Kompetenzen nutzen |
Isabel Weinert |
16.09.2022 18:46 Uhr |
Die Experten des Gesprächs über die »PTA der Zukunft«, von links nach rechts: Sandra Barisch, Eva Bahn, Kerstin Wahlbuhl, Hannes Müller und Kathrin Peters. / Foto: expopharm/Avoxa
Über die Ist-Situation des PTA-Berufs aus ihrer Sicht berichteten die PTA des Jahres 2021, Eva Bahn, und die Bundesvorsitzende des BVpta, Carmen Steves. Bahn: »Viele PTA starten mit großer Freude in den Beruf und loben auch die Vielseitigkeit. Je länger sie aber in der Apotheke arbeiten, umso mehr fühlen sich einige in einer beruflichen Sackgasse.« Ziel müsse es sein, dass PTA mehr Verantwortung übernehmen könnten. Steves ergänzte: »Dem PTA-Beruf an sich geht es sehr gut. Wenn PTA die Apotheke verlassen, haben sie auch vielfältige Perspektiven. Für die Vor-Ort-Apotheke müssen wir aber den Nachwuchs sichern, denn die Schülerzahlen bundesweit gehen zurück. Es gilt, qualifizierte PTA auch in den Apotheken zu halten. Und das geht nur, wenn PTA sich in der Apotheke weiterentwickeln können.«
Kommt das in der PTA-Schule erworbene Wissen in der Apotheke auch gut zum Einsatz? Bahn dazu: »Grundsätzlich ist das Wissen aus der Schule sehr umfangreich. Es wäre jedoch besser gewesen, die Ausbildung auf drei Jahre zu verlängern. Denn daran hätten PTA problemlos einen Studiengang anschließen können. Nach einer Ausbildung von zweieinhalb Jahren ist das nicht direkt möglich«.
Auf Grundlage des PTA-Reformgesetzes wird sich der Lehrplan für PTA ab dem 1. Januar 2023 ändern. Ein Startschuss mit einem langen und arbeitsintensiven Vorlauf, an dem Kerstin Wahlbuhl, Vorsitzende der AG TuPA der DPhG federführend beteiligt war. Wie sah diese Arbeit konkret aus? Wahlbuhl: »Wir hatten unter Kollegen und unter den Lehrkräften das Dilemma gesehen, dass die Ausbildung sehr unterschiedlich ist und wollten das vereinheitlichen. Wir sahen auch die Gefahr, dass am Ende jede Schule ihren eigenen Lehrplan auf Grundlage des PTA-Reformgesetzes macht«. Unter Einbeziehung vieler weiterer Akteure und mit hohem Arbeitseinsatz entstanden PTA-Lehrpläne auf Grundlage des neuen Gesetzes. »Wir haben versucht, in unserem Werk alle Aspekte unterzubringen. Diese Empfehlungen dienen vielen Schulen jetzt als Vorlage«, so Wahlbuhl.
Trotz positiver Neuerungen in der theoretischen PTA-Ausbildung ist nicht alles perfekt. Steves sieht, stellvertretend für den BVpta, durchaus auch kritische Punkte: »Wir haben keine geregelte Weiterentwicklung in dem Gesetz, aber zu viel Kritik wäre fehl am Platze.« Klar sei jedoch, dass das Gesetz die Probleme nicht löse. »Denn wir brauchen ein hohes Maß an Attraktivität dieses Berufs, um ihn zukunftsfähig zu machen“« Wichtig für Steves ist der Anschluss an eine Weiterqualifizierung, denn junge Menschen möchten sich entwickeln. Steves Vorstellung: »Es könnte eine Weiterqualifizierung für berufstätige reifere PTA geschaffen werden, mit einem Standard, der bundesweit gültig ist. Und ein weiterer Weg für junge Menschen wäre die Möglichkeit eines FH-Studiums im Anschluss an die PTA-Ausbildung«. Das würde einen sehr attraktiven Weg bieten, ist sich Steves sicher. »Wir würden dadurch PTA gewinnen und Fachhochschüler, die dann in die Apotheken zurückkehren könnten«. Eine Perspektive könnte auch eine dreijährige Ausbildung darstellen: »Es gibt jetzt schon Schulen, die Anträge stellen, um ihre Schüler die Ausbildung in drei Jahren absolvieren zu lassen«. Das sei auch sinnvoll, um schwächeren Schülern den vielfältigen Lernstoff auch der neuen Lehrpläne wirklich eingehend vermitteln zu können.
Neben den Änderungen der theoretischen Ausbildung wurden auch die Inhalte der sechsmonatigen praktischen Ausbildung überarbeitet. Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände entwickelte das neue und bundesweit geltende Curriculum. Wer daran mitgearbeitet hat und ob es verbindlich für alle Apotheken gilt, das erklärte Dr. Hannes Müller, Apotheker in Haltern und Leiter der Arbeitsgruppe der Bundesapothekerkammer zur praktischen Ausbildung von PTA: »Der Gesetzgeber hat anders als bei den Schulen erkannt, dass die Ausbildung hier bundesweit einheitlich ist. Deshalb haben wir den Auftrag vom Gesetzgeber bekommen und einen Musterausbildungsplan mit vielen praktischen Hilfestellungen als sehr umfangreiche Richtlinie erarbeitet«. Diese Richtlinien seien schon »sehr verbindlich, aber nicht letztendlich verbindlich«. Apotheker könnten zwar etwas davon abweichen, das sei jedoch nicht zu empfehlen, und die enge Zusammenarbeit mit der Schule müsse weiterhin stattfinden. Müller rät Apothekenleitenden, das »atmende Papier« schon jetzt für das praktische Halbjahr der PTA zu verwenden, obgleich es noch nicht verpflichtend ist. Auf diese Weise könne der Inhalt entsprechend der Erfahrung der Apothekerinnen und Apotheker auch noch angepasst werden.
Das PTA-Reformgesetz erweitert auch die Kompetenzen von PTA. Dazu sagte Steves: »Wenn PTA nach dem neuen Reformgesetz die Prüfungen mit der Note Zwei abschließen, können sie nach dreijähriger Berufserfahrung mit Fortbildungszertifikat der Kammer und mit Beobachtung der PTA durch Chef oder Chefin hinsichtlich der Eignung über ein Jahr schließlich eigenverantwortlich arbeiten. Es wurde verbrieft, was ohnehin gängige Praxis ist«. Wessen Abschlussnote schlechter ist als eine Zwei, der muss fünf Jahre Berufserfahrung haben.
PTA dürfen laut PTA-Reformgesetz mit einer berufspädagogischen Zusatzqualifikation PTA-Praktikanten ausbilden. Die Länder seien hier gefragt, zu sagen, welchen Umfang diese Qualifikation haben müsse, um anerkannt zu werden, so Steves. »Bei MTA und Pflegeberufen gibt es diese Zusatzqualifikation schon. Wir sollten das unbedingt haben, weil sich die Kompetenz deutlich erhöht.« Laut Steves würde sich das auch ausgesprochen positiv auf die Kommunikation und die Teamfähigkeit innerhalb von Apotheken auswirken.
Die höhere Kompetenz, die PTA künftig werden erwerben können, sollte belohnt werden. Finanziell ist das jedoch nicht für alle Apothekenleitenden leistbar. Müller sieht auch eine andere Form der Belohnung im Vordergrund: »Für mich ist entscheidend, dass man PTA mit Wertschätzung und auf Augenhöhe begegnet und sie die ihnen übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich lösen lässt«. Die Apotheke als ein »great place to work« sei das Wichtigste.
Profitieren nur die nach dem PTA-Reformgesetz ausgebildeten PTA von der Kompetenzerweiterung oder haben alle PTA diese Chance? Darauf wusste Steves: »Es profitieren alle PTA, denn die Kompetenzerweiterung wird ja in der Apothekenbetriebsordnung verankert sein und gilt für alle«.
Um dem Fortschritt für PTA Leben einzuhauchen, braucht es vor allem genug Menschen, die die PTA-Ausbildung absolvieren und im Anschluss in diesem Beruf arbeiten wollen. Mit Nachwuchs und dessen Zukunft kennt sich Generationenforscherin Kathrin Peters besonders gut aus. Bei der sogenannten Generation Z, den zwischen 1995 und 2010 geborenen Menschen, macht sie einige Besonderheiten aus. Peters: »Die Generation Z macht drei Dinge aus, sie ist die wohlhabendste Generation im Durchschnitt seit dem zweiten Weltkrieg. Die jungen Menschen können oft auf Geld der Eltern zurückgreifen. Es ist zudem die kleinste Generation seit dem zweiten Weltkrieg, und diese Generation brauchte nie Ellenbogen im Job, beziehungsweise, um überhaupt eine Arbeitsstelle zubekommen«. Ganz wichtig sei auch, dass es sich um die erste Generation handele, die digital aufgewachsen ist«. Ihre Mitglieder ließen nicht mehr alles mit sich machen und trauten sich selbst beruflich viel zu: 75 Prozent meinen, sie seien für eine Führungsposition geeignet, so das Ergebnis einer von Peters genannten Studie aus dem Jahr 2018. Die Kehrseite der Medaille sei eine sehr geringe Frustrationstoleranz, denn viele dieser jungen Menschen hätten nie gelernt, Unangenehmes lange aushalten zu müssen. Vielmehr habe es immer Alternativen oder Hilfe aus der Situation gegeben. Weiter negativ: Die Allgemeinbildung fällt in dieser Generation geringfügig schlechter aus. Das liege am Googlen, so Peters. Wissen müsse nicht mehr in dem Maße abgespeichert werden wie früher.
Die Generation Z hat also eine geringere Resilienz, weniger Allgemeinbildung, aber mehr Digitalkompetenz als die Generationen vor ihr. Passt das zusammen mit der nun bald kommenden Kompetenzerweiterung? BVpta-Vorsitzende Steves bejahte: »Das passt gut zusammen, denn wir haben keine andere Wahl, die Generation Z ist die Zukunft. Für uns ist die Herausforderung, diese Generation so einzubinden mit all ihren Eigenschaften, dass wir uns das zunutze machen und auch unsere eigenen Vorgehensweisen kritisch hinterfragen«.
Die Generation Z traue sich zwar einerseits theoretisch viel zu, sei aber andererseits praktisch unselbstständiger und unsicherer, so Peters: »Bei manch Alltäglichem fehlt hier die Übung. Das sind ganz banale Dinge wie im beruflichen Kontext Telefonate führen und Mails schreiben. Wenn die jungen Menschen in die Arbeitswelt kommen, wünschen sie sich Mentoren, die sie anleiten. Die geringere Selbstständigkeit könne man so einfach auffangen. Einige Unternehmen sammeln damit bereits Erfahrungen. Als Mentoren kommen mütterliche und väterliche Typen besonders gut bei den jungen Menschen an.
Eine wesentliche Aufgabe jetzt und für die Zukunft ist, junge Menschen für den Beruf zu begeistern. Peters hat hierzu für die Nachwuchsgewinnung einen Tipp: »Man versucht am besten nicht, den Nachwuchs über Social Media anzuwerben, denn 73 Prozent der jungen Menschen wollen eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Privatleben in den sozialen Medien. Gut funktionieren die klassischen Stellenportale, weil da oft auch die Eltern mitschauen«.
Müller ergänzte den Arbeitsstand bei einer eigens ins Leben gerufenen ABDA-AG, die sich mit der Attraktivitätssteigerung des PTA-Berufes befassen wird. »Leider läuft in der AG noch nicht sehr viel. Am 1. Oktober dieses Jahres findet die erste Sitzung statt. Auch das ist ein vielschichtiges Thema. Da gibt es nicht die eine Patentlösung«.
Der Einstieg in das analoge Berufsleben fällt jungen Menschen mitunter schwer. Da heißt es etwa, Kundengespräche üben. Einige Unternehmen bieten dazu gar Formulierungshilfen an, eine Art Standardsätze, um die ersten Gesprächshürden im Kontakt mit Kunden zu überwinden, wusste Peters.
Müller ist sich sicher, dass sich die Kompetenzen der Generation Z auf digitalem Gebiet und diejenigen älterer Generationen auf analogem sehr gut ergänzen. Und Bahn resümierte: »PTA sollten die Stimme, die sie haben, auch wirklich erheben, sie sollten sich fortbilden und in Verbände eintreten wie den BVpta und Adexa«.