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Multidisziplinäre Analyse

Kontakt mit Bakterien erst bei der Geburt

Seit einigen Jahren streiten Forscher darüber, wann unser Körper von Viren, Bakterien und anderen Mikroorganismen besiedelt wird. Ein internationales Team gibt nun eine klare Antwort.
dpa
01.02.2023  09:30 Uhr

Während lange Zeit galt, dass dies erst im Verlauf der Geburt erfolgt, berichteten jüngere Studien, dass schon Fruchtwasser- und Plazentaproben solche Mikroorganismen enthielten. Das würde nahelegen, dass bereits Föten ein sogenanntes Mikrobiom haben. Ein internationales Team widerspricht dem nun deutlich: Aufgrund einer multidisziplinären Analyse, die im Fachblatt »Nature« veröffentlicht wurde, stellte es fest, dass der Mutterleib gewöhnlich doch steril ist.

Unser Mikrobiom, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die sich in und auf der Haut, den Schleimhäuten und den Organen befindet, spielt eine zentrale Rolle für unsere Gesundheit und unser Immunsystem. Über jenes Immunsystem verfügen bereits Neugeborene – seine Entstehung stellt die Wissenschaft allerdings noch vor Fragen und dabei insbesondere vor die, wann ein Fötus zum ersten Mal mit Bakterien, Viren und anderen Mikroben in Kontakt kommt.

Lange Zeit galt, dass das ungeborene Kind, sowie die Gebärmutter, in der es heranwächst, einschließlich der Plazenta (Mutterkuchen) und des Fruchtwassers bei einer gesunden Schwangerschaft steril sind. Seit 2010 berichteten jedoch mehrere Forschungsteams, Bakterien in Proben der Plazenta und des Fruchtwassers gefunden zu haben, und schlossen daraus auf das Vorhandensein eines fötalen Mikrobioms, was bedeuten würde, dass die gängige Vorstellung über die Entwicklung des Immunsystems beim Ungeborenen völlig neu bewertet werden müsste.

Verunreinigte Proben

Der These vom fötalen Mikrobiom widerspricht ein Konsortium von 46 Experten aus Reproduktionsbiologie, Mikrobiom-Wissenschaft und Immunologie nun vehement. Die Forscher unter Leitung von Jens Walter vom University College Cork überprüften die Analysen der diskutierten Studien aus ihren jeweiligen Fachperspektiven und kamen einstimmig zu dem Schluss, dass der Nachweis von Mikrobiomen bei Ungeborenen auf Verunreinigungen von Proben zurückzuführen ist.

So unterschieden sich etwa Fruchtwasserproben bei Kaiserschnitt- und natürlichen Geburten signifikant, was bei einem allgemeinen fötalen Mikrobiom nicht der Fall sein dürfte. »Wir sind uns bewusst, dass unsere Position im Widerspruch zu Dutzenden von Veröffentlichungen steht, die Hinweise auf mikrobielle Populationen im Mutterleib geben, aber wir sind von der Gültigkeit unseres mehrschichtigen Ansatzes überzeugt«, schließt das Autorenteam.

Wie Studienleiter Walter in einem Namensbeitrag ergänzt, würde ein fötales Mikrobiom den Kenntnissen der menschlichen Biologie widersprechen: »Wir wissen zum Beispiel, dass die Plazenta voller anatomischer und immunologischer Barrieren ist, die verhindern, dass Mikroben in sie eindringen und sie besiedeln.« Tatsächlich können nur sehr wenige Mikroorganismen die Plazenta durchdringen und dann zu einer Infektion des Fötus führen, darunter das Herpesvirus, das die Zytomegalie-Infektion auslöst, Röteln- und Windpockenviren sowie Listerien.

Weitere Forschung notwendig

Die Autoren hoffen nun, dass ihr Konsens eine Orientierungshilfe für die künftige Forschung darstellt. »Er schafft eine solide wissenschaftliche Grundlage, um die Forschungsanstrengungen dort zu konzentrieren, wo sie am effektivsten sind«, so Walter. Das Wissen, dass sich der Fötus in einer sterilen Umgebung befinde, bestätige, dass die Besiedlung mit Bakterien während der Geburt und in der frühen postnatalen Phase stattfinde – dies wurde auch von jüngsten Studien noch einmal belegt, denen zufolge Babys die ersten Mikroben während des Geburtsvorgangs und weitere durch die Muttermilch erhalten.

Nach wie vor sei wichtig, herauszufinden, wie sich das Immunsystem des Fötus entwickelt. Mit dem publizierten Konsens sollte sich der Forschungsschwerpunkt indes weg von lebenden Mikroben hin zu den Zellbestandteilen von Mikroben und den von ihnen produzierten Chemikalien, so genannten Metaboliten verlagern, sagt Walter: »Es hat sich gezeigt, dass solche Verbindungen die Plazenta durchdringen und das Immunsystem des Fötus auf das Leben in einer keimbelasteten Welt vorbereiten.«

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