Können Probiotika bei Depressionen helfen? |
Bei Depressionen könnte eine Supplementation mit Milchsäurebakterien helfen, zeigt eine aktuelle Studie aus Großbritannien. / Foto: Adobe Stock/SizeSquare's
Schon seit Längerem ist bekannt, dass die Darmmikrobiota auch die Psyche über eine Art Darm-Hirn-Achse beeinflusst. Daher wird an Probiotika geforscht, die positive Effekte auf psychische Erkrankungen haben könnten. Dass dies funktionieren kann, legt eine Pilotstudie von Forschenden des Instituts für Psychiatrie, Psychologie und Neurowissenschaft des King’s College London nahe, die nun im Fachjournal »JAMA Psychiatry« veröffentlicht wurde.
Das Team um Viktoriya L. Nikolova hatte für ihre doppelblinde, randomisierte Studie 49 Erwachsene zwischen 18 und 55 Jahren rekrutiert, die an schwerer Depression erkrankt waren und auf ihre antidepressive Therapie ungenügend ansprachen. Von diesen erhielten 24 Probanden zusätzlich zu ihrer bisherigen Therapie täglich ein Probiotikum für acht Wochen, die restlichen 25 Probanden ein Placebo.
Eingesetzt wurde das als Nahrungsergänzung verfügbare Probiotikum Bio-Kult Advanced der Herstellers ADM Protexin, das 14 verschiedene Bakterienspezies enthält, vor allem Lactobazillen, Bifidobakterien und Streptococcus thermophilus. Die Dosierung lag bei 8 Millionen koloniebildenden Einheiten pro Tag. Die Probanden wurden mit verschiedenen Skalen für depressive Symptomatik und Ängstlichkeit zu drei Zeitpunkten (Beginn der Studie, nach vier und nach acht Wochen) bewertet.
Es zeigte sich bei allen Probanden eine Verbesserung der Symptomatik, die aber bei den mit Probiotika behandelten Probanden stärker ausfiel als bei den Patienten der Kontrollgruppe. Statistisch signifikant waren die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bei den depressiven Symptomen nach der Hamilton Depression Rating Scale (HDRS) nach vier Wochen und dem Inventory of Depressive Symptomatology (IDS) nach acht Wochen.
Auch die Angstsymptome ließen bei den mit Probiotikum behandelten Probanden stärker nach als in der Kontrollgruppe. Signifikant war allerdings nur der Unterschied nach acht Wochen nach der Hamilton Anxiety Rating Scale. Die Effektstärken der Intervention lagen bei 0,64 bis 0,79 und damit in einem mittleren Bereich. Schwere unerwünschte Ereignisse wurden nicht beobachtet und die Adhärenz lag bei 97,2 Prozent. Drei Teilnehmer stiegen aus der laufenden Studie aus: einer in der Probiotika- und zwei in der Placebogruppe.
Dem Team um Nikolova zufolge sei die Darm-Hirn-Achse ein lohnendes therapeutisches Ziel, für neue Optionen zur Behandlung affektiver Störungen. Bislang lägen nur wenige klinische Daten für Probiotika vor, hier seien mehr klinische Studien nötig, um die Sicherheit und die Wirksamkeit dieses Ansatzes genauer zu untersuchen. Die Forschenden sehen aber ihre Ergebnisse zur Akzeptanz, Verträglichkeit und den geschätzten Effektstärken der probiotischen Therapie als viel versprechend an und als Ermutigung, diesen Ansatz weiter zu erforschen.
Bereits vor einem Jahr hatte ein kanadische Arbeitsgruppe ähnliche Ergebnisse einer Pilotstudie veröffentlicht. In dieser erhielten Patienten mit einer mittelschweren Depression eine Mischung aus Lactobacillus helveticus und Bifidobacterium longum ebenfalls für acht Wochen. Auch bei ihnen trat eine stärkere Verbesserung der affektiven Symptomatik im Vergleich zur Kontrollgruppe auf.
Eine Metaanalyse zu 34 kontrollierten klinischen Studie aus dem Jahr 2019 kam ebenfalls zu dem Schluss, dass Probiotika angstlösende und stimmungsaufhellende Wirkung haben können. Sie sieht aber auch den Bedarf für weitere klinische Studien.