Alles grün – und basisch? Bei der basischen Ernährung stehen vor allem Gemüse und Obst auf dem Speiseplan und das ist ohne Zweifel gesund und empfehlenswert. / © Adobe Stock/Yaruniv-Studio
Damit unser Organismus einwandfrei funktioniert, ist er auf optimale Bedingungen angewiesen. Dazu gehört neben einer angemessenen Nährstoff- und Flüssigkeitsbilanz und einer konstanten Körpertemperatur auch ein festgelegter pH-Wert-Bereich in verschiedenen Geweben oder Sekreten. Der pH-Wert des Blutes ist in engen Grenzen zwischen 7,35 und 7,45 besonders streng kontrolliert. Nur so ist beispielweise der Transport von Nährstoffen und Sauerstoff gewährleistet und Enzyme sowie Hormone arbeiten nach Plan.
Unser Körper verfügt deshalb über Blut-Puffersysteme, an denen Hämoglobin, Proteinat, Phosphat und Hydrogencarbonat beteiligt sind. Letzteres übernimmt etwa die Hälfte der Pufferaufgaben, um den pH-Wert im Blut konstant zu halten. Dazu reagiert Hydrogencarbonat als Base mit Säureprotonen zu Kohlensäure, die zu Wasser und Kohlendioxid zerfällt, welches über die Lunge abgeatmet wird. Um Basen zu neutralisieren, gibt die Kohlensäure als schwache Säure des Puffersystems ein Proton ab. Die Lungenaktivität wird dann gedrosselt und weniger Kohlendioxid abgeatmet. Über diese Mechanismen bleibt der pH-Wert des Blutes in engen Grenzen stabil.
Neben der Lunge sind auch Nieren und Leber an der effektiven Regulation des Säure-Basen-Haushalts beteiligt. Über die Schweißdrüsen der Haut kann ebenfalls Säure abtransportiert werden und Knochen, Muskeln sowie Bindegewebe puffern überschüssige Säure ab. Zu einer lebensbedrohlichen Azidose, einem stoffwechsel- beziehungsweise atmungsbedingten Abfall des Blut-pH-Wertes unter 7,35, kann es durch einen entgleisten Diabetes oder schwere Vorerkrankungen von Nieren und Lunge kommen. Seltener ist eine zu hohe Basenbelastung, eine Alkalose. Ursachen können die Einnahme von Diuretika, häufiges Erbrechen oder Hyperventilation sein.
Wer eine Mischkost mit pflanzlichen und tierischen Produkten zu sich nimmt, hat zwar einen leichten Säureüberschuss. Dieser wird jedoch über Blut, Lunge und Nieren gut abgepuffert. Eine ernährungsbedingte Übersäuerung des Blutes kommt also in einem gesunden Organismus nicht vor. Selbst wenn beim Fasten Ketosäuren entstehen und damit eine leichte Azidose, gleichen die Puffersysteme diese bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr ebenfalls aus.
Ob jedoch ein langfristig unausgewogener, säurelastiger Speiseplan die Puffersysteme überfordern und auf Dauer zur sogenannten latenten Azidose führen könnte, ist schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein Streitpunkt unter Experten. Wissenschaftliche Evidenz zu dieser Frage fehlt, viele Alternativmediziner sehen in dieser latenten Azidose jedoch die Ursache für verschiedene Befindlichkeitsstörungen, beispielsweise vermehrte Müdigkeit, geringere Belastbarkeit oder ein allgemeines Schmerz- und Entzündungsgeschehen. Der Blut-pH tendiere dann innerhalb des Normbereichs zum Sauren, so die Erklärung aus der Naturheilkunde, und die Puffersysteme steuerten dagegen. Die dazu benötigten Mineralien würden – sofern über die Nahrung kein ausreichender Nachschub erfolgt – aus Knochen, Muskeln und Bindegewebe entnommen. Chronische Veränderungen des Säure-Basen-Haushalts und des Mineralstoff-Gleichgewichts könnten schließlich biochemische Abläufe stören und Gewebe schädigen, so die Theorie.
Auch über Zusammenhänge zur Entstehung chronischer Erkrankungen wie Osteoporose, Sarkopenie, Typ-2-Diabetes, Rheuma, kardiovaskulärer und Nierenerkrankungen wird gemutmaßt sowie Einflüsse von pH-Dysbalancen auf psychische, demenzielle, virale und Krebserkrankungen diskutiert. Studien zeigen zwar teils positive Effekte einer basenbetonten Ernährung; wissenschaftlich ist ein Zusammenhang zwischen einer Übersäuerung der Körperzellen und dem Auftreten etwa von Osteoporose, Arterioskleorose oder bestimmten Tumoren bislang jedoch nicht belegt.
Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt an der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité Berlin, erklärte vor einigen Jahren gegenüber PTA-Forum, dass die Ernährung durchaus Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt und verschiedenste Erkrankungen habe. Ein Säure-Basen-Ungleichgewicht sei jedoch in den wenigsten Fällen der unmittelbare Verursacher der Erkrankungen, sondern ein Nebeneffekt.
Besonders in Bezug auf Knochen und Gelenke sind Säuren und ihre Salze seit Längerem in den Fokus der Wissenschaft gerückt. So stehen Phosphate, die sich in Softdrinks, Wurst, Schmelzkäse und Schokolade finden, in Verdacht, die Knochen brüchig zu machen. Bisher konnte aber nur in Tierstudien ein eindeutiger Zusammenhang zu Osteoporose gezeigt werden. Der Verzehr von säurebildendem tierischen Eiweiß führt zu einer ansteigenden Calciumausscheidung im Urin, jedoch nicht unmittelbar zur Calciumfreisetzung aus den Knochen. Ein langfristiges Ungleichgewicht zwischen Protein- und Calciumverzehr kann Osteoporose aber begünstigen.
Auch wenn messbare Einflüsse der Ernährung auf das Säure-Basen-Gefüge im Körper nicht erwiesen sind, ist eine pflanzenbasierte basenreiche Kost natürlich gesund – sie ist antientzündlich, reich an Ballaststoffen, Mineralstoffen, Vitaminen, ungesättigten Fetten und damit durchaus empfehlenswert.
Wer es ganz genau wissen will, welche Lebensmittel säurebildend oder basenüberschüssig sind, dem können die PRAL-Werte zur Orientierung dienen. PRAL steht für Potential Renal Acid Load; der Wert gibt also an, wie viel Säure die Nieren nach dem Verzehr eines Nahrungsmittels ausscheiden müssen. Ermittelt wurden die Werte in den 1990er-Jahren, vornehmlich für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion. Neben dem Verhältnis des Phosphat-, Protein- und Mineralstoffanteils eines Nahrungsmittels berücksichtigen die Werte auch die in höherem Alter abnehmende glomeruläre Filtrationsrate der Nieren.
Die Ergebnisse einer Erhebungs- und Untersuchungsreihe der DEGS-Studie (Deutscher Erwachsenen-Gesundheitssurvey) legen Zusammenhänge zwischen nutritiver Säurebelastung und Blutdruck beziehungsweise dem Harnsäurespiegel nahe. Demnach könnte eine Ernährung mit niedriger PRAL präventivmedizinisch bedeutsam für Hypertonie und Gicht sein. Andere Untersuchungen ergaben, dass die gezielte Alkalisierung, auch durch das Essen von viel Gemüse und Obst, das Fortschreiten chronischer Nierenerkrankungen verzögern kann.
| Lebensmittel | PRAL (mEq/100g) für 50-Jährige |
|---|---|
| Blattspinat | -9,7 |
| Kartoffel | -5,6 |
| Möhre | -5,2 |
| Orange | -2,7 |
| Apfel | -1,8 |
| Grüne Bohnen | - 3,3 |
| Rote-Linsen-Nudeln | -1,6 |
| Roggenmischbrot | +2,1 |
| Baguette | + 4,4 |
| Vollkornreis, gekocht | +1,9 |
| Quinoa, gekocht | +2,2 |
| Walnüsse | +3,5 |
| Haferflocken | +7,3 |
| Emmentaler | +18,2 |
| Hühnerei | + 10,4 |
| Lachs | +9,1 |
| Rindersteak | +6,5 |
| Pute | +10,5 |
Wer basenbetont essen möchte, bekommt hier einige Tipps:
Alles in allem stimmen die Prinzipien der basischen Ernährung nahezu überein mit den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) »Gut essen und trinken«. Wer sich danach richtet, lebt auch ohne große Rechnerei gesund und ausgewogen.
Bei Hyperazidität ist nicht der Stoffwechsel, sondern der Magensaft übersäuert. Typische Beschwerden sind Sodbrennen, saures Aufstoßen, Völlegefühl, Übelkeit.
Beim sogenannten Basenfasten wird vorübergehend vollkommen auf säurebildende Lebensmittel verzichtet. Der Speiseplan besteht aus 80 Prozent Gemüse und 20 Prozent Obst. Durch die kalorienarme, faserreiche Kost – nicht durch den Baseneffekt – kann es zu Gewichtsabnahme, Blähungen und Durchfall kommen. Da beim Basenfasten keine Eiweißlieferanten wie Getreide, Hülsenfrüchte oder Tierisches gegessen werden, sollte es nicht länger als zwei Wochen am Stück durchgeführt werden. Es kann vielmehr als Einstieg in eine pflanzenbetonte Vollwerternährung verstanden werden.
Und was ist mit Basensupplementen? Unabhängige Studien zu ihrer Wirkung sucht man vergebens; die Verbraucherzentralen halten sie für überflüssig, da es keine bewiesene Wirkung gibt. Basische Nahrungsergänzungsmittel wie organische Calcium-, Magnesium-, Kalium- oder Zinkverbindungen sollten daher möglichst kurzfristig empfohlen werden. Einzig für Zink, das als Cofaktor des Enzyms Carboanhydrase in der Gleichgewichtsreaktion zwischen Kohlensäure und Kohlendioxid benötigt wird, gibt es in der EU einen Health-Claim: »Trägt zu einem normalen Säure-Basen-Stoffwechsel bei.« Bei stark eingeschränkter Nierenfunktion sind Basenprodukte kontraindiziert.
Abzuraten ist von basischen Voll- und Fußbädern, Peelings oder Strümpfen, die damit werben, den Organismus bei der Ausleitung von Säuren über die Haut zu unterstützen. Dafür fehlt Evidenz, außerdem kann der Säureschutzmantel der Haut angegriffen werden.
Teststreifen zur Bestimmung des Urin-pH-Wertes liefern lediglich einen Überblick, wie man sich kürzlich ernährt hat: Ein saurer Urin-pH-Wert spricht für Lebensmittel wie Fleisch, Käse oder Brot. Ist der Urin-pH-Wert dagegen alkalisch, wurden eher pflanzliche Produkte verzehrt. Auf pH-Werte im Körpergewebe oder Blut lassen sich mit der Messung keine Rückschlüsse ziehen. Ein dauerhaft saures Urin-Milieu kann jedoch die Entstehung von bestimmten Harnsäuresteinen begünstigen, während andere Steine es eher alkalisch mögen. In beiden Fällen können regelmäßige Urinkontrollen und eine Ernährungsanpassung Sinn machen.
Beißen wir in eine Zitrone, so sind es die Protonen der enthaltenen Zitronen- und Ascorbinsäure, die auf der Zunge sauer schmecken. Zitrusfrüchte enthalten aber deutlich mehr Salze dieser Säuren, beispielsweise Magnesium- oder Kaliumcitrat. Deren organische Anionen, die sich auch in anderen Obstsorten und Gemüse finden, machen dabei den basischen Effekt aus. Da die Kationen, also Mg2+, Ca2+ oder K+, leichter messbar sind, werden sie aber umgangssprachlich als basische Mineralien bezeichnet.