| Verena Schmidt |
| 21.07.2025 08:00 Uhr |
Leidet ein Kind unter starker Verstopfung, wird der Toilettengang zur schmerzhaften Qual. Das Kind zögert den Stuhlgang immer weiter hinaus – und die Verstopfung verstärkt sich immer weiter. / © Getty Images/Catherine Falls Commercial
Wie häufig sollten Kinder Stuhlgang haben? Pauschal ist diese Frage nicht zu beantworten – es ist ziemlich individuell. Werden Säuglinge voll gestillt, gibt es tatsächlich gar keine Norm für die Anzahl der Stuhlentleerungen. Sieben Mal am Tag oder einmal alle sieben Tage – alles ist möglich und im Normbereich. Kinder mit sechs Jahren entleeren ihren Darm im Durchschnitt ein- bis zweimal täglich, wie Erwachsene auch. Das sind wohlgemerkt nur Durchschnittswerte: Manche Kinder gehen mehrmals täglich zur Toilette, andere nur alle drei Tage.
Bei einer Verstopfung kommt es nicht allein auf die Häufigkeit des Stuhlgangs an. Laut dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) liegt eine Obstipation vor, wenn der Stuhlgang hart und trocken ist und nur einmal pro Woche entleert wird. Das Ausscheiden kann äußerst schmerzhaft sein, oft klappt es nur unter großer Anstrengung. In der Folge hat das Kind nicht selten Angst, auf die Toilette zu gehen, und hält den Stuhl noch länger zurück. So entsteht ein Teufelskreis, in dem der natürliche Entleerungsreflex verloren geht; die Verstopfung verstärkt sich immer weiter. Dauert eine Verstopfung länger als zwei Monate, gilt sie als chronisch.
Bei Säuglingen kann die Umstellung von Muttermilch auf Beikost eine Verstopfung hervorrufen. Auch Änderungen des gewohnten Tagesablaufs können den Darm mitunter lähmen; eine Obstipation tritt etwa häufig während oder nach einer langen Reise auf oder in stressigen Situationen. Nicht zuletzt kann auch eine Antibiotikabehandlung Grund für eine Verstopfung sein.
Eine Verstopfung führt bei Kindern oft zu Bauchschmerzen, die teils mit schmerzhaften Blähungen (Meteorismus) einhergehen. Durch den starken Druck und das Pressen entstehen zudem kleine Einrisse am After, die den Stuhlgang noch mehr zu einer schmerzhaften Angelegenheit machen. Und was extrem unangenehm ist: Mit der Zeit kann sich der Darm weiten, das Kind spürt den Stuhldrang dann mitunter nicht mehr. Unbemerkt verliert es dann immer wieder kleine Stuhlmengen in der Unterhose.
Um eine Chronifizierung mit all den unangenehmen Folgen zu vermeiden, sollte der Stuhlgang so schnell wie möglich normalisiert werden. Zunächst sollten Eltern entsprechende Beschwerden vom Kinderarzt abklären lassen. Dieser kann dann eine zugrunde liegende Erkrankung, eine organische Fehlbildung oder zum Beispiel auch eine angeborene Milcheiweißallergie abklären.
Eine erste Maßnahme kann sein, die Ernährung des Kindes anzupassen. Eltern sollten mehr Ballaststoffe anbieten, also auf Vollkornprodukte, Obst und Gemüse setzen. Stopfende Lebensmittel wie Bananen, Weißbrot und Fast Food sollten eher gemieden werden, auch den Verzehr von Süßigkeiten, vor allem Schokolade, gilt es, zumindest etwas einzuschränken. Der BVKJ rät dazu, Kindern nicht zu viel Milch zu trinken zu geben, besser seien Joghurt und Käse und mild gesäuerte Milchprodukte wie Buttermilch, Kefir oder Molke, am besten täglich. Ein weiterer Tipp: mit Olivenöl braten statt mit Butter, Margarine oder Sonnenblumenöl.
Das Kind sollte in jedem Fall viel trinken, am besten Mineralwasser oder ungesüßte Kindertees, keinen Kakao. Manchen Kindern helfen mitunter auch Bauchmassagen oder entspannende Bäder. Als Hausmittel bewährt haben sich auch eingeweichtes Trockenobst, Traubensaft, Leinsamen, Weizenkleie und Sauerkraut. Und natürlich ist auch ausreichend Bewegung wichtig, um die Darmtätigkeit anzuregen.
Bei Säuglingen und Kleinkindern können Birnenmus und Vollkornbrei die Verdauung fördern. Gerade bei ihnen sollten Eltern auch besonders auf die Pflege des Pos und des Afters achten. Ein »Stuhlprotokoll« hilft dabei, einen Überblick über die Häufigkeit zu bekommen und zu prüfen, ob Änderungen in Ernährung und Aktivität Erfolge bringen. Oft ist Geduld gefragt: Liegt bereits eine chronische Verstopfung vor, dauere die Normalisierung des Stuhlgangs manchmal bis zu einem halben Jahr, so der BVKJ.
Kinder, die unter schwerer chronischer Verstopfung leiden, sollten eventuell auch auf Morbus Hirschsprung hin untersucht werden, darauf weist der BVKJ hin. Die erbliche Darmkrankheit wird auch als angeborenes aganglionäres Megakolon bezeichnet. Bei betroffenen Kindern entwickeln sich die Darmnervenzellen in einem Abschnitt des Dickdarms nicht richtig. Die Muskulatur in dem betroffenen Abschnitt zieht sich zusammen, das Darmlumen ist verengt und der Weitertransport des Darminhalts gestört.
In der Regel fällt die Erkrankung kurz nach der Geburt auf, weil das Baby das Mekonium (Kindspech) verspätet oder gar nicht ausscheidet. Zudem haben die betroffenen Kinder einen stark aufgetriebenen Bauch. Der Morbus Hirschsprung kann sich aber auch erst bei der Umstellung auf die Beikost rund um den fünften Lebensmonat zeigen: Wird das Kind voll gestillt, ist der Stuhl weich und kann sich leichter durch die Stenose schieben. Nach der Nahrungsumstellung wird er aufgrund der Ballaststoffe dicker, eine Obstipation wird wahrscheinlicher. In seltenen, milden Fällen kann sich ein Morbus Hirschsprung auch erst im Vorschulalter durch chronische Verstopfung bemerkbar machen.
Oft ist zur Behandlung eine Operation erforderlich. Dabei wird der erkrankte Teil des Darms entfernt und der verbleibende Abschnitt des Enddarms mit dem gesunden Darm verbunden.
Ist eine medikamentöse Therapie indiziert, ist Macrogol laut der S2k-Leitlinie »Funktionelle (nicht organische) Obstipation und Stuhlinkontinenz im Kindes- und Jugendalter« das Mittel der Wahl für Kinder. Sowohl eine akute als auch eine chronische Obstipation lassen sich gut mit dem osmotischen Laxans behandeln. Wie ein Schwamm saugt der Wirkstoff Wasser im Darm auf und transportiert es in den Enddarm. Dort weicht die Flüssigkeit den verhärteten Stuhl auf und vergrößert sein Volumen. So wird die natürliche Eigenbewegung des Darms angeregt. Der aufgeweichte Stuhl kann leichter und schmerzfrei durch den Darm transportiert und ausgeschieden werden.
Macrogol (Polyethylenglycol) zum Einnehmen gibt es mit einem Molekulargewicht von 3350 Dalton (Macrogol 3350) oder 4000 Dalton (Macrogol 4000). Letzteres kann etwas mehr Wasser binden, ansonsten unterscheiden sich die beiden Moleküle kaum. Es gibt beispielsweise Pulver zum Auflösen oder Lösungen (wie Juniorlax®, Kinderlax® elektrolytfrei, Laxbene® junior, Movicol® Junior Schoko). Manche enthalten zusätzlich Elektrolyte und/oder Aroma. Einige der Präparate sind bereits für Säuglinge ab sechs Monaten zugelassen und bis zum Alter von zwölf Jahren geeignet. Prinzipiell kann Macrogol auch langfristig angewendet werden, hierbei sollten mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln beachtet werden.
Macrogol-Miniklistiere (wie Microlax®) sind bereits ab Geburt verwendbar. Speziell für Säuglinge und Kinder bis sechs Jahre gibt es neu auf dem Markt eine Microlax-Version mit verkürztem Tubenhals (2,7 cm). Wichtig: Beim herkömmlichen Microlax-Produkt darf der Tubenhals bei Kindern bis drei Jahre nur bis zur Hälfte in den Darmausgang eingeführt werden.
Daneben gibt es auch Klistiere (Babylax®; für Säuglinge ab 29 Tagen) und Zäpfchen (wie Glycilax® für Kinder, Nene-Lax®) mit dem Wirkstoff Glycerol, der ebenfalls Wasser anzieht und den Stuhl weicher macht. Zäpfchen mit Hydrogencarbonat und Hydrogenphosphat (Lecicarbon® CO2-Laxans) setzen im Darm Kohlendioxid frei und aktivieren so die Darmbewegung.
Die rektalen Mittel eignen sich besonders bei akuter Verstopfung. Auch die Gabe stimulierender Laxanzien wie Bisacodyl (wie Dulcolax® Dragées) oder Natriumpicosulfat (wie Laxoberal®, Dulcolax® NP Tropfen) ist möglich. Bisacodyl ist ab zwei Jahren zugelassen, Natriumpicosulfat ab vier Jahren.