Leuchtender Frühlingsbote |
Frühlingsbote Löwenzahn: Die leuchtend gelben Blüten bringen Farbe auf die Wiesen. / © Adobe Stock/farbkombinat
Der Löwenzahn war vermutlich schon in der Antike bekannt, auch wenn er damals noch nicht unter seinem heutigen Namen beschrieben wurde. Spätestens im Mittelalter jedoch trat er als Heilpflanze ins Licht. In den Klostergärten jener Zeit wurde er nicht nur toleriert, sondern gezielt angebaut und genutzt. Im 16. Jahrhundert empfahl der berühmte Arzt und Botaniker Leonhart Fuchs seinen Studenten, bei Leberleiden »das bittere Kraut mit dem goldenen Haupt« zu sammeln. Dies ist eine recht poetische Umschreibung für den leuchtenden Löwenzahn, dessen heilende Wirkung er ebenso schätzte wie seine auffällige Blüte. Auch Hildegard von Bingen vertraute auf die Kräfte des Krauts und setzte es bei »Blutreinigungsstörungen« ein.
Weit über Europa hinaus genoss der Löwenzahn einen hervorragenden Ruf: In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) ist er seit Jahrhunderten unter dem Namen Pu Gong Ying bekannt. Dort soll er fiebersenkend und entzündungshemmend wirken, die Leberfunktion unterstützen sowie den Fluss der Lebensenergie Qi fördern. Interessant: Die früher übliche volkstümliche Bezeichnung »Bettpisser« spielt auf die harntreibende Wirkung des Löwenzahns an. Traditionell wurde er als natürliches Diuretikum genutzt, um die Harnproduktion zu fördern und überschüssige Flüssigkeit aus dem Körper zu entfernen.
Der gemeine Löwenzahn (Taraxacum officinale) gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae) und ist nahezu weltweit verbreitet. Seine strahlend gelben Blütenköpfe bestehen aus zahlreichen Zungenblüten. Diese schließen sich bei Trockenheit und Dunkelheit. Nach der Blüte verwandeln sie sich in die bekannte Pusteblume, deren Samen vom Wind kilometerweit getragen werden können.
Auch mit den Stängeln kann man wunderbar basteln, aber Vorsicht: Sie führen einen Milchsaft, der Bitterstoffe wie Taraxacin und Latexverbindungen enthält. Innerlich oder auf der Haut kann dieser Saft leicht reizend wirken. Botanisch bemerkenswert ist auch die Pfahlwurzel des Löwenzahns, die bis zu 2 m tief in den Boden reichen kann – ein Grund für seine Hartnäckigkeit im Garten und ein Reservoir für wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe. Die Blüte- und somit Erntezeit liegt zwischen Ende März und Juni, ein zweites Mal im Spätsommer. So wird das Kraut aufgrund der frühen Blütezeit auch als Märzenbecher bezeichnet.
Der Löwenzahn beeindruckt mit einer Fülle bioaktiver Substanzen, die je nach Pflanzenteil unterschiedlich verteilt sind. Die Blätter enthalten zahlreiche Bitterstoffe wie Taraxacin, die die Verdauung fördern sowie Leber und Galle anregen. Zusätzlich liefern sie wichtige Mikronährstoffe wie Kalium – das die harntreibende Wirkung unterstützt, ohne den Körper zu entmineralisieren – sowie Vitamin C, Eisen, Magnesium und Calcium. Die Wurzel ist besonders reich an Inulin, einem präbiotischen Ballaststoff, der die Darmflora stärkt. Zudem enthält sie Bitterstoffe und entzündungshemmende Phenolsäuren wie Kaffee- und Chlorogensäure mit antioxidativer Wirkung.
Die Blüten stecken voller Flavonoide wie Luteolin und Apigenin, die zellschützend wirken. Besonders hervorzuheben ist der hohe Gehalt an Carotinoiden, vor allem Beta-Carotin, die Haut, Augen und Immunsystem unterstützen. Beim Vitamin-A-Gehalt zählt der Löwenzahn zu den Spitzenreitern unter den Wildkräutern. Im Vergleich zu Blättern und Wurzeln sind die Blüten milder im Geschmack, enthalten aber ätherische Öle, die ihr feines Aroma ausmachen.
Die gesundheitlichen Wirkungen des Löwenzahns sind seit Jahrhunderten bekannt. Geschätzt wird seine leber- und galleanregende Wirkung, die durch Bitterstoffe in Wurzel und Kraut die Fettverdauung unterstützt. Gleichzeitig fördern diese Substanzen die Bildung von Speichel und Magensaft, was bei Appetitlosigkeit, Blähungen oder Völlegefühl hilfreich sein kann.
Löwenzahn wirkt zudem harntreibend, ohne dabei – dank seines hohen Kaliumgehalts – den Mineralstoffhaushalt zu belasten. Studien zeigen außerdem antioxidative und entzündungshemmende Effekte, die auf Flavonoide und Phenolsäuren zurückzuführen sind. Die in der Wurzel enthaltenen präbiotischen Ballaststoffe wie Inulin unterstützen zusätzlich die Darmflora. Damit eignet sich Löwenzahn sowohl bei akuten Beschwerden als auch zur allgemeinen Stärkung von Verdauung, Stoffwechsel und Organfunktion. Aktuelle Forschungsfelder umfassen auch die Untersuchung des Löwenzahns im Diabetes- und Gewichtsmanagement sowie der Hautgesundheit.
Als essbares Wildkraut erlebt Löwenzahn in Zeiten von regionaler, ursprünglicher und gesunder Ernährung eine Renaissance, denn fast alle Pflanzenteile sind verwertbar. Die jungen, zarten Blätter schmecken angenehm bitter und eignen sich hervorragend für Salate, besonders in Kombination mit süßen Zutaten wie Apfel, Birne oder einem Honig-Senf-Dressing. Auch als Pesto oder Spinat-Alternative überzeugen sie. Wer die Bitterkeit mildern möchte, legt sie kurz in lauwarmes Wasser.
Die Wurzel lässt sich kochen, rösten oder trocknen. Früher wurde sie sogar als koffeinfreier Kaffeeersatz genutzt. Der sogenannte Löwenzahnkaffee entfaltet ein erdig-mildes Aroma und gilt als verdauungsfördernd. Eine besondere Delikatesse sind die sonnengelben Blüten: Sie eignen sich zur Herstellung eines aromatischen Sirups – dem »Löwenzahnhonig« – oder als essbare Dekoration in Salaten, Desserts und in einer Kräuter- oder Blütenbutter. In Butter gebackene Blütenknospen erinnern geschmacklich an Artischockenherzen – ein Geheimtipp unter Wildkräuterköchen. Sammeln sollte man sie auf ungedüngten Wiesen und an Orten, wo wenig Hunde unterwegs sind.
Löwenzahnblätter eignen sich hervorragend für knackige Salate. / © Adobe Stock/Comugnero Silvana
Zubereitung (für 2 Personen): Dafür werden zwei Hände voll junger, möglichst frisch gepflückter Löwenzahnblätter gründlich gewaschen. Wer die Bitterkeit etwas abmildern möchte, legt sie kurz in lauwarmes Wasser. Währenddessen schneidet man einen säuerlich-süßen Apfel (zum Beispiel Elstar, Topaz) in dünne Spalten und würfelt eine kleine rote Zwiebel fein. Eine Handvoll Walnüsse werden in etwas Butter oder Pflanzenöl in der Pfanne leicht angeröstet, bis sie duften.
Für das Dressing verrührt man 1 TL Honig mit 1 TL grobem Senf, 2 EL Olivenöl, 1 EL Apfelessig sowie etwas Salz und Pfeffer. Dann werden die Apfelspalten zusammen mit den Zwiebelwürfeln in der noch warmen Pfanne kurz angeschwenkt und mit einem Spritzer Zitronensaft verfeinert.
Zum Anrichten legt man die Löwenzahnblätter locker auf zwei Tellern aus, verteilt das warme Apfel-Zwiebel-Gemisch sowie die gerösteten Walnüsse darüber und träufelt das Dressing gleichmäßig über den Salat. Ein paar frische Löwenzahnblütenblätter oder in Butter gebackene Knospen runden das Gericht perfekt ab. Sie sorgen nicht nur für ein besonderes Aroma, sondern setzen auch optisch einen frühlingshaften Akzent.