Kopfschmerzen bei Kindern |
Leider werden schon die Kleinsten mit Smartphone und Tablet konfrontiert. Weitet sich die Mediennutzung mit dem Älterwerden zunehmend aus, kann das Kopfschmerzen begünstigen. / Foto: Shutterstock/Katsiaryna Pakhomava
Die auf dem Deutschen Schmerzkongress vorgestellte Studie der TU Dresden, für die mehr als 2700 Schüler befragt wurden, zeigt auch, dass mehr als zwei Drittel der Heranwachsenden regelmäßig unter Kopfschmerzen leiden. Migräne und Spannungskopfschmerz sind damit die häufigsten eigenständigen Schmerzdiagnosen bei Kindern und Jugendlichen. »Allgemein beobachten wir, dass Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen in den letzten 30 Jahren zugenommen haben«, sagt Dr. med. Gudrun Goßrau, Fachärztin für Neurologie – Spezielle Schmerztherapie und Leiterin der Kopfschmerzambulanz im Interdisziplinären Universitätsschmerzzentrum des Universitätsklinikums Dresden, im Gespräch mit PTA-Forum. Als Ursache sieht sie den veränderten Lebensstil. »Es gibt mehr Leistungsdruck in der Schule, gleichzeitig bewegen sich Kinder weniger und verbringen viel mehr Zeit vor Bildschirmen beziehungsweise am Handy.« Bei betroffenen Schülern könne das bis zu einem Teufelskreis aus Leistungsabfall, zunehmender Schulangst und sozialem Rückzug führen. Junge Menschen, die in der vulnerablen Übergangsphase zwischen Jugend- und Erwachsenenalter unter Migräne leiden, haben zudem ein erhöhtes Risiko dafür, psychische Erkrankungen wie Depressionen zu entwickeln und können auch im Erwachsenenalter häufiger unter Schmerzen leiden. Ein frühzeitiges Eingreifen ist wichtig. »Einige Eltern bagatellisieren jedoch die Kopfschmerzen ihre Kinder und nehmen sie nicht ausreichend ernst. Eine adäquate Behandlung findet dann nicht statt«, beklagt die Leiterin der Kopfschmerzambulanz.
Wenn Eltern die Apotheke aufsuchen, um Hilfe für ihre kopfwehgeplagten Kinder zu finden, sind zunächst einige Fragen zu klären. Wann treten die Attacken auf, wie lange halten sie an und wie häufig sind sie? Gibt es Begleitsymptome? Wichtig ist auch herauszufinden, ob es sich um Migräne oder Spannungskopfschmerzen handelt. Migräne bei jüngeren Kindern kann sich atypisch äußern, so sind die Attacken oft kürzer und können sich auch ohne Kopfschmerzen nur in starker Übelkeit, Erbrechen und Schwindel äußern.
Bei gelegentlichen akuten Kopfschmerzen können Analgetika helfen. Wichtig ist die richtige Dosierung. »Wenn Schmerzmittel gegeben werden, sollte nicht zu niedrig dosiert werden, damit die Kinder rasch von ihren Schmerzen befreit werden und nicht unnötig lange leiden müssen«, sagt Goßrau, die auch Präsidiumsmitglied der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) ist. Laut der bis Dezember 2022 gültigen S1-Leitlinie »Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne« gilt, dass Kinder Ibuprofen nach Körpergewicht dosiert (10 mg/kg KG) oder als Mittel zweiter Wahl Paracetamol (15 mg/kg KG) bekommen können. Bei Paracetamol sind kritische kumulative Dosierungen zu vermeiden, zudem hat es sich in Studien als etwas weniger wirksam als Ibuprofen erwiesen. Jugendliche ab zwölf Jahren können auch Acetylsalicylsäure (500 mg als Einzeldosis, bis zu 3000 mg täglich) einnehmen. Bei Migräne sind oft zusätzlich Antiemetika erforderlich.
Frei verkäuflich steht Dimenhydrinat zur Verfügung, das bei Kindern ebenfalls nach Gewicht dosiert wird. Ab zwölf Jahren können bis zu sechsmal täglich 50 mg als Einzeldosis gegeben werden. Von den verschreibungspflichtigen Antiemetika ist Domperidon gegenüber Metoclopramid der Vorzug zu geben, da letzteres ein erhöhtes Risiko für akute extrapyramidale Bewegungsstörungen mit sich bringt. Domperidon ist ab dem zwölften Lebensjahr zugelassen. Ab diesem Alter kann der Arzt auch Sumatriptan (wie in Imigran® Nasal) oder Zolmitriptan (wie in Zomig® Nasal oder AscoTop® nasal) als Nasenspray verschreiben. Orale Triptane haben für Kinder und Jugendliche indes keine Zulassung, Wirksamkeit und Sicherheit sind in dieser Altersgruppe nicht belegt.
Im akuten Fall können auch nicht medikamentöse Maßnahmen Linderung verschaffen. Eltern bieten dann ein Glas Wasser zum Trinken an, bei Spannungskopfschmerzen können frische Luft und Bewegung helfen. Bei Migräne hingegen wirken Reizabschirmung und Ruhe in einem abgedunkelten Raum erlösend. Bei Kopfschmerzen kann auch ein kalter Lappen auf der Stirn gut tun und wenn das Kind mag, können Eltern etwas Pfefferminzöl an Schläfe und Nacken einmassieren. Bestenfalls schläft der Nachwuchs ein und erwacht schmerzfrei.
Arzneimittel | Altersgruppe | Dosierung |
---|---|---|
Akutmedikation | ||
Ibuprofen | Zugelassen bereits für Säuglinge ab 3 Monate und 6 kg Körpergewicht | Dosierung abhängig von Körpergewicht und Alter |
Paracetamol | Zugelassen bereits ab der Geburt beziehungsweise ab 3 kg Körpergewicht | Dosierung abhängig von Körpergewicht und Alter |
Acetylsalicylsäure | ab zwölf Jahren | Einzeldosis 500 bis 1000 mg, maximale Tagesgesamtdosis 3000 mg |
Bei ungenügender Wirksamkeit und nur bei Migräne | ||
Sumatriptan nasal | für Jugendliche ab zwölf Jahren zur Akutbehandlung von Migränekopfschmerzen | Einzeldosis intranasal 10 mg max. Tagesgesamtdosis: 20 mg |
Zolmitriptan nasal | Einzeldosis intranasal 5 mg max. Tagesgesamtdosis 10 mg |
Treten Kopfschmerzen häufig auf, und das sei laut der Expertin der Fall, wenn Schüler an mindestens fünf Tagen pro Monat durch die Beschwerden beeinträchtigt sind, sollte eine Akuttherapie mit Schmerzmitteln nicht die einzige Lösung sein. »Auch bei Kindern und Jugendlichen gilt, dass bei häufiger Einnahme Analgetika die Kopfschmerzen auch verstärken können«, warnt Goßrau. Außerdem sei es den Kindern ein schlechtes Vorbild, wenn Schmerzen als Symptom möglicher grundlegender Probleme allein oberflächlich mit Medikamenten bekämpft würden. Kinder mit ständigen Kopfschmerzen brauchen eine ärztliche Untersuchung und Diagnose. In seltenen Fällen sind die Kopfschmerzen symptomatisch und gehen auf eine Grunderkrankung wie eine Infektion zurück, die eine entsprechende Therapie benötigt.
Bei wiederkehrenden Kopfschmerzen ist Prävention wichtig. Hier setzen Eltern am besten auf nicht medikamentöse Maßnahmen und knüpfen an den Auslösern an. Um Triggerfaktoren festzustellen, kann ein Kopfschmerzkalender helfen. Mit der Dokumentation übertreiben sollten Eltern es aber auch nicht, da die Fixierung auf die Schmerzen selbst zum Stressfaktor werden kann. Empfehlenswert ist es, das Kopfschmerztagebuch für eine begrenzte Zeit von etwa drei Monaten zu führen. Das reicht meist aus, um wiederkehrende Auslöser zu identifizieren. Eine Vorlage für einen Kopfschmerzkalender bietet die DMKG zum Herunterladen an.
»In den meisten Fällen beugen ein ausgewogener Tagesrhythmus mit festen Entspannungszeiten und klaren Medienregeln, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und genug Schlaf Kopfschmerzen vor«, erklärt die Neurologin aus Dresden. Auch Bewegung hilft, da sportliche Aktivität dazu beiträgt, Anspannungen abzubauen. Ein zu voller Terminkalender tut Heranwachsenden hingegen genauso wenig gut wie Erwachsenen. Eltern planen am besten nicht nur Termine, sondern auch freie Zeit zum Entspannen ein.
Wenn das Leben der Kinder und Jugendlichen durch die Kopfschmerzen stark eingeschränkt ist, kann eine multimodale Therapie erforderlich sein, die physiotherapeutische Aktivierung, Entspannungstechniken sowie psychoedukative und verhaltenstherapeutische Methoden einbezieht. Bei Kindern und Jugendlichen, die unter chronischer Migräne leiden, kann auch für eine begrenzte, überwachte Zeit eine medikamentöse Präventionstherapie etwa mit Betablockern wie Propranolol angezeigt sein. Werden Kopfschmerzepisoden erfolgreich verringert, ermöglicht das Kindern und Jugendlichen mehr Lebensqualität und lässt sie mit besseren Voraussetzungen in die Zukunft starten. Hier rentiert es sich, nicht immer gleich zur vermeintlich schnellen Lösung, nämlich der Kopfschmerztablette, zu greifen.