Lösungen zum Einnehmen nicht einfach austauschbar |
Juliane Brüggen |
20.07.2021 14:00 Uhr |
Häufig sind Kinder von Medikationsfehlern bei Zubereitungen zum Einnehmen betroffen. / Foto: Adobe Stock/sergeevspb
Dosierungsfehler sind laut aktuellem Bulletin für Arzneimittelsicherheit (2/2021) die am häufigsten berichteten Medikationsfehler. Bei flüssigen Zubereitungen zum Einnehmen komme hinzu, dass oft vulnerable Patientengruppen wie Kinder und über 65-Jährige betroffen seien. Die Fehler könnten Patienten oder Angehörigen bei der Einnahme selbst unterlaufen oder schon vorher passieren – bei der Verordnung oder Abgabe des Arzneimittels. Dabei spielen den Autoren zufolge vor allem Fehlberechnungen, falsch übertragene Dosierungen oder Interpretationen von ungenauen Dosierungsangaben eine Rolle.
Aber auch Arzneimittel selbst könnten Fehler begünstigen, zum Beispiel durch veränderte oder ungeeignete Applikationshilfen, ähnliche Verpackungen verschiedener Wirkstärken (sogenannte »Look-Alikes«) oder missverständliche Dosierungsangaben in der Packungsbeilage.
In der Apotheke findet der Austausch von verordneten durch wirkstoffgleiche Arzneimittel täglich statt. Dahinter steckt die gesetzliche Pflicht, preisgünstige Medikamente wie Rabattarzneimittel bevorzugt abzugeben. Voraussetzung ist allerdings, dass die Präparate in den Aut-idem-Kriterien übereinstimmen:
Die Kriterien gleicht die Apothekensoftware automatisch ab. In manchen Fällen reicht das aber nicht aus. So kann sich bei flüssigen Zubereitungen zum Einnehmen trotz erfüllter Aut-idem-Kriterien die Dosierung unterscheiden. Gründe sind verschiedene Wirkstoffkonzentrationen, abweichende physikochemische Eigenschaften der Lösungen oder andere Applikationshilfen – bei einem Produkt ist es eine Dosierungsspritze, bei dem anderen womöglich eine Tropfmontur.
Bei dem verordneten Präparat 1 sind 40 mg/ml Wirkstoff enthalten, wobei 40 Tropfen einem Milliliter der Lösung entsprechen. Die Dosierung ist auf dem Rezept in Tropfen angegeben. Bei dem als Rabattarzneimittel angezeigten Präparat 2 sind ebenfalls 40 mg/ml Wirkstoff enthalten, jedoch entsprechen nun 20 Tropfen einem Milliliter. Das kann daran liegen, dass Präparat 2 eine andere Tropfmontur oder die Lösung abweichende Eigenschaften hat. Bei einem Austausch auf Präparat 2 müsste die Apotheke die Dosierung für den Patienten umrechnen, damit es nicht zu einer Überdosierung kommt. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit den Austausch aufgrund pharmazeutischer Bedenken zu verhindern.
In einem anderen Fall ist Präparat X mit einer Wirkstoffkonzentration von 60 mg/ml verordnet. Der Arzt hat die Dosierung in Milliliter vermerkt. Ein als Rabattarzneimittel vorgeschlagenes Präparat Y enthält die gleiche Wirkstoffmenge pro Dosiseinheit, nun jedoch 60 mg/2 ml. Die Lösung hat somit eine andere Wirkstoffkonzentration. Hier müsste die Apotheke die Dosierung ebenfalls für den Patienten umrechnen, damit es nicht zu einer Unterdosierung kommt. Auch hier kann die abgebende Person alternativ pharmazeutische Bedenken geltend machen, wenn erforderlich.
Bei diesen Zubereitungen zum Einnehmen kam es bereits zu Meldungen von Medikationsfehlern oder Risiken:
Zusammenfassend sollten bei der Verordnung, dem Austausch und der Dosierung von flüssigen Zubereitungen laut Bulletin für Arzneimittelsicherheit folgende Punkte berücksichtigt werden:
Für PTA und Apotheker bedeutet das, bei der Abgabe von flüssigen Zubereitungen zum Einnehmen besonders aufmerksam zu sein. Seit November 2020 ist die Angabe der Dosierung auf Rezepten Pflicht, was die Prüfung auf Plausibilität seitens der Apotheke erleichtert. Eine weitere Hilfe ist seit 2015 die Apothekensoftware, die gegebenenfalls darauf hinweist: »Achtung – Arzneimittel unterscheiden sich in den Bezugsgrößen-Angaben«. Erscheint die Meldung, ist zu genauer zu prüfen, ob der Austausch wirklich unbedenklich ist. Andernfalls besteht die Möglichkeit, den Austausch durch pharmazeutische Bedenken zu verhindern.
Im Jahr 2012 wurde die Arbeitsgemeinschaft für Arzneimitteltherapiesicherheit (AG AMTS) gegründet. In dieser arbeiten das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und die Arzneimittelkommissionen der Heilberufe eng zusammen, um auf Spontanberichte und andere Hinweise zu Medikationsfehlern zu reagieren. Fallbeispiele im aktuellen Bulletin für Arzneimittelsicherheit zeigen, welche regulatorischen Maßnahmen die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen können, z.B. wenn es um die Bezeichnung des Arzneimittels, Angaben in der Fach- und Gebrauchsinformation oder um die Verpackung und Kennzeichnung von Arzneimitteln geht. Laut BfArM sind diese Maßnahmen aber nicht immer ausreichend, um Medikationsfehler komplett zu unterbinden. Allen am Medikationsprozess Beteiligten (dazu zählen auch PTA und Apotheker) kommt daher eine hohe Verantwortung zu.
Das Bulletin für Arzneimittelsicherheit enthält Informationen aus den beiden Bundesoberbehörden BfArM und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und erscheint viermal im Jahr.