Medizin, Ernährung – und ganz viel Geduld |
Isabel Weinert |
29.11.2022 08:30 Uhr |
Verstopfung kann Kindern das Leben immer wieder gründlich vermiesen. / Foto: Adobe Stock/Aliaksandr Marko
Eine normale Stuhlfrequenz liegt zwischen einem und dreimal pro Tag bis alle zwei Tage einmal, zumindest bei Kindern und Erwachsenen. Gestillte Säuglinge entleeren ihren Darm zwischen vier- bis fünfmal am Tag oder aber seltener, was auch normal ist.
Kinder, die an Verstopfung leiden, scheiden einen harten Stuhl aus, den sie nur unter Schmerzen und oft nur mit großer Anstrengung (Kopf rot, Kind danach nicht selten geschwitzt und erschöpft) hervorbringen können. Der Druck und die Verstopfung führen zu kleinen, äußerst schmerzhaften Einrissen am After. Häufig kommt auch nicht der gesamte Stuhlgang heraus, sondern die Kinder schildern, dass sie nicht alles herauspressen konnten. Das kann den Betroffenen den ganzen Tag verleiden, Herumrennen und Spielen gehen dann manchmal kaum noch. Eltern sollten als allererstes eines nicht tun: schimpfen. Das betroffene Kind kann absolut nichts für das Leiden.
Dann sollten Eltern beobachten, ob es sich um ein einmaliges Ereignis handelt oder ob die Verstopfung immer wieder auftritt. Mit dem Gang zum Arzt wartet man dann nicht lange ab, denn bereits nach zwei Monaten kann sich eine Verstopfung chronifizieren. Dann entsteht ein Teufelskreis: Kinder meiden den Gang auf die Toilette, weil sie wissen, welch heftigste Schmerzen sie erwarten. Das wiederum befördert die Verstopfung und so weiter. Mit der Zeit kann sich der Darm sogar weiten, die Kinder verlieren dann den Stuhldrang. Mitunter entleeren sich als Folge immer wieder kleine Stuhlmengen in die Unterhose. Für die betroffenen Kinder sehr unangenehm und peinlich zugleich. Keinesfalls sollten Eltern ihren Kindern deshalb Vorwürfe machen.
Aus all diesen Gründen muss das erste Ziel sein, den Stuhlgang rasch zu normalisieren, so dass Kinder wieder die Erfahrung machen können, dass das große Geschäft nicht mehr wehtut. So baut sich neues Vertrauen in die Funktion des eigenen Körpers an dieser Stelle auf, Wunden können abheilen, das Kind beginnt, sich zu entspannen.
Wer als Erwachsener schon häufiger für sich selbst eine Verstopfung in den Griff bekommen hat, der kann das bei wiederkehrenden, nicht zu lange andauernden Beschwerden in Eigenregie angehen. Leiden Kinder unter Verstopfung, ist jedoch stets der Arzt gefragt. Nur er kann abklären, ob hinter den Beschwerden eine schwerwiegende Erkrankung oder organische Fehlbildung steckt oder zum Beispiel eine angeborene Kuhmilcheiweißallergie. Schließt er das aus, schildert die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) das weitere Vorgehen wie folgt.
Bei Säuglingen und jungen Kleinkindern brauchen Po und After Pflege, um Entzündungen zu beseitigen. In aller Regel bekommt das Kind auch ein Medikament, um den Stuhl zu erweichen. Ab einem Alter von sechs Monaten kommt dazu meist ein Macrogol zum Einsatz. Auch dessen langfristige Anwendung bereitet keine Probleme.
Macrogol ist ein Polyether. Nach dem Auflösen des Pulvers oder eines Konzentrats in einer genau definierten Menge Wasser und dem Trinken, bindet Macrogol vorhandenes Wasser im Darm. Macrogol als Therapeutikum gibt es mit den mittleren Molekülmassen 3350 und 4000. Sowohl eine akute als auch eine chronische Obstipation lassen sich damit behandeln. Sie eignen sich teilweise bereits für Babys ab sechs Monaten. Macrogole gegen Verstopfung für Kinder unterliegen der Verschreibungspflicht, Erwachsene bekommen sie auch ohne Verordnung in der Apotheke. Die Präparate können zusätzlich Elektrolyte enthalten und aromatisiert sein.
Im Darm angekommen, bindet Macrogol Wasser, erweicht dadurch den Stuhl und vergrößert dessen Volumen. Der Darm arbeitet mehr und kann die weichere Masse leichter ausscheiden. In der Regel setzt die Wirkung nach zwei bis drei Tagen ein. Bauchschmerzen, Übelkeit, Blähungen oder Durchfall können als Nebenwirkungen auftreten, wobei ein etwas weicherer Stuhl zu Beginn von Vorteil sein kann, damit Kinder den Kot leicht absetzen können. Für einen längeren Gebrauch gehört die Dosierung so eingestellt, dass der Stuhl eine normale Konsistenz hat. Durchfälle können auf längere Sicht zu gefährlichen Elektrolytverschiebungen und Nährstoffmängeln führen. Damit das Medikament andere Medikamente nicht auswäscht und somit deren Wirksamkeit verringert, sollte der zeitliche Abstand zur Macrogol-Einnahme eine Stunde betragen.
Ebenso wichtig für einen langfristig normalen Stuhlgang ist laut DGKJ eine Ernährungsumstellung. Obst, verdünnte Säfte und Vollkornprodukte sorgen auf natürliche Weise für einen gut geformten Stuhl normaler Konsistenz. Bei Säuglingen kann eine Unverträglichkeit auf Kuhmilcheiweiß die Verstopfung verursachen, so die DGKJ. Bei diesem Verdacht hilft ein Auslassversuch weiter. Allergietests sind zu ungenau, um diese Ursache auszuschließen.
In akut-schlimmen Fällen von Verstopfung bringen Glycerinzäpfchen oder Mini-Klistiere schnelle Erleichterung. Allerdings dürfen Eltern diese Hilfsmittel nur dann anwenden, wenn sich das Kind nicht wehrt und wenn der Po des Kindes nicht akut entzündet ist.
Kindergarten- und Schulkindern kann man bereits in einfachen Worten erklären, was mit ihrer Verdauung nicht stimmt. Auch hier setzen Kinder- und Jugendärzte häufig zunächst auf Macrogol, um den Teufelskreis aus den-Stuhl-zurückhalten und Obstipation rasch zu durchbrechen. Weil der Drang zum großen Geschäft vor allem nach Hauptmahlzeiten entsteht, erinnern Eltern ihre Kinder am besten nach jedem großen Essen an den Toilettengang. Dabei sind Hilfsmittel außer Druck von Seiten der Eltern erlaubt: So sollte das Kind bequem auf der Toilette sitzen können, etwa mit Schemel oder Kindersitz, es darf währenddessen auch ein Buch anschauen. Zeitdruck hingegen schadet. Hilfreich sind lobende Worte nach einem erfolgreichen großen Geschäft, schreibt die DGKJ. Einläufe und Klistiere bringen meist keinen Erfolg. Im Gegenteil, die quälenden Prozeduren steigern die Ängste der Kinder und verschlimmern das Problem. Auch größere Kinder und Jugendliche sollten ballaststoffreich, mit Fruchtsaft (zum Beispiel einem Glas verdünntem Apfel- oder Birnensaft vor dem Frühstück) Obst und Rohkost ernährt werden. Ein absolutes Nein zur Schokolade – als stopfende Nahrung bekannt – muss nicht sein. Die Dosis macht auch hier das Gift.
Die DGKJ bringt es auf den Punkt: Kinder, die unter Verstopfung leiden, brauchen neben den genannten medizinischen Maßnahmen und der Ernährung vor allem das: Geduld und Verständnis ihrer Eltern. Denn bis eine Verstopfung wieder vergeht, kann es Monate dauern.