft in Schüben und dabei spielt neben genetischen Faktoren, etwa trockene Haut und Neigung zu Atopie, auch die Psyche eine große Rolle. Erfahren Kinder bei akuten Schüben durch das ständige Eincremen eine besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung, führt dies gerne zu einem sogenannten »Krankheitsgewinn«. Deshalb fordern Ärzte manchmal dazu auf, ihr Kind gar nicht mehr einzucremen und sogar Kratzen zu ignorieren. Für verzweifelte Eltern kann das ein großes Dilemma sein. Dahinter steckt jedoch die Absicht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und der Krankheit ihren positiven Nutzen zu nehmen, um so den Hautzustand zu verbessern.

Stressfaktoren bei Kindern und Jugendlichen gibt es viele: Sei es Leistungsdruck in der Schule, große Veränderungen und Ängste (Umzug, Scheidung der Eltern) oder Freizeit-, Medienstress oder gar Mobbing. Auch chronische körperliche Erkrankungen stellen eine Belastung dar und können psychosomatische Beschwerden auslösen. Dabei muss sich Stress nicht direkt als Somatisierungsstörung äußern, sondern es gibt viele Stufen zuvor. Ein erneutes Einnässen ist beispielsweise keine ungewöhnliche Reaktion von Kindern auf eine situative Belastung, wie die Geburt eines Geschwisterchens oder ein Kindergarten- oder Schulwechsel. Schuldzuweisungen sind beim Einnässen fehl am Platz. Denn Kinder leiden darunter mindestens genauso wie ihre Eltern.

Grundsätzlich tun Eltern gut daran, den Alltag des Kindes kritisch unter die Lupe zu nehmen und nach möglichen Stressfaktoren zu suchen. Ist der Terminkalender mit Klavierunterricht, Sportverein, Nachhilfe und so weiter nicht vielleicht doch zu vollgestopft? Gibt es genug Pausen und die Chance für Langeweile? Selbst wenn Kinder scheinbar ruhig vor einem Tablet oder TV sitzen, sollte der Konsum besser eingeschränkt werden. Denn am besten entspannen Kinder durch Bewegung und freies Spiel.

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