Kleine Tiere, große Wirkung |
Unverzichtbar: Bienen tragen durch ihre Bestäubung dazu bei, eine vielfältige und gesunde Pflanzenwelt zu erhalten. / Foto: Adobe Stock/ueuaphoto
Es ist alarmierend: Fast die Hälfte aller Bienenarten, die in der Roten Liste bedrohter Tier- und Pflanzenarten bewertet wurden, sind in ihrem Bestand gefährdet oder schon ausgestorben. Das berichtet Dr. Laura Breitkreuz, Referentin für Biodiversität und Entomologie (Insektenkunde) beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), im Gespräch mit PTA-Forum. Auch in der Datenbank des internationalen Biodiversitäts-Netzwerks GBIF (Global Biodiversity Information Facility) werden immer weniger Bienenarten gemeldet. Die weithin bekannte und in Kinderbüchern meist abgebildete Honigbiene sei dabei nur eine von rund 600 Bienenarten, bemerkt die Insektenforscherin. »Und sie ist in ihren verschiedenen Zuchtformen – anders als alle anderen – kein Wild-, sondern ein Nutztier und steht deshalb auch nicht unter besonderem Schutz.«
Honigbienen leben – anders als alle Wildbienen außer den Hummeln – in einem Volk. Das besteht zum Großteil aus Arbeiterinnen, die vor allem Nektar und Pollen sammeln und die Brut pflegen. Die Fortpflanzung übernimmt die Königin, die täglich bis zu 2000 Eier legt. Die männlichen Tiere, die Drohnen, leben nur einige Wochen und dienen ausschließlich dazu, Jungköniginnen zu begatten. Da Honigbienen im Volk leben, werden sie vom Menschen gern zur »Massenbestäubung«, etwa auf Obstplantagen, eingesetzt. Zudem sind sie bei der Nahrungssuche breit aufgestellt: Sie können aus vielen Blüten Nektar schöpfen.
Bei ihren wilden Artgenossinnen sei das anders, erklärt die Biologin Gisela Bertram gegenüber PTA-Forum. Wildbienen seien oft hoch spezialisiert und lebten manchmal in Symbiose mit einer einzigen Pflanzenart. Die Sägehornbiene beispielsweise sammelt ihren Nektar nur am meist an Teichufern blühenden Blutweiderich: »Ohne Sägehornbiene kein Blutweiderich«, so Bertram. Eine ähnliche Verbindung besteht zwischen Gilbweiderich und Schenkelbiene: Deren Hinterbeine sind so beschaffen, dass sie die Pollen, vor allem aber auch das Öl des Gilbweiderichs sammeln kann. »Dazu haben die Schenkelbienen spezielle, fein verzweigte Haare an den Füßen, an denen das Öl wie in einem Schwamm aufsteigen kann.«
Auch gebe es einige Orchideenarten, die auf eine einzige Wildbienenart zur Bestäubung angewiesen sind. Zwar ist als »Back-up«, wenn überhaupt keine Biene vorbeikommt, zum Schluss immer noch eine Selbstbestäubung möglich – »aber das ist biologisch die schlechtere Fortpflanzungsart, denn sie reduziert die genetische Vielfalt und führt zu inzuchtbedingten Problemen«.
Etwa zwei Drittel der Wildbienenarten sind aber bei den Nahrungspflanzen weniger wählerisch und besuchen eine Vielzahl von Wildblüten. Alles in allem ist eine große Zahl von Wildbienen für die pflanzliche Artenvielfalt unentbehrlich. Anders als Honigbienen fliegen Wildbienen auch bei feuchter und kühlerer Witterung – wenn auch nicht allzu weit. Das ist auch ein Unterschied zu den Honigbienen, die über 2 bis 3 Kilometer am Stück zurücklegen können. Viele Wildbienenarten kommen dagegen nur auf wenige Hundert Meter. Was nicht zuletzt bedeutet, dass Blüten als Nahrungsquelle nicht allzu weit von ihren Brutstätten entfernt liegen dürfen. Die allermeisten Wildbienen stechen übrigens nicht. Außer bei Hummeln und wenigen anderen Arten ist ihr Stachel zu klein oder zu weich, um die menschliche Haut zu durchdringen. Außerdem gibt es keinen Bienenstock, der verteidigt werden müsste.
In Europa werden etwa 150 verschiedene Nutzpflanzen und etwa 80 Prozent der Wildpflanzen von Insekten bestäubt. Ohne Bienen wären Nahrungsmittel wesentlich teurer. Einer Simulationsstudie der Universität Hohenheim zufolge beträgt der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsarbeit von Tieren im Mittel in Deutschland 3,8 Milliarden Euro pro Jahr, weltweit eine Billion US-Dollar. Wildbienen haben daran einen beträchtlichen Anteil. Je mehr Wildbienenarten es gibt, desto häufiger werde jede einzelne Blüte besucht, erklärt Biologin Bertram, die auch stellvertretende Vorsitzende des BUND Hamburg ist. »Bis zu einem Drittel der Ernten ist unmittelbar von der Häufigkeit der Wildbienenbesuche an der Blüte abhängig.«
Durch die zunehmend industrialisierte Landwirtschaft mangelt es heute allerdings an Blüten und Nistmöglichkeiten. Große Felder, Monokulturen und Pestizide sind im wahrsten Sinne des Wortes Gift für Bienen – obwohl alle Wildbienenarten in Deutschland nach dem Bundesnaturschutzgesetz besonderen Schutz genießen sollten.