Männer trauern anders |
Nach den Erfahrungen der Trauerbegleiter wollen Männer die Trauer oft mit sich selbst ausmachen. / Foto: Getty Images/Justin Paget
Das Wichtigste vorab: Es gibt nicht die typische Trauer. Es gibt kein Richtig und kein Falsch, wenn man sein Kind, den Mann oder eine Freundin verloren hat. Und erst recht gibt es keine stereotype, allgemeingültige Form, für wen auch immer. »Wie sich Trauer auswirkt, ist grundsätzlich und unabhängig vom Geschlecht sehr unterschiedlich«, sagt der Osnabrücker Trauerbegleiter Thomas Achenbach.
Und doch hat er festgestellt, dass Männer und Frauen oft ganz anders mit diesem Schmerz umgehen. »Männer verfallen am Anfang häufig in eine Art Schockstarre, die gerade bei ihnen sehr massiv sein kann. Sie versteinern regelrecht«, sagt er. Und es fällt schwerer, an sie heranzukommen. Nicht nur, weil sie sich kaum in Trauercafés oder Trauergruppen blicken lassen, sondern auch, weil sie sich in Gesprächen zunächst nur sehr schwer öffnen können.
Was vor allem den Männern dabei am meisten zu schaffen mache, sei die Ohnmacht, die zu einer Verlustkrise immer dazugehört. »Das Gefühl, zu Boden gedrückt zu werden. Ausgeliefert zu sein und nichts tun zu können«, beschreibt Achenbach.
Und Männer bekommen oft körperliche Folgen zu spüren, sagt Psychologe und Trauerexperte Roland Kachler: »Wenn Männer in die Trauerberatung kommen, dann eher mit somatischen Erfahrungen. Sie haben bei schweren Verlusten oft Rückenschmerzen und Schulterschmerzen.« Der Körper reagiere mit einer muskulären Abwehr: »Weil wir Männer auf Bewältigen und Funktionieren orientiert sind.« Sie erleben die Trauer häufig als Angriff und als Niederlage, die es zu blockieren gilt.
Frauen jedoch, die die Trauerberatung aufsuchen, möchten sich mit dem Verlust des Partners auseinandersetzen: »Sie wollen erfahren, wie sie Trauer und Schmerz gestalten können.« Und sie seien viel mehr in der Lage, sich auch intensiv auf diese Gefühle einzulassen.
Männer jedoch haben eher einen Abwehr- und Kontrollwunsch. »Sie haben es schwer, sich einzulassen. Das bedroht ihre Funktionsfähigkeit«, beobachtet Kachler. Die Gespräche in gemischten Trauergruppen seien ihnen zu intensiv und zu massiv – und oft brechen sie die Teilnahme nach wenigen Malen ab. »Weil Männer sehr viel stärker an das Weiterfunktionieren denken«, so der Autor. Insbesondere beim Tod eines Kindes wehren Männer intensive Trauergefühle ab, weil sie sich dafür verantwortlich fühlen, dass die Familie und das Leben weitergehen müssen.
All das heißt natürlich nicht, dass Männer nicht trauern. Aber eben oft nicht so sichtbar. »Männer trauern im Geheimen«, beschreibt es Achenbach. Sie redeten weniger über ihre Gefühle. Außerdem zweifelten sie oft an sich und daran, ob sie noch »ganz bei Trost sind«.