Mehr als eine Vitamin-C-Bombe |
Hagebutten sind die Früchte verschiedener Rosenarten. In der Küche werden meist die Früchte der Hundsrose und der Alpenrose verwendet. / © Adobe Stock/Iva
Die Geschichte der Hagebutte ist faszinierend und reicht weit in die Vergangenheit zurück: Schon in der Steinzeit sollen die Menschen die Hagebutte als wertvolle Nahrungsquelle genutzt haben. Die alten Griechen und Römer schätzten die Frucht als Mittel zur Stärkung der Abwehrkräfte. Hippokrates etwa schwor auf die stärkende und entzündungshemmende Wirkung der knallroten Früchtchen.
Im Mittelalter avancierte die Hagebutte in Klostergärten zur ausgewiesenen Heilpflanze: Nonnen und Mönche setzen sie aufgrund ihrer enthaltenen Nährstoffe als Naturheilmittel gegen Erkältungen und Verdauungsbeschwerden ein. Pfarrer Kneipp empfahl Hagebuttentee bei Blasen- und Nierenleiden. Auf langen Pilgerreisen soll die Hagebutte Erzählungen zufolge als Hauptzutat einer Art Energieriegel gedient haben. Auch Marmelade, Mus und sogar Wein wurden mit der Zeit aus der Hagebutte hergestellt.
Zum Star wurde die kleine Frucht während des Zweiten Weltkriegs in Großbritannien, da sie auch in Zeiten des schlechten Lebensmittelangebotes eine verlässliche Vitamin-C-Quelle ist. Hagebuttensirup wurde in großen Teilen der Bevölkerung fester Bestandteil der Ernährung. Heute kennen viele die Hagebutte nicht nur aus der Küche, sondern auch von kosmetischen Produkten. Ihr Öl wird aufgrund seiner hautpflegenden Eigenschaften geschätzt.
Durch ihre leuchtend rote Farbe entwickelte sich die Hagebutte zudem schon bald zum Symbol der Liebe und Leidenschaft. Ihre Kerne galten in der Volksmedizin als natürlicher »Nervenkitzel«, denn in der Frucht besitzt sie feine Härchen mit kleinen Widerhaken. So wurde sie als leichtes Abführmittel verwendet – mit dem scherzhaften Namen: Juckpulver. So manch ein Kind kennt auch heute diese Eigenschaft eines selbst hergestellten Juckpulvers für Kinderstreiche.
Die Hagebutte ist die Sammelnussfrucht verschiedener Wildrosenarten, aber auch einiger Gartenrosen. Verbreitet sind vor allem die Hundsrose (Rosa canina), Weinrose (Rosa rubiginosa), zunehmend auch die Kartoffelrose (Rosa rugosa, auch bekannt als Japanische Apfelrose). All diese Hagebutten-tragenden Sträucher sind als Hecken, an Wald- und Wegesrändern oder auch im Garten zu finden. Sie gedeihen auf fast allen Böden und lieben sonnige Standorte. Die Dornen der Rosensträucher erschweren die Ernte. Handschuhe sind empfehlenswert und ein wenig Vorsicht, um die Früchte nicht zu beschädigen.
Im September beginnt die Erntezeit der Hagebutten. Sie kann bis in den frühen Winter andauern. Die 1 bis 3 cm großen oval bis rundlichen Hagebuttenfrüchte leuchten je nach Sorte und Reifegrad orange- bis tiefrot. Sie sind ungiftig und essbar, wenngleich die kleinen, haarigen Nüsschen mit dem »Juckpulver« vor dem Verzehr entfernt werden sollten. Der fruchtig-süßliche Geschmack ist gepaart mit einer angenehmen Säurenote (Ascorbinsäure). Vollreife Früchte können auch leicht herb schmecken. Durch den ersten leichten Frost werden die Früchte etwas weicher und süßer, ihr Mikronährstoffgehalt kann aber etwas abnehmen.
Hagebutten können direkt frisch oder getrocknet verwendet und weiterverarbeitet werden: zum Beispiel zu Tee, Marmelade, Mus, Sirup, Direktsaft oder Pulver. Auch als Topping für Porridge oder Müsli eignen sich die getrockneten oder frischen Früchte. In Suppen, Saucen und Smoothies harmonieren sie ebenfalls mit anderen Zutaten.
Hagebutten zählen zu den vitaminreichsten heimischen Früchten – sie werden schon lange unterstützend bei der Behandlung von Infekten und zur Vorbeugung eingesetzt. Laut Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) sind sie sogar Spitzenreiter in Sachen Vitamin C. Bis zu stolze 1250 mg/100 g Frucht sind enthalten. Ein Esslöffel Hagebuttenpulver deckt den Tagesbedarf. Zum Vergleich: Die Zitrone enthält lediglich circa 50 mg/100 g. Vitamin C hat einen stark antioxidativen Effekt und fördert die Kollagenbildung im Körper (etwa in der Haut und in Gelenken).
Neben den Vitaminen B1, B2, E sowie den Mineralstoffen Magnesium, Zink, Kupfer ist vor allem das Provitamin A als Inhaltsstoff zu nennen. Die purpurroten Früchte sind mit 800 µg/100 mg ein hervorragender Lieferant. Das fettlösliche Vitamin A ist nicht nur wichtig für Haut und Schleimhäute, sondern auch für die Gesundheit der Augen und Sehkraft. Auch weitere Carotinoide wie Lycopin, Lutein und Zeaxanthin sind enthalten, welche ebenfalls die Abwehrkräfte und Augengesundheit stärken und antioxidative Eigenschaften haben. Wie auch viele andere Früchte liefern Hagebutten zusätzlich Ballaststoffe, darunter Pektine. Sie halten lange satt und fördern die Verdauung.
Die harntreibende Wirkung eines Tees aus den getrockneten Schalen der Hagebutte (engl.: rose-hip-tea) beruht auf dem speziellen Mikronährstoff-Cocktail. Dies kann dabei helfen, Wassereinlagerungen zu reduzieren oder auch als unterstützende Durchspültherapie bei Harnwegsinfekten. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Hagebutten positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben könnten. Es ist aber noch Forschung notwendig, um eventuelle blutdrucksenkende Eigenschaften zu belegen.
Ein Highlight unter den in der Hagebutte zahlreich vorhandenen sekundären Pflanzenstoffe sind die Galaktolipide. Sie haben eine entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung, die unter anderem im Rahmen einer Studie am Uniklinikum Freiburg im Breisgau untersucht wurde. Ein Forscherteam um Professor Sigrun Chrubasik konnte zeigen, dass die Hagebutte Entzündungsmediatoren und Botenstoffe der Knorpelzerstörung hemmt. Die Einnahme von Hagebuttenpulver kann den Knorpel schützen und Arthrose-bedingte Beschwerden lindern.
Bei den üblichen Dosierungen der roten Frucht treten nur selten Nebenwirkungen auf. Es kann zu allergischen Reaktionen kommen. Wer Magen-Darm-Beschwerden durch Hagebuttenprodukte bekommt, kann die Dosierung reduzieren. Bei empfindlichen Personen macht eine langsame Gewöhnung Sinn: etwa mit einem halben Teelöffel Hagebuttenpulver oder einem Teelöffel Hagebuttenschalen pro Tasse Tee starten.
Ein Hagebuttentee kann aus selbst gesammelten oder gekauften Hagebuttenschalen frisch aufgebrüht werden. Das bietet meist einen besseren Geschmack und einen höheren Gehalt an wertvollen Nährstoffen im Vergleich zu Teebeuteln. Die Kerne müssen nicht zwingend entfernt werden, wenn der Tee nach der Ziehzeit abgesiebt wird. Für eine Tasse Tee einen gehäuften Esslöffel getrocknete oder frische Hagebuttenfrüchte grob zerkleinern und entkernen. In einem Topf mit 250 ml kaltem Wasser ansetzen. Für ein intensives Aroma über Nacht ziehen lassen. Ansonsten direkt aufkochen und etwa 5 Minuten köcheln lassen, dann gut 10 Minuten ziehen lassen. Wer es etwas schneller haben möchte, übergießt die Schalen in der Tasse mit kochendem Wasser und lässt den Tee 15 Minuten ziehen.
Zubereitung: Hagebutten gründlich unter fließendem kaltem Wasser reinigen und mit einem scharfen Messer halbieren. Stiel und Blütenansatz entfernen, Kerne herausschaben und die Schalen auf Küchen- oder Backpapier oder einem Backblech auslegen. An einem gut belüfteten warmen Ort trocknen lassen und alle paar Tage wenden. Die vollständige Trocknung kann gut zwei Wochen dauern. Im Backofen bei 40 bis 50 °C geht es schneller (5 bis 8 Stunden), die Ofentür einen Spalt weit geöffnet lassen.
Wenn die Schalen abgekühlt sind, können sie im Mixer zu Pulver weiterverarbeitet werden. Ein Esslöffel Hagebuttenpulver kann dann täglich beispielsweise ins Müsli, in Smoothies oder Joghurt gegeben werden, als Tee getrunken oder in kaltem Wasser oder Fruchtschorle aufgelöst werden. Selbst herzhaften Gerichten kann man mit Hagebuttenpulver eine fruchtig-säuerliche Note verleihen.
Die getrockneten Schalen halten sich in einem luftdichten Behälter an einem kühlen, trockenen und dunklen Ort aufbewahrt mehrere Monate bis zu einem Jahr.