Männer und ihre Prostata |
Katja Egermeier |
16.02.2024 13:00 Uhr |
Zu den Symptomen einer gutartigen Prostatavergrößerung gehören unter anderem vermehrter Harndrang und häufiges nächtliches Wasserlassen. / Foto: Getty Images/happyphoton
»Gerade, weil die Berichterstattung über einen so prominenten Patienten besonders große Reichweite hat, ist es uns als wissenschaftlicher Fachgesellschaft ein Anliegen, die medizinischen Fakten und damit die klare Unterscheidung zwischen einer gutartigen Prostatavergrößerung, einer Prostataoperation zu deren Behandlung und dem Prostatakrebs noch einmal deutlich zu machen und das Vermischen von Begrifflichkeiten zu vermeiden«, erklärt DGU-Generalsekretär Professor Maurice Stephan Michel.
Bei der benignen Prostatahyperplasie (BPH), die auch bei König Charles III operativ behandelt wurde, handelt es sich um eine gutartige Vergrößerung der Prostata. Diese »Volkskrankheit« komme mit zunehmendem Alter recht häufig vor: Michel zufolge ist davon jeder zweite Mann über 60 Jahre betroffen, ab einem Alter von 80 Jahren trete sie sogar bei vier von fünf Männern auf.
Die Symptome können unterschiedlich sein und sich beispielsweise als vermehrter Harndrang, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, schwacher Urinfluss oder häufiges nächtliches Wasserlassen äußern. Das ist laut Michel zwar nicht lebensbedrohlich, könne aber die Lebensqualität stark beeinträchtigen und eine Behandlung erforderlich machen. Diese sei meist mittels Medikamenten möglich, in schweren Fällen könne jedoch auch eine Operation – meist minimalinvasiv – erforderlich werden.
In den meisten Fällen wiesen die genannten Symptome auch wirklich auf eine gutartige Prostatavergrößerung hin, so Michel. Dennoch schürten sie bei manchen Männern die Angst vor Krebs. Im Rahmen der PROBASE-Studie der Technischen Universität München, sei festgestellt worden, dass sich Männer mit Symptomen des unteren Harntrakts oder mit früher aufgetretenen Prostatakrebsfällen in der Familiengeschichte tendenziell mehr Sorgen machten. Professor Jürgen E. Gschwend, Präsident der DGU, kann diesbezüglich Entwarnung geben: »Wichtig ist, dass Symptome des unteren Harntraktes nicht direkt mit einem höheren Prostatakrebsrisiko verbunden sind – eine BPH stellt also keine Krebserkrankung dar, auch wenn ihre Symptome im Alltag sehr belastend sein können.«
Dennoch gilt: Mit nahezu 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr und etwa 15.000 Todesfällen ist Prostatakrebs die inzwischen am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung bei Männern in Deutschland. Die Möglichkeiten der Krebsfrüherkennung wahrzunehmen, ist daher wichtig, so die DGU. Denn auch bei Prostatakrebs gilt: Eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung kann Leben retten.
Zurzeit wird Männern zur Früherkennung von Prostatakrebs empfohlen, ab einem Alter von 45 Jahren einmal jährlich eine rektale Tastuntersuchung vornehmen zu lassen. Diese ist seit 1971 Teil des Früherkennungsprogramms der gesetzlichen Krankenkassen.
Die Untersuchung ist jedoch umstritten – die diagnostische Aussagekraft gilt dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) nach seit Langem als gering. Den Grund dafür hat eine aktuelle Studie kürzlich wieder bestätigt: die Empfindlichkeit des Tests ist zu gering, die Falsch-Positiv-Rate dagegen zu hoch.
Eine weitere, von Urologen häufig empfohlene Möglichkeit der Vorsorgeuntersuchung ist ein Bluttest zur Ermittlung eines Prostata-spezifischen Antigens (PSA). Der PSA-Test stellt zurzeit noch eine IGeL-Leistung dar.
Basierend auf den Daten der erwähnten PROBASE-Studie wurde auch die diagnostische Aussagekraft des Prostatakrebs-Screenings anhand der rektalen Tastuntersuchung untersucht. Dafür wurden 6537 Teilnehmer im Kontrollarm herangezogen, deren PSA-Werte zunächst nicht bestimmt worden waren, die sich jedoch bei Studieneintritt im Alter von 45 Jahren einer rektalen Tastuntersuchung unterzogen hatten. Dabei wurden 57 verdächtige Befunde ermittelt. Bei einer anschließenden Biopsie wurde jedoch nur bei drei Männern tatsächlich ein Karzinom gefunden, was einer Detektionsrate von 0,05 Prozent entspricht. Demgegenüber lag die Detektionsrate anhand des PSA-Wertes bei 0,21 Prozent – also viermal höher.
Auch die Falsch-Negativ-Rate der Tastuntersuchung war deutlich zu hoch: Von den Männern, die ein Prostatakarzinom hatten, das anhand des PSA-Wertes aufgefallen war, hatten 86 Prozent zuvor einen unauffälligen Tastbefund gehabt, obwohl ihre Tumoren zum großen Teil in potenziell zugänglichen Regionen der Prostata lagen.
Der Erstautorin der Studie, Agne Krilaviciute vom DKFZ, zufolge kann die rektale Tastuntersuchung also Schaden in gleich zwei Richtungen anrichten: »Aufgrund der geringen Sensitivität könnten sich Teilnehmer bei einem negativen Testergebnis in falscher Sicherheit wiegen. Und durch die hohe Falsch-Positiv-Rate werden viele Männer unnötig in Angst versetzt.« Dazu kommt, dass angesichts der geringen Akzeptanz der rektalen Tastuntersuchung ein Screening per PSA-Test die Teilnahmebereitschaft der Männer möglicherweise steigern würde, wie Studienleiter Peter Albers ergänzt.
Doch auch über den PSA-Test wurde in der Vergangenheit kritisch diskutiert. So sollten Männer beispielsweise wissen, dass der Test eine sehr hohe Sensibilität hat und selbst kleine Tumoren detektiert, die (noch) keinen Krankheitswert haben. Prostatakrebs wächst meistens sehr langsam und ein kleiner Tumor bereitet einem älteren Mann zu Lebzeiten oft keine Probleme. Die Überdiagnose setzt die Betroffenen jedoch einer psychischen Belastung aus, da sie nun wissen, an Krebs erkrankt zu sein. Sie nehmen häufig Nebenwirkungen und Belastungen einer Krebstherapie auf sich, die eigentlich unnötig für sie wären.
Dennoch zieht das Krebsforschungszentrum aus der PROBASE-Studie ein Fazit zugunsten des PSA-Tests, da dieser deutlich mehr Krebserkrankungen feststellt und damit der digital-rektalen Untersuchung als Screening-Test überlegen ist.
Wie genau die Tastuntersuchung abläuft und welche Vor- und Nachteile der PSA-Test hat, erfahren Sie
Die DGU hofft nun auf die baldige Umsetzung eines EU-Ratsentschlusses, der ein organisiertes Prostatakrebs-Screening zulasten der gesetzlichen Krankenkassen vorsieht – und als wesentlichen Bestandteil einen von der DGU entwickelten risikoadaptierten Algorithmus enthält, der auf einem PSA-Test basiert. Dieser spezielle Algorithmus solle eine gezielte Früherkennung ermöglichen, um unnötige Eingriffe zu reduzieren und die Wirksamkeit der Behandlung zu verbessern.
Gschwend: »Innerhalb eines solchen von der DGU vorgeschlagenen risikoadaptierten Screenings kann der PSA-Test Überdiagnostik und Übertherapie vermeiden. Er ist dann Ausgangspunkt für eine umfassende Risikobewertung im individuellen Fall, was auch für die Wahl der am besten geeigneten Therapie wichtig ist.« Der PSA-Test ermögliche auf diese Weise eine bessere Früherkennung und reduziere gleichzeitig im Krebsfall das Risiko für ein schnelles Fortschreiten der Erkrankung und die damit verbundenen Einschränkungen der Lebensqualität.