LOVE – die Formel für gute Gespräche |
Isabel Weinert |
05.04.2024 15:00 Uhr |
Das Resultat einer gelungenen Kommunikation: der zufriedene Kunde. / Foto: Kyte-Tec/Alvarez
Als PTA hinter dem HV zu arbeiten, erfordert von vielem ein Höchstmaß, nämlich an einer positiven Haltung, an Kommunikationsfähigkeit, an Empathie und an fachlichem Wissen. Das alles am besten gut gelaunt oder zumindest neutral gestimmt, um Kunden nicht mit miesepetriger Miene zu verprellen. Die Love-Formel kann helfen, den Anforderungen so gerecht zu werden, dass am Ende nicht nur Kunden, sondern auch PTA froh sind statt erschöpft. Dabei steht L für »Liebevoll«, das O für »Offen«, V für »Versiert« und das E für »Erfolgreich«. Probieren Sie es aus.
Das Gespräch mit dem Kunden beginnt schon, bevor er hereinkommt. Denn das Äußere der Apotheke – und hier besonders die Gestaltung der Schaufenster – kann Kunden abschrecken oder, im Gegenteil, einladen. PKA oder PTA mit einer kreativen Ader, die gerne saisonal abhängig das Beste aus dem Platz im Schaufenster herausholen, tragen deshalb maßgeblich dazu bei, ob die Apotheke Kunden im Wortsinn anspricht oder abstößt.
Hat sich ein Mensch für die Apotheke entschieden, kommt das große »L« der Love-Formel zum Tragen. »L« steht für liebevoll, und wer mit dieser Haltung Kunden erwartet, wird auf Dauer merken, wie wohltuend diese Grundeinstellung auch auf die eigene Person wirkt. Vieles, was mitunter anstrengend oder monoton erscheint, wird leichter, wenn man sich vornimmt, Apothekenkunden eine gute Zeit in der Apotheke zu bereiten. So gelingt schon die freundliche Begrüßung völlig selbstverständlich. Und eklatante Fehler, wie das private Weiterplaudern mit der Kollegin, auch wenn eine neue Kundin hereinkommt, werden seltener. Zum Glück ist die grundlegende Menschenliebe in helfenden Berufen wie dem der PTA sehr weit verbreitet.
Bei geglückter Begrüßung geht es weiter: Kunden zeigen je nach Typ wortlos oder wortreich, hektisch oder sehr langsam, freundlich oder griesgrämig den Ausdruck ihres E-Rezepts, die App oder die Gesundheitskarte vor oder kommen mit einem Wunsch für die Selbstmedikation. Hier kommt das »O« aus Love ins Spiel, die Offenheit, die man einem anderen Menschen entgegenbringt und zu der stets Wertschätzung und Respekt gehören.
Offenheit prägt stark den Verlauf von Kundengesprächen. Das beginnt mit der Körperhaltung – dem Kunden stets zugewandt – und dem Blickkontakt und geht weiter damit, sich wirklich auf diese Person einzulassen, auch wenn im eigenen Kopf Gedanken kreisen an Kinder, Einkauf, Verpflichtungen und Sorgen.
Die volle Aufmerksamkeit ist nötig, um dem Menschen in der Apotheke zuzuhören. Das zu beherrschen, ist nicht angeboren. Vielmehr lieben es Menschen von Natur aus in unterschiedlichen Ausprägungen, von sich selbst zu erzählen, die eigene Meinung kundzutun und das eigene Wissen loszuwerden. Die sozialen Medien verstärken diese Eigenschaft noch. Das schönste Bild, das coolste Reel, der besonders besondere Text – hier können Menschen glänzen und sich in sich selbst sonnen. Ein Grund, warum das Zuhören als wertvolle Gabe weiter ins Hintertreffen gerät.
Hinzu kommt, dass sich Menschen gegenüber denjenigen eher verschließen, die nicht in ihr soziales Schema passen, weil sie sie unbewusst in Schubladen einsortieren und sich ebenso unbewusst abgrenzen. Auch das verhindert oft, ernsthaft und aufmerksam zuzuhören. Zudem fällt es schwer, Menschen ausreden zu lassen, weil man meint zu erahnen, was sie sagen wollen. Das stimmt mitunter sogar, denn das Gehirn des Menschen denkt wesentlich schneller als das Gegenüber spricht und so bewertet, sortiert und fasst es schon einmal zusammen, auch wenn der andere seinen Satz noch gar nicht beendet hat. Doch oft irrt das Gehirn in seiner Einschätzung. Und dann bekommt der Kunde etwas untergeschoben, was er nie sagen wollte.
In der Apotheke zählt auch der Zeitdruck. Da steht ein Kunde hinter dem anderen, wie soll man da einem einzigen gut zuhören, ohne dass alle anderen ungeduldig werden? Zunächst indem man das Zuhören wieder übt, denn das vermeidet zeitfressende Missverständnisse.
Die Fähigkeit, wirklich dem zu horchen, was das Gegenüber auf der anderen Seite des HV sagt, ist also eine Kunst. Sie lässt sich üben. Dazu gehört, die eigenen Impulse zu regulieren. Das heißt, auf etwas noch gar nicht vom Gegenüber zu Ende Gesprochenes nicht übereilt, emotional überbordend oder das Anliegen bereits beurteilend zu reagieren, sondern erst einmal einfach ruhig zu bleiben.
Gutes Zuhören erfordert echte Konzentration auf das Gegenüber und den festen Vorsatz, denjenigen ausreden zu lassen. Nicht immer erschließt sich dem Zuhörer das Gesagte sofort. Das ist auch nicht schlimm. PTA oder Apotheker können die Rolle eines Moderierenden einnehmen, der noch einmal konkret nachfragt, die Antworten zusammenfasst und eventuell durch eine erneute Nachfrage sicherstellt, dass diese Zusammenfassung auch stimmt. Die Offenheit, den anderen ausreden zu lassen, gehört dazu, möchte man Kunden das Gefühl geben, in genau dieser Apotheke seien sie König.
In der Praxis erweist es sich mitunter als schwierig, Kunden ausreden zu lassen, nämlich, wenn es sich um diejenigen handelt, denen die Mitarbeitenden der Apotheke als soziale Anlaufstelle dienen, um heimischer Einsamkeit wenigstens kurz zu entkommen. Menschen in dieser Situation wimmelt man am besten nicht regelhaft ab, sondern macht die eigene Reaktion abhängig von der Situation in der Apotheke. Ist die Hölle los, vielleicht noch eine Kollegin krank und glüht der Laden, dann kann man offen sagen, dass eine Unterhaltung gerade schwierig ist. Dafür nimmt man sich an einem anderen Tag wieder etwas mehr Zeit für diese Kunden.
Zur Offenheit gehört auch die Empathie, die man den Menschen auf der anderen Seite des HV entgegenbringt. Sie fällt besonders dann ins Gewicht, wenn es sich um ein schwer krankes Gegenüber oder um dessen Angehörigen handelt. Hier gibt es einen wichtigen Satz, eine Frage, die es Menschen mit schwerer Krankheit erleichtert, mit anderen auch, aber nicht nur über die Erkrankung ins Gespräch zu kommen: ein einfaches »Wie geht es Ihnen?« Das ist nicht etwa übergriffig, sondern gibt Menschen die Freiheit, so zu antworten, wie es für sie gerade am besten ist. Auf diese Weise finden empathische PTA gut heraus, welche Themen helfen. Oft möchten schwer kranke Menschen gerne über banale Dinge des Alltags reden. Dann fühlen sie sich nicht auf ihre Krankheit reduziert, sondern als ganz normaler Mensch gesehen.
Wichtig ist an dieser Stelle, Mitgefühl nicht mit Mitleid zu verwechseln. Gerade Menschen in helfenden Berufen neigen dazu, mit zu leiden und schaden damit sich selbst. Wo liegt der Unterschied? Mitgefühl meint, mitzuempfinden, ohne sich im Leid des anderen zu verlieren. Mitleid hingegen schwächt auch das eigene Selbst, sodass man sich im Kontakt mit dem Kranken hilflos fühlt. Es tut gut, sich das immer mal wieder in Erinnerung zu rufen.
Ob man es wahrhaben möchte oder nicht, eine liebevolle Grundhaltung, Offenheit und damit einhergehende Empathie braucht es auch gegenüber den klassischen schwierigen Kunden – wer kennt sie nicht? Um diesen schwierigen Charakteren gegenüber Haltung zu bewahren und sich nicht zu sehr aufzuregen, existiert ein körpereigenes, jederzeit abrufbares Beruhigungssystem: die Atmung. Tief in den Bauch einatmen und sehr langsam wieder aus, das beruhigt auf der Stelle und lässt sich meist unauffällig ausführen, wenn man etwa das Medikament holt oder dem Kunden aus einem anderen Grund kurz mal den Rücken zuwenden muss.
Dazu kommt Empathie plus innerer Abstand: »Der unverschämte Mensch ist bestimmt aus irgendeinem Grund so geworden, aber mit mir hat es nichts zu tun«. Dieser Gedankengang schafft Verständnis auf der einen und Abstand auf der anderen Seite. Die Kombi aus Atmung und Empathie trotz Antipathie kann helfen, mit den Querulanten unter den Kunden umzugehen, ohne hinterher noch sehr lange »Puls zu haben«.
Manchmal aber geht es nicht anders: Hat ein »besonderer« Kunde die Apotheke verlassen, muss es raus, die angestaute Wut oder auch das Lachen, das sich kaum noch zurückhalten ließ. Das ist mehr als menschlich. Reden oder lachen Sie aber nie über Kunden, wenn noch weitere in der Apotheke sind, und rechnen Sie immer damit, dass der Kunde urplötzlich wieder in der Apotheke stehen könnte, zum Beispiel, weil er etwas vergessen hat.
Lästern gehört zum Menschsein, es entlastet, aber der Zeitpunkt sollte stimmen und auf die Dosis kommt es an. Psychologen bezeichnen Lästern als »Psycho-Hygiene«, die ab und an guttut. Überhand sollte sie aber selbstverständlich nicht nehmen – weder gegenüber abwesenden Kunden noch gegenüber abwesenden Kolleginnen oder Kollegen. Immer wieder zu lästern, ist eine Form von Mobbing.
Nun gesellt sich zur liebevollen Grundhaltung und zur Offenheit gegenüber dem Kunden das V, das für die Versiertheit der PTA steht, also für ihre Kompetenz und ihr Können. Denn jetzt geht es rund um die Beratung. Sie beginnt mit den richtigen Fragen. Auch hier signalisieren eine offene, zugewandte Körperhaltung und Blickkontakt echtes Interesse. Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat in einem Leitfaden zur Beratung unter anderem wichtige, dem Kunden zu stellende Fragen und Inhalte zusammengefasst.
Danach gehört die Klärung folgender Fragen bei der Abgabe eines verschriebenen Arzneimittels auf jeden Fall dazu:
Im Rahmen der Selbstmedikation nennt die ABDA folgende zu stellende/zu bedenkende Fragen:
Dieser »Goldstandard« geht PTA und Apotheker am besten in Fleisch und Blut über. Wenn PTA/Apotheker etwas erklären, dann können sie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie von Kunden verstanden werden, steigern, indem Sie sich kurz und klar fassen. Ausschweifende Pharmakodynamik und -kinetik sind fehl am Platze, ebenso Fremdworte, die einer ausführlicheren Erklärung bedürfen.
In der Selbstmedikation sollte man dem Fragenden möglichst nicht mehr als zwei Präparate vorstellen. Was darüber hinausgeht, überfordert oft das Entscheidungsvermögen. Bei der Wahl der Produkte können PTA – vor dem Hintergrund der fachlichen Auswahl – auch vorstellen, womit sie selbst und andere bereits gute Erfahrungen gemacht haben.
Bei alternativen Verfahren und Präparaten aus dem Internet sollten sich PTA mit Empfehlungen eher zurückhalten. Die Apotheke ist der Ort pharmazeutischen Wissens. Hierher kommen Menschen, wenn sie Expertise wollen – und möglichst keine halbseidenen Informationen. Seriöse Beratung bedeutet darüber hinaus, Zusatzverkäufe nach ihrem Sinn abzuwägen. Das ist aber eine Selbstverständlichkeit.
Auch unter Apothekenkunden finden sie sich – diejenigen Menschen, die Verschwörungstheorien anhaften. PTA und Apotheker müssen sich also immer wieder mit weit mehr als pharmazeutischen Themen befassen. In Apothekenkunden spiegelt sich die Gesellschaft mit all ihren Problemen. Der Umgang mit Verschwörungstheoretikern ist eine besondere Herausforderung.
Das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg rät: »Hat sich der Glaube an Verschwörungstheorien bei einer Person erst einmal verfestigt, ist es in der Regel schwieriger einzuschreiten. Insbesondere wenn es sich bei den Verschwörungstheorien um identitätsstiftende Überzeugungen handelt, sind Personen häufig in der Lage, diverse Gegenargumente in ihren Verschwörungsglauben zu integrieren. Dennoch sind Bestrebungen, Verschwörungstheorien zu widerlegen, keinesfalls zwecklos … «.
Das Medienzentrum nennt als mögliche Strategien unter anderen die folgenden drei:
Bleibt das E als letzter Buchstabe aus Love. E steht für den Erfolg. Wann empfindet man die eigenen Gespräche mit Kunden als erfolgreich und befriedigend? Dann, wenn diese zufrieden die Apotheke verlassen und das sichere Gefühl bleibt: Diese Kundin oder dieser Kunde kommt ganz bestimmt wieder. Die Love-Formel kann zu diesem Erfolg führen und dazu beitragen, aus der Apotheke den Ort pharmazeutischen Wissens, gepaart mit menschlicher Wärme zu machen. Genau die Kombination, für die Patienten die Apotheke im eigenen Ort wertschätzen.