Mehr als Benzodiazepine |
Gerade Ältere leiden häufig unter einem gestörten Schlaf. Der Arzt kann in unterschiedlichen Wirkstoffklassen ein geeignetes Schlafmittel auswählen. / Foto: Adobe Stock/Monkey Business
Eigentlich empfiehlt die Leitlinie zu nicht erholsamen Schlaf und Schlafstörungen bei Erwachsenen zunächst die kognitive Verhaltenstherapie. Ist sie nicht durchführbar oder ausreichend wirksam oder besteht hoher Leidensdruck, verschaffen Schlafmittel schnell Linderung. Benzodiazepine sind die bekannteste Wirkstoffklasse und wirken als allosterische Agonisten des GABA-A-Rezeptors. Das bedeutet, dass sie die Wirkung des körpereigenen Neurotransmitters GABA verstärken und damit die zelluläre Erregbarkeit herabsetzen. Je nach Dosis wirken sie angstlösend, sedierend, muskelrelaxierend, unterbrechen einen Status epilepticus und werden sogar teilweise intravenös für Narkosen eingesetzt.
Die einzelnen Wirkstoffe werden in kurzwirksame, mittellang wirksame und langwirksame Benzodiazepine eingeteilt. Üblicherweise wählt der Arzt bei Schlafstörungen nur Präparate mit kurzer oder mittellanger Halbwertszeit, um einem Hangover am nächsten Tag vorzubeugen. Typische Beispiele sind Brotizolam (Lendormin®), Bromazepam oder Oxazepam (Adumbran®).
Etwas selektiver am GABA-A-Rezeptor binden die sogenannten Z-Substanzen wie Zopiclon und Zolpidem. Im Gegensatz zu den Benzodiazepinen wirken sie nicht angstlösend oder muskelrelaxierend, stören die Schlafarchitektur weniger und auch das Abhängigkeitsrisiko scheint geringer. Insgesamt haben sie damit ein günstigeres Nutzen-Risiko-Verhältnis. Dennoch sollte die Einnahmedauer vier Wochen besser nicht überschreiten. Durch seine kurze Halbwertszeit ist Zolpidem gut bei Einschlafstörungen geeignet. Frauen verstoffwechseln Zolpidem etwas langsamer und brauchen nur die halbe Dosis. Zopiclon ist hingegen länger wirksam und daher bei Durchschlafstörungen die bessere Wahl. Achtung: Da sowohl GABA als auch Benzodiazepine, Alkohol und Zopiclon an unterschiedlichen Domänen binden, verstärken sie sich gegenseitig (Vergiftungsgefahr!).
Bereits nach dreiwöchiger Einnahme sind eine Gewöhnung und bei Absetzen Entzugserscheinungen möglich. Ab zwei Wochen ununterbrochener Anwendung sollten Schlafmittel daher immer ausgeschlichen werden und Patienten auf eine Rebound-Insomnie hingewiesen werden, die durchaus mehrere Tage dauern kann. Eine Intervalltherapie kann die Suchtgefahr bei längerer Einnahme von Benzodiazepinen und Z-Substanzen reduzieren. Dabei machen Patienten beispielsweise nach ein bis zwei Wochen Einnahme eine zweiwöchige Pause oder etablieren von Anfang an drei einnahmefreie Tage pro Woche. Allerdings kann nach Ermessen des Arztes eine niedrigdosierte Dauerverordnung sinnvoll und nötig sein, um die Lebensqualität zu erhalten, insbesondere wenn ein Patient mit klarer Indikation stabil eingestellt ist. Doch auch Ältere profitieren von einem Entzug: Schätzungsweise 50 Prozent aller Stürze stehen bei älteren Menschen unter Einwirkung von Sedativa. Schuld daran ist neben der Müdigkeit vor allem der verminderte Muskeltonus sowie Koordinationsstörungen.