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Häufigste Fehlsichtigkeit 

Kurzsichtigkeit bei Kindern gezielt behandeln und vorbeugen

Kurzsichtigkeit betrifft immer mehr Kinder und Jugendliche. Warum der Augapfel wächst, welche Maßnahmen eine Verschlechterung bremsen können und wie Eltern vorbeugen können.
Carina Steyer
19.08.2025  08:00 Uhr

Wer kurzsichtig ist, sieht in der Nähe scharf, doch beim Blick in die Ferne erscheint das Bild verschwommen. Auslöser dafür ist ein leicht verlängerter Augapfel: Das in das Auge einfallende Licht wird nicht auf der Netzhaut gebündelt, sondern davor.

Angeboren ist dieser Zustand nicht. Kurzsichtigkeit entwickelt sich im Laufe der Kindheit, wenn im Wachstum eben auch der Augapfel wächst. Dabei reichen schon Abweichungen im Mikrometerbereich. Zum Vergleich: Ein gesundes menschliches Auge ist etwa 24 mm lang. Eine Verlängerung des Augapfels um 1 mm verursacht eine Kurzsichtigkeit von etwa -3 Dioptrien.

Besonders stark wächst der Augapfel zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr. Häufig fällt eine Kurzsichtigkeit deshalb beim Schuleintritt auf, wenn die Kinder Schwierigkeiten beim Lesen der Tafel bemerken oder ungewöhnlich nah an Bücher und Bildschirme heranrücken. Auch wenn Kinder häufig über Kopfschmerzen oder müde Augen klagen, oft blinzeln oder die Augen zusammenkneifen sowie in ihren Schulleistungen nachlassen, kann eine Kurzsichtigkeit dahinterstecken.

Kurzsichtig zu sein, ist heute keine Seltenheit mehr. Die Kurzsichtigkeit gilt inzwischen als weltweit häufigste Fehlsichtigkeit, die Schätzungen zufolge weiter zunehmen wird. Experten gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 fast die Hälfte der Weltbevölkerung kurzsichtig sein wird. Im Vergleich dazu: Zur Jahrtausendwende war nur etwa jeder Fünfte betroffen.

Besonders problematisch ist diese Zunahme für junge Menschen. In Europa sind derzeit zwischen 30 und 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen kurzsichtig, in südostasiatischen Metropolen sind es bereits 80 bis 90 Prozent. Und solange Kinder im Wachstum sind, kann auch der Augapfel weiterwachsen, die Kurzsichtigkeit also weiter zunehmen. Von einer fortschreitenden Kurzsichtigkeit, sprechen Mediziner, wenn die Sehschwäche pro Jahr um 0,5 bis 1 Dioptrien abnimmt.

Etwa jedes zehnte kurzsichtige Kind entwickelt eine solche fortschreitende Kurzsichtigkeit. Wird sie nicht gestoppt oder zumindest verzögert, können Kinder am Ende ihres Wachstums Werte von -12 Dioptrien aufweisen. Der weiteste Punkt, der in diesem Fall noch scharf gesehen werden kann, befindet sich in einem Abstand von 8 cm zum Auge. Neben Einschränkungen im Alltag birgt eine hohe Dioptrienzahl ab etwa -5 zudem das Risiko für Netzhautschäden und eine Makuladegeneration im Erwachsenenalter. Bei einem Wert von -10 Dioptrien liegt das Risiko bei mehr als 50 Prozent.

Wachstum wegtropfen

Um dem Fortschreiten der Kurzsichtigkeit entgegenzuwirken, wurden im Laufe der Zeit unterschiedliche Maßnahmen entwickelt. Eine ist die Behandlung mit stark verdünnten Atropin-haltigen Augentropfen, die das Längenwachstum des Augapfels bremsen sollen. Ganz neu seit August sind in Deutschland unter dem Namen Ryjunea® o,o1-prozentige Atropinsulfat-haltige Augentropfen für Kinder erhältlich. Nach ärztlicher Verordnung  einmal täglich abends getropft, sollen sie das Fortschreiten von Kurzsichtigkeit verlangsamen. Eingesetzt werden darf Ryjunea bei Kindern im Alter von 3 bis 14 Jahren mit einer Ausgangs-Kurzsichtigkeit von -0,5 bis -6,0 Dioptrien und einer bisherigen Progression von mindestens 0,5 Dioptrien pro Jahr.

Solche Augentropfen haben nun erstmals in der Europäischen Union eine Zulassung bekommen, nachdem bislang nur eine Behandlung mit individuell hergestellten Rezepturarzneimitteln möglich war. Deutschland ist das erste Land, in dem Hersteller Santen Pharmaceutical sein Präparat nun eingeführt hat.

Wie genau das Anticholinergikum das Wachstum des Augapfels beeinflusst, ist nicht bekannt. Vermutlich ist es in ein Remodelling und in eine Stärkung der Sklera involviert. 

Getropft wird jeden Abend vor dem Zubettgehen für mindestens zwei Jahre. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) rät, parallel zur Behandlung, weitere Maßnahmen zur Vorbeugung einer Kurzsichtigkeit (siehe unten) konsequent umzusetzen.

Sehhilfe mit Doppelfunktion

Um wieder scharf sehen zu können, brauchen kurzsichtige Menschen eine Brille oder Kontaktlinsen. Sie sind der Sehschwäche entsprechend nach innen gewölbt, also konkav, wodurch das Licht zerstreut und auf die Netzhaut fokussiert wird. Regelmäßige Kontrollen der Augen sind wichtig, um Brille und Kontaktlinsen im Bedarfsfall anpassen zu können. Noch immer kursiert das Gerücht, dass eine zu schwache Brille die Kurzsichtigkeit stoppen kann. Das Gegenteil ist jedoch der Fall; ein zu niedriger Dioptrienwert kann das Augenlängenwachstum fördern.

Gegen eine fortschreitende Kurzsichtigkeit können normale Brillen nichts ausrichten. Hier kommen seit einigen Jahren sogenannte Multisegmentbrillengläser zum Einsatz. Nach Angaben der Hersteller lässt sich durch regelmäßiges Tragen der Sehhilfe das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit um bis zu 60 Prozent verlangsamen. Erreicht wird dies durch spezielle Strukturen im Randbereich des Brillenglases, die einen sogenannten simultanen myopen Defokus setzen. Dadurch wird parallel zur scharfen Abbildung auf der Netzhaut eine weitere Abbildung erzeugt, die vor der Netzhaut liegt. Beim Seitenblick erleben Kinder nun eine Bildunschärfe, die im Alltag aber nicht als störend empfunden wird. Im Zentrum des Brillenglases befindet sich eine Fläche, die wie bei einer normalen Brille die Fehlsichtigkeit korrigiert und für scharfes Sehen in der Ferne sorgt.

Auch mit speziellen Kontaktlinsen kann versucht werden, die Kurzsichtigkeit einzudämmen. Anders als Brillen eignen sie sich jedoch noch nicht für kleine Kinder. Empfohlen werden sie ab etwa zehn Jahren, wenn das Kind gerne Kontaktlinsen tragen möchte und bereit ist, sich mit der notwendigen Hygiene im Umgang mit den Linsen zu beschäftigen. Nach Herstellerangaben lässt sich die Kurzsichtigkeit so um bis zu 40 Prozent mindern. Umfassende Studien stehen derzeit jedoch sowohl zu Kontaktlinsen als auch zu Multisegmentbrillengläsern noch aus.

Auslöser verstehen

Zuverlässig stoppen lässt sich eine fortschreitende Kurzsichtigkeit mit den zurzeit zur Verfügung stehenden Maßnahmen nicht. Auch die Zeit des Einschreitens ist begrenzt. Die Entwicklung des Augapfels ist mit etwa 17 Jahren abgeschlossen. Dioptrienwerte, die bis zu diesem Zeitpunkt erreicht wurden, sind nicht mehr zu verändern.

Wissenschaftler sind daher daran interessiert, die entscheidenden Auslöser für das Entstehen einer Kurzsichtigkeit zu verstehen. Bekannt ist, dass Kurzsichtigkeit zum einen genetisch bedingt ist. Kinder, bei denen beide Eltern kurzsichtig sind, haben eine Risiko von 50 Prozent, ebenfalls kurzsichtig zu werden. Eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Kurzsichtigkeit scheint auch die Netzhaut selbst zu spielen. Diese sendet im normalsichtigen Auge ein wachstumshemmendes Signal, wenn das Augapfel-Wachstum zu stark fortschreitet, wie Professor Dr. Frank Schaeffel vom Forschungsinstitut für Augenheilkunde an der Universität Tübingen in einer Presseaussendung der DOG erklärte. Im kurzsichtigen Auge falle dieses Signal zu schwach aus. Warum und wann der Wachstumsregelkreis aus dem Tritt gerät, ist derzeit unklar. 

So kann man vorbeugen

Eine weitere entscheidende Rolle spielen Umweltfaktoren – allen voran das Sonnenlicht, dessen Einfluss vor allem im asiatischen Raum umfangreich untersucht wurde. Heute steht fest: Das Risiko für die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit nimmt mit zunehmender Sonnenlicht-Exposition ab. Aktivitäten und Aufenthalte im Freien werden deshalb allen Kindern und Jugendlichen im Wachstumsalter als Präventivmaßnahme empfohlen.

Nach Angaben der DOG lässt sich das Risiko für die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit mit zwei Stunden Aufenthalt im Freien pro Tag halbieren. Aber auch ein kurzer Spaziergang hat bereits eine vorbeugende Wirkung. So konnte eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigen, dass bereits nach 15 Minuten im Freien ein vorbeugender Effekt einsetzt. Wichtig ist nur, dass diese Zeit am Stück erfolgt und nicht durch kurzes Hineingehen in Gebäude oder Verkehrsmittel unterbrochen wird. Zudem konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass für einen messbaren Effekt schon Sonnenlichtstärken ausreichen, die an einem bedeckten Wintertag erreicht werden.

Gut belegt ist, dass häufiges Fokussieren der Augen auf Smartphones und Tablets, aber auch auf Bücher oder Zeitschriften, die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit fördert. Wie beim Sonnenlicht gibt es inzwischen gute zeitliche Vorgaben, an denen Eltern sich orientieren können. In einer Metaanalyse mit 45 Studien mit mehr als 300.000 Teilnehmern, die im Fachmagazin »JAMA Network Open« veröffentlicht wurde, gilt eine Stunde Handy- oder Computerzeit pro Tag als unbedenklich. Jede weitere Stunde erhöht das Risiko für eine Kurzsichtigkeit um etwa 21 Prozent. Kinder, die vier oder mehr Stunden vor dem Bildschirm verbringen, haben ein doppelt so hohes Risiko, kurzsichtig zu werden, wie Gleichaltrige mit niedrigerem Medienkonsum. Das gilt auch für Kleinkinder zwischen zwei und sechs Jahren, die noch vor der starken Wachstumsphase ihrer Augen stehen.

Die DOG empfiehlt, dass alle Naharbeiten nach einer halben Stunde unterbrochen werden sollten. In der Pause sollte der Blick möglichst oft in die Ferne schweifen. Zudem ist ein guter Leseabstand von rund 30 cm wichtig. Für Schulkinder gibt es zudem einen weiteren Tipp: Der optimale Platz für den Schreibtisch im Kinderzimmer ist vor dem Fenster. So ist die Arbeitsfläche möglichst hell beleuchtet.

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