Kuhmilch ohne Nebenwirkungen |
Dr. Helena Kieserling und Daniel Güterbock forschen daran, die allergische Reaktion auf Milcheiweiß zu reduzieren. Das rosa Pulver ist gemahlener Apfeltrester. Daraus werden die phenolischen Verbindungen extrahiert. Diese sollen dann die Protein-Epitope der Kuhmilch »maskieren«. / © Christian Kielmann
Verantwortlich für die allergische Reaktion auf Kuhmilch sind die so genannten Milchprotein-Epitope. Fälschlicherweise bildet das Immunsystem mancher Menschen gegen diese Oberflächenbereiche Antikörper. Um das zu verhindern, »maskieren« die Wissenschaftler das Milchprotein-Epitop. »Die »Maske«, die wir dem Milchprotein-Epitop aufsetzen, besteht aus phenolischen Verbindungen und die bewirken, dass sich das Immunsystem zu keiner oder zumindest nur einer abgeschwächten Abwehrreaktion veranlasst sieht«, erklären die Lebensmittelchemiker Dr. Helena Kieserling und Daniel Güterbock in einer Pressemitteilung der Universität.
Pflanzen produzieren phenolische Verbindungen als sekundäre Stoffwechselprodukte, die unter anderem als Schutz gegen Fraßfeinde dienen, antioxidativ wirken oder die Farbe bestimmen. Die phenolischen Verbindungen, die hier zum Einsatz kommen, werden aus Apfeltrester gewonnen, einem Nebenprodukt bei der Herstellung von Apfelsaft.
Wie funktioniert die Maskierung? Milch wird mit den phenolischen Verbindungen aus dem Apfeltrester unter spezifischen Reaktionsbedingungen gemischt, wobei die Phenolgruppen der Verbindungen mit dem Milchprotein-Epitop wechselwirken. Durch diese chemische Reaktion wird das Immunsystem quasi ausgetrickst, weil es das eigentliche Epitop nicht mehr als solches erkennt.
Dieser Ansatz bietet neben dem gesundheitlichen Aspekt noch einen ökologischen und ökonomischen Nutzen, erklärt Kieserling. In Deutschland fallen jährlich mehrere Tonnen Apfeltrester an, den Hersteller bislang fast ausschließlich als Tierfutter verwenden. »Jetzt findet der Apfeltrester eine zweite Anwendung und bleibt somit im Rohstoffkreislauf. Und der ökonomische Vorteil besteht darin, dass die Produktion unserer Milchmischgetränke in die bestehenden Produktionsprozesse eines Herstellers von Milchprodukten ohne technischen Mehraufwand und hohe Kosten integriert werden kann.« Die Forschenden sehen den Apfeltrester daher nicht als Abfallprodukt der Lebensmittelindustrie an, sondern als Nebenprodukt mit dem Potenzial für eine neue Verwendung.
Aktuell gibt es zwar bereits zahlreiche allergenreduzierte Milchprodukte im Handel. Doch Hersteller produzieren diese unter hohem technologischem und finanziellem Aufwand. Grund: Bei diesen Verfahren zerlegen sie das Protein-Epitop in der Regel komplett in seine Bestandteile, sodass das Immunsystem es nicht mehr erkennen kann. Das Aufspalten des Protein-Epitops – auch Hydrolyse genannt – braucht viel Energie und ist nur sehr aufwendig umzusetzen.
Ihr bitterer Beigeschmack macht sie zudem auch nicht sonderlich beliebt bei den Allergikern. Die Berliner Forschenden hoffen nun, mit ihren weitestgehend geschmackneutralen phenolreichen Rohstoffen aus Apfeltrester eine beliebtere Alternative für Allergiker entwickeln zu können.