Lauterbach bleibt bei Reformplänen |
10.10.2024 10:30 Uhr |
Der Bundesgesundheitsminister war wie im letzten Jahr per Video zugeschaltet. / © PZ/Annette Rößler
Die Stimmung der Apothekerschaft beim Auftritt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beim diesjährigen DAT in München war erwartungsgemäß geladen. Bereits während Lauterbach per Live-Video in seinem Grußwort seine Vorstellungen von einer Apothekenreform vortrug, gab es lautstarke Proteste und missbilligende Kommentare von den mehr als 400 Delegierten. Aus zeitlichen Gründen war der Minister auch in diesem Jahr beim DAT wieder nur digital zugeschaltet. Nach seinen Grußwort gab es aber zumindest Zeit für Fragen.
Die wichtigste Frage war, ob Lauterbach an der im Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) geplanten Apotheke ohne Apotheker festhalten wird. Bekanntlich kommt das Gesetz bislang nicht in die Kabinettsabstimmung, weil vor allem die FDP dagegen ist, es aber auch aus den eigenen Reihen der SPD große Kritik an diesem Vorhaben gibt.
»Ich bin zuversichtlich, dass wir in der Koalition noch eine gemeinsame Linie finden werden, möchte aber nicht ins Detail gehen.« Die Strukturreform werde aber auf alle Fälle kommen, zeigt sich der Minister unbeirrt.
In einem Crossover-Podcast besprechen die Chefredakteure Dennis Ballwieser (Apotheken Umschau) und Alexander Müller (PZ) den Auftritt des Ministers beim DAT, seinen Kommunikationsstil und Erwartung an das Schicksal des Apotheken-Reformgesetzes.
Nur mehr Geld ins System zu gießen, sprich das Apothekenhonorar zu erhöhen, ohne auch die Strukturen an die gegenwärtige Situation anzupassen, sei nicht zielführend. Und die gegenwärtige Situation ist für den Minister klar: Ohne die Reform, also die Möglichkeit, in Zweigapotheken auf die Präsenz einer PTA zu setzen und die apothekerliche Beratung lediglich telepharmazeutisch zu garantieren, würde in der Fläche bald keine ausreichende Versorgung mit Apotheken mehr möglich sein. Schon jetzt fehle es an Nachwuchs, der bereit sei, in Dauerpräsenz eine Landapotheke zu führen.
Auch machte Lauterbach erneut klar, dass es ohne diese Strukturreform keine Honorarreform geben könne. Die Sorge der Apothekerschaft, dass die Wertschätzung und Qualität des Berufs durch diese Reform leide, teilt Lauterbach nicht. »Die Qualität der apothekerlichen Beratung ist die gleiche, ob telepharmazeutisch von Apotheker zum Patient, der in der Offizin Rat sucht, oder zum Patient am Computer zuhause.«
Am Abend verabschiedete das Apothekerparlament eine Resolution, die erneut die Ablehnung der geplanten Reform betonte. Außerdem forderte die Apothekerschaft die Bundesregierung dazu auf, sofort finanzielle Hilfen für die Offizinen bereitzustellen.
Es wurde offensichtlich, dass der Minister den Begriff Telepharmazie anders definiert als die Apothekerschaft. Für die Arbeit eines Apothekers ist aus Sicht der Apothekerschaft seine Präsenz vor Ort unerlässlich. Alles andere sei keine Apotheke mehr, sondern eine Scheinapotheke. Lauterbach unterstrich jedoch unbeirrt: »Ich gehe davon aus, dass die Telepharmazie dazu beitragen wird, in dünn besiedelten Gebieten überhaupt noch eine Apotheke erhalten zu können. Besser so als gar keine Apotheke.«
Auch die Entgegnung, dass es besser wäre, die Rahmenbedingungen zu stärken, damit Nachwuchs auch in die Vor-Ort-Apotheken strebt und Inhaber diesen entsprechend attraktive Honorare und Arbeitskonditionen bieten könnten, verpuffte. Lauterbach ist überzeugt: »Käme die Reform nicht, wird die Zahl der Apotheken weiter zurückgehen. Nur mehr Geld wird das nicht ändern.«
Es bleibt nun abzuwarten, wann der neue Entwurf zur Apothekenreform kommt. Dass er kommt, da ist der Minister zuversichtlich: »Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen noch mit einem Vorschlag auf Sie zukommen können.«
Verbessert habe sich seit dem DAT im letzten Jahr nichts, entgegnete ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in ihrer Ansprache – im Gegenteil: Zu Kostenanstieg, Honorarstillstand und Fachkräftemangel sei als zusätzliche Belastung noch das schwerwiegende Skonti-Urteil hinzugekommen. Auch die Lieferengpass-Problematik bestehe nach wie vor. Das traurige Ergebnis dieser Entwicklungen sei ein Minusrekord von 500 Apotheken, die im Jahr 2023 ihre Türen für immer schließen mussten. Und im laufenden Jahr sei leider mit noch mehr Schließungen zu rechnen.
»Im Gegensatz zu diesem politischen Stillstand haben wir die vergangenen zwölf Monate tatkräftig genutzt.« Overwiening verwies auf den Protestmonat November 2023 sowie die anschließende Informationskampagne der ABDA. Apotheker im ganzen Land hätten im Sinne einer echten Graswurzelbewegung in unzähligen Gesprächen Politiker, Journalisten und Patienten über den derzeitigen Zustand der Arzneimittelversorgung aufgeklärt. »Ich bin überzeugt, dass uns genau dieser Weg zum Ziel führen wird«, sagte Overwiening und bedankte sich bei den Apothekern für deren Einsatz.
Denn in diesen Gesprächen sei deutlich geworden, dass das Vorhaben, die Apotheke vor Ort abzuwerten, von niemandem gewollt wird. »Apotheke ohne Apotheker ist ein exklusiver Wunsch nur des Bundesgesundheitsministeriums«, stellte die ABDA-Präsidentin klar. Auch zahlreiche Stellungnahmen und öffentliche Statments von verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen, die sich in dieser Frage hinter die Apotheker gestellt hätten, sprächen eine deutliche Sprache. Statt weniger, solle man mehr Apotheke wagen. »Gesundheit braucht mehr Apothekerinnen und Apotheker.«
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spüre diesen Widerstand – bis heute finde er innerhalb der Bundesregierung keine Mehrheit für sein Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) –, beharre aber auf seinen Plänen für den Strukturumbruch.
Lauterbachs Vorstellung von Telepharmazie, bei der ein Apotheker per Fernberatung in eine apothekerlose Abgabestelle zugeschaltet werden kann, stelle keine Innovation dar, sondern eine Schwächung des Apothekerberufs. Es sei ein Täuschungsmanöver, wenn der Minister argumentiere, dass er die Apothekerschaft damit vor der »Amazonisierung« schützen wolle. Denn: »Warum unterstützen ausländische Versender ein Gesetz, das die Apotheken vor Ort vor dem Versand schützen soll?«, fragte die ABDA-Präsidentin.
Echte Telepharmazie »aus unseren Apotheken vor Ort« gebe es schon längst – und sie diene den Menschen, weil diejenigen, die nicht in die Apotheke kommen können, fernmündlich beraten würden.
Der Staat müsse dafür sorgen, dass die Apotheken ihren gesetzlichen Auftrag weiter ausführen können, und zwar wirtschaftlich rentabel und »mit Luft zum Atmen»«. Die Apothekerschaft habe zahlreiche Ideen vorgelegt, wie man besser und gezielter honorieren könne. »Das Argument, dass es im GKV-System schlichtweg kein Geld für ein höheres Apothekenhonorar gebe, hat keinen Bestand«, konstatierte Overwiening und schlug vor, zum Beispiel bei den Verwaltungskosten der Krankenkassen oder Fahrtkosten für Patienten anzusetzen, die beide jeweils deutlich höher liegen als die Ausgaben für die Apotheken.
Overwiening wehrte sich auch gegen Vorwürfe des Ministeriums, Modernisierung und Reformen grundsätzlich negativ gegenüberzustehen. Neben dem bereits vorgelegten Katalog sollen demnächst neue Ergebnisse einer Arbeitsgruppe über die »Apotheke der Zukunft« öffentlich werden.
Der Weg zum Erfolg werde ein Marathon, stimmte die ABDA-Präsidentin die Apothekerschaft ein. Doch niemand gehe diesen Weg alleine: »Wenn wir uns gegenseitig Kraft geben, schaffen wir, ausdauernd weiterzulaufen.«