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Die beste Wirkung erzielen

Medikamente im richtigen Takt

Der Zeitpunkt, wann ein Medikament eingenommen oder angewendet wird, kann maßgeblich darüber entscheiden, wie gut es wirkt und wie es vertragen wird. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob vor, zum oder nach dem Essen. Auch der circadiane Rhythmus eines Patienten rückt zunehmend in den Fokus der Therapie.
Nicole Schuster
04.11.2024  08:30 Uhr

Vor oder nach dem Essen einnehmen? Das ist eine der häufigsten Fragen, die Patienten stellen, wenn es um die Arzneimittelanwendung geht. Die Frage ist berechtigt, da einige Medikamente mit Nahrungsmitteln interagieren. Optimalerweise nehmen Menschen ihre Medikation zu festen Zeiten in Bezug auf Mahlzeiten ein, um eine gleichmäßige Wirkung zu gewährleisten. Wenn etwas Besonderes zum zeitlichen Abstand zu Mahlzeiten zu beachten ist, steht das in der Gebrauchsinformation (siehe Tabelle).

Das Schilddrüsen-Ersatzhormon Levothyroxin sollten Patienten zum Beispiel am besten auf nüchternen Magen, vorzugsweise 30 Minuten vor dem Frühstück, mit Wasser schlucken. Nahrungsmittel können die Aufnahme und damit auch die Wirkung beeinträchtigen. Wer Levothyroxin bislang immer während des Frühstücks oder hinterher eingenommen hat, sollte das keinesfalls ohne Rücksprache mit dem Arzt ändern. Da Hormone in kleinsten Mengen hochwirksam sind, kann eine veränderte Einnahme die Wirkung beeinflussen und der Patient muss neu eingestellt werden.

Die Art der Wechselwirkung zwischen Nahrung und Medikament variiert. Manchmal sind es auch nur bestimmte Lebensmittel, die sich mit dem Medikament nicht vertragen. Ein Beispiel ist das Parkinson-Mittel Levodopa. Proteinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier oder Hülsenfrüchte können seine Wirksamkeit beeinträchtigen. Levodopa konkurriert mit Aminosäuren aus der Nahrung um dieselben Transporter im Dünndarm. Patienten müssen daher ihre Tabletten 30 Minuten vor oder 90 Minuten nach einer Mahlzeit einnehmen, um die Wirksamkeit zu gewährleisten. 

Angabe in GI Bedeutung
vor dem Essen 60 bis 30 Minuten vor der Mahlzeit
während des Essens Während oder innerhalb von fünf Minuten nach der Mahlzeit
nach dem Essen 30 bis 60 Minuten nach der Mahlzeit
nüchtern eine Stunde vor oder frühstens zwei Stunden nach der Mahlzeit
unabhängig von einer Mahlzeit zu keinem festen Zeitpunkt
Das bedeuten die Angaben im Beipackzettel

Wenig Wechselwirkungen

Die Interaktion von Antibiotika aus den Klassen der Tetracycline und Fluorchinolone mit zwei- und dreiwertigen Ionen ist vielen Patienten bekannt. Die Ionen von Calcium (Ca²⁺), Magnesium (Mg²⁺), Eisen (Fe²⁺/Fe³⁺) und Aluminium (Al³⁺), die in Milchprodukten, Antacida oder Eisenpräparaten enthalten sind, können mit den Antibiotika schwer lösliche Komplexe bilden und deren Aufnahme im Darm hemmen. Patienten nehmen deshalb entsprechende Antibiotika mit einem Mindestabstand von zwei bis drei Stunden zu Nahrungsmitteln oder Präparaten ein, die zwei- oder dreiwertige Ionen enthalten. So wird die Wechselwirkung minimiert und die Wirksamkeit der Therapie sichergestellt.

In anderen Fällen kann die gemeinsame Aufnahme mit bestimmten Lebensmitteln die Wirksamkeit sogar erhöhen. Das ist zum Beispiel bei lipophilen Stoffen wie fettlöslichen Vitaminen wie Vitamin D der Fall. Sie werden besser absorbiert, wenn sie zusammen mit einer fettreichen Mahlzeit eingenommen werden. Der Zeitpunkt der idealen Einnahme hängt allerdings nicht nur von der Art und dem Zeitpunkt der Mahlzeiten ab. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Häufigkeit der Dosierung.

Bei Medikamenten, die öfter als einmal täglich, jedoch seltener als alle vier Stunden eingenommen werden, sollte die Einnahme möglichst innerhalb von 60 Minuten um die festgelegte Zeit erfolgen. Für Medikamente, die täglich oder seltener eingenommen werden, ist allgemein ein Spielraum von bis zu zwei Stunden möglich, es sei denn, dass in der Gebrauchsinformation etwas anderes vorgeschrieben ist. Bei zeitkritischen Arzneimitteln kann eine Verzögerung von mehr als 30 Minuten oder eine vorzeitige Verabreichung die therapeutische Wirkung beeinträchtigen oder dem Menschen schaden.

Besonders achten sollten Patienten zum Beispiel auf den Einnahmezeitpunkt bei kurzwirksamen Opiaten, Parkinson-Medikamenten wie Levodopa-Kombinationen, Immunsuppressiva bei Organtransplantationen sowie Medikamenten mit sehr kurzen Dosierungsintervallen von vier Stunden oder weniger. Bei Arzneimitteln mit enger therapeutischer Breite muss die Verabreichungszeit exakt eingehalten werden, um optimale Wirkungen zu erzielen und unerwünschte Nebenwirkungen möglichst zu vermeiden.

Eine weitere Herausforderung sind Arzneimittel mit zeitlich festgelegten Verabreichungsplänen wie Warfarin, das üblicherweise gegen 16 Uhr einzunehmen ist, weil der Wirkstoff zusammen mit einer Mahlzeit schlechter aufgenommen wird. Frauen, die hormonell verhüten, nehmen die Pille idealerweise ebenfalls immer um dieselbe Uhrzeit. Besonders relevant ist der Einnahmezeitpunkt bei reinen Gestagen-Präparaten.

Im Rhythmus bleiben

Für eine optimale Wirkung kann auch die Tageszeit eine Rolle spielen. Die innere Uhr steuert den circadianen Rhythmus vieler Körperfunktionen einschließlich des Hormonhaushalts und der Stoffwechselvorgänge und beeinflusst somit auch die Wirkung von Arzneimitteln. Die Chrono-Pharmakologie untersucht diese Zusammenhänge, um die Medikamentenwirkung zu optimieren. Ein Beispiel für Arzneimittel, bei denen der circadiane Rhythmus eine Rolle spielt, sind Pharmazeutika, die den Cortisolspiegel beeinflussen. Die Konzentration von Cortisol ist morgens am höchsten und nimmt im Laufe des Tages ab. Das hat zur Folge, dass Medikamente wie Glucocorticoide am besten morgens eingenommen werden, um die Wirkung zu verbessern und Nebenwirkungen zu reduzieren.

Der Blutdruck folgt ebenfalls einem circadianen Muster. Er steigt am Morgen an und fällt in der Nacht ab. Bei der Behandlung von Bluthochdruck hat sich in der »Hygia Chronotherapy Trial« aus 2019 die abendliche Einnahme von Antihypertensiva als vorteilhaft erwiesen. Die Medikamente wirken demnach effektiver, wenn sie den nächtlichen Blutdruckabfall verstärken und den Morgenanstieg abmildern. Das wirkte sich laut der Studie sogar positiv auf das kardiovaskuläre Risiko der Patienten aus. In der TIME-Studie aus 2022 traten jedoch Herzinfarkte, Schlaganfälle und vaskulär bedingte Todesfälle gleich oft bei morgendlicher und abendlicher Einnahme auf. Allerdings vergaßen Patienten die Einnahme am Abend öfter. Am besten nehmen Menschen mit Bluthochdruck ihre Antihypertensiva immer zu einer bestimmten Zeit ein, die ihnen am besten passt.

Statine, die zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt werden, sind ein weiteres Beispiel für eine Arzneimittelklasse, bei der der Einnahmezeitpunkt zu beachten ist. Cholesterol wird hauptsächlich nachts synthetisiert, daher kann die abendliche Einnahme von Statinen die Wirkung dieser Medikamente verstärken. Das gilt insbesondere für Statine mit einer eher kurzen Halbwertszeit wie Simvastatin.

Bei der Behandlung von rheumatoider Arthritis kann es ebenfalls sinnvoll sein, die Tageszeit bei der Medikamenten-Einnahme zu beachten. Typischerweise leiden Betroffene morgens unter einer ausgeprägten Steifheit, die etwa eine Stunde oder länger anhält, bevor die Gelenke wieder beweglich sind. Um diese Morgensteifigkeit zu verhindern, ist es ratsam, entzündungshemmende Medikamente wie Diclofenac oder Naproxen bereits am Abend oder am sehr frühen Morgen einzunehmen.

Auch die Lungenfunktion unterliegt einem tageszeitlichen Rhythmus. Das ist besonders für Menschen mit Asthma von Bedeutung. Nachts und in den frühen Morgenstunden sind die Schleimhäute der Atemwege besonders empfindlich gegenüber Reizen, die Asthmaanfälle auslösen können. Verengte Bronchien und Atembeschwerden können die Folge sein. Daher ist es ratsam, Medikamente zur Anfallsvorbeugung wie Montelukast abends einzunehmen, damit die Wirkstoffe über Nacht wirken und asthmatischen Beschwerden am Morgen vorbeugen.

Zeitgesteuerte Therapie

Wie andere physiologische Abläufe unterliegt auch der Metabolismus von Arzneimitteln tageszeitlichen Schwankungen. Viele Enzyme, die für den Abbau von Medikamenten verantwortlich sind, zeigen eine circadiane Rhythmik. Ein Beispiel dafür sind die Cytochrom-P450-Enzyme, die in der Leber aktiv sind. Die Aktivität dieser Enzyme kann im Laufe des Tages variieren, was mitunter zu unterschiedlichen Konzentrationen des Medikaments im Blut führt. Das kann praktische Konsequenzen für die Dosierung von Medikamenten haben. Ein Beispiel ist die Chemotherapie bei Krebserkrankungen. Einige Zytostatika sind zu bestimmten Tageszeiten besser verträglich und entfalten weniger toxische Wirkungen. In der Onkologie wird daher zunehmend auf eine zeitgesteuerte Chemotherapie, auch Chronochemotherapie genannt, gesetzt, um die Wirkung der Behandlung zu optimieren und Nebenwirkungen zu minimieren.

Die Forschung in der Chronopharmakologie steht noch am Anfang. So könnten beispielsweise personalisierte Therapien, die den individuellen circadianen Rhythmus eines Patienten berücksichtigen, in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Wearables und andere digitale Helfer können schon jetzt verschiedene Echtzeitdaten zum individuellen circadianen Rhythmus liefern. Darauf basierend ließe sich der Einnahmezeitpunkt verschiedener Medikamente optimal steuern. Arzneimittel könnten zudem verstärkt galenisch so entwickelt werden, dass sie eine gezielte zeitgesteuerte Freisetzung ermöglichen. Dadurch würden die Medikamente kontrolliert zu bestimmten Tageszeiten ihre maximale Wirksamkeit entfalten. Das kann die Compliance der Patienten verbessern und die Therapieergebnisse optimieren.

Bis es etablierte technische oder technologische Lösungen gibt, die die zeitliche Steuerung erleichtern, kann es herausfordernd sein, Patienten zu motivieren, ihre Medikation zu ungewöhnlichen Zeiten einzunehmen, vor allem dann, wenn der ideale Einnahmezeitpunkt sehr spät abends, sehr früh morgens oder gar nachts ist und die tägliche Routine stört. Der Aufwand lohnt sich jedoch. Das belegen klinische Studien, in denen eine zeitlich abgestimmte Medikation bei Erkrankungen wie Bluthochdruck, Krebs und rheumatoider Arthritis zu besseren Ergebnissen führte.

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