Mehr als nur ein Räucherharz |
Weihrauch ist das luftgetrocknete Gummiharz verschiedener Boswelliaarten. / © Getty Images/HansJoachim
Weihrauch, gewonnen aus dem Harz von Boswellia-Arten, wurde schon in der Antike für kultische Rituale, aber auch als Heilmittel geschätzt. Die alten Ägypter setzten ihn bei Mumifizierungen und als Räuchermittel ein. Seit dem ersten Jahrtausend ist er Bestandteil religiöser Bräuche in der römisch-katholischen und orthodoxen Kirche, oft in Mischung mit anderen Harzen wie Myrrhe. Beliebt ist er bis heute in der ayurvedischen und traditionellen chinesischen Medizin. Im Orient gilt er als Panacea bei diversen Alltagsbeschwerden. Das natürliche Heilmittel rückt zunehmend in den Fokus der modernen Wissenschaft, da in Studien antientzündliche, antioxidative und schmerzlindernde Eigenschaften gezeigt wurden und es sogar Hinweise auf eine Wirkung gegen Krebs gibt.
Für die Wirkungen verantwortlich ist das spezielle Gemisch an Inhaltsstoffen, insbesondere ätherischem Öl, Schleimstoffen und Harzen, unter denen Terpene, einschließlich der Boswelliasäuren, dominieren. Die Mengen der Inhaltsstoffe variieren je nach Art. Die Qualität und der Preis des Weihrauchs hängen von der Ernte ab. Die erste Ernte liefert kleine, dunkle Harztropfen, die früher als wertlos galten. Die späteren Ernten bringen größere, fast weiße Tropfen hervor, die bis zu 15-mal teurer sind und beim Räuchern einen intensiven Duft mit Zitronennote verströmen. Die hellste und reinste Variante gilt als die beste und ist zugleich die teuerste. Der indische Weihrauch wird im Europäischen Arzneibuch geführt, enthält definierte Mengen Boswelliasäuren und muss die vorgeschriebenen Reinheitskriterien erfüllen.
In Deutschland sind Präparate mit Weihrauch als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) auf dem Markt, des Weiteren gibt es homöopathische Zubereitungen mit Weihrauch. Weihrauchhaltige Fertigarzneimittel gibt es nicht, Weihrauchkapseln als Rezepturarzneimittel mit Extrakten aus Boswellia serrata kann die Apotheke jedoch auf individuellen Wunsch herstellen.
Beim Verkauf von Weihrauch als NEM unterliegt die Werbung den Vorgaben der Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006). NEM zählen zu den Lebensmitteln und haben nicht den Zweck, Krankheiten zu heilen oder zu behandeln. Gesundheitsbezogene Aussagen sind nicht zulässig, mit Ausnahme der wissenschaftlich durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) anerkannten und durch die Europäische Kommission zugelassenen Formulierungen zu spezifischen Wirkungen. Für den Weihrauch wurde ein Claim bezogen auf die Gelenkgesundheit beantragt, aktuell gibt es jedoch noch keine zugelassene gesundheitsbezogene Aussage für die Produkte.
Schmerzhafte Gelenke sind ein traditionelles Einsatzgebiet von Weihrauch in der ayurvedischen Medizin. Da Weihrauch weniger Nebenwirkungen als zum Beispiel nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) hat, wäre ein wirksames weihrauchhaltiges Mittel durchaus interessant. Allerdings ist die Wirksamkeit noch nicht ausreichend bewiesen, wenn es auch interessante Hinweise darauf gibt.
Die antientzündliche Aktivität führen Wissenschaftler hauptsächlich auf die Boswelliasäuren im Weihrauch zurück, die die 5-Lipoxygenase hemmen und damit die Produktion von Leukotrienen reduzieren. Das sind zentrale Entzündungsmediatoren bei entzündlichen Prozessen. In kleineren, placebokontrollierten klinischen Studien in Indien untersuchten Wissenschaftler die Wirkung von drei spezifischen indischen Weihrauch-Spezialextrakten. Als Ergebnis berichteten sie schmerzlindernde und funktionsverbessernde Effekte. Die Studien umfassten allerdings nur wenige Patienten und es waren teilweise Mitarbeiter der Herstellerfirmen beteiligt.
Weiterhin ist unklar, bei welchen Untergruppen von Patienten die Anwendung am vielversprechendsten ist. Für mehr Erkenntnisse sind daher weitere und größere Studien erforderlich. Auch bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gibt es Hinweise auf eine entzündungshemmende Wirkung von Weihrauch. Er soll Symptome verbessern, die Entzündungsaktivität reduzieren und die Remissionsdauer verlängern. In einer placebokontrollierten, doppelblinden Studie mit knapp 100 Patienten war ein Weihrauchpräparat dem Standardmedikament Mesalazin bei aktivem Morbus Crohn nicht unterlegen. Zudem wies der Naturstoff ein günstigeres Nutzen-Risiko-Profil auf, da er besser vertragen wurde. Daten zur optimalen Dosierung und Langzeitwirkung fehlen jedoch.
Asthmapatienten könnten möglicherweise ebenfalls von Weihrauch profitieren. In einer Studie reduzierte er Atemnot und Anfallshäufigkeit der Patienten und die Lungenfunktion verbesserte sich. Als Wirkmechanismus gibt es Hinweise auf eine reduzierte Entzündungsaktivität in den Atemwegen.
Die Wirkung von Weihrauch auf Krebszellen wurde vor allem in vorklinischen Studien untersucht. In Zellkulturen und Tierversuchen zeigten Boswelliasäuren eine zytotoxische Wirkung und führten zur Apoptose von Tumorzellen. Untersucht wurden verschiedene Tumorarten wie Gliome, Melanome sowie Prostata-, Darm- und Brustkrebs. Mit Krebspatienten gibt es jedoch nur wenige klinische Studien.
Die bisherige Forschung konzentriert sich vor allem auf die Anwendung als supportive Therapie und hier in erster Linie bei therapiebedingten Hirnödemen. Eine randomisierte Studie mit 44 Patienten deutete darauf hin, dass Boswellia-Extrakte Hirnödeme bei Hirntumorpatienten reduzieren könnten. Eine boswelliahaltige Creme zeigte in einer Studie positive Effekte bei Strahlenschäden der Haut, allerdings gab es methodische Einschränkungen.
Bei der Beratung zu Weihrauchpräparaten ist der Hinweis wichtig, dass die Ergebnisse in den vorliegenden Studien nicht mit den in Deutschland erhältlichen NEM durchgeführt worden sind. Die NEM unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung, sodass Aussagen über Dosierung und Wirksamkeit nicht ohne Weiteres übertragbar sind. Die Einnahme erfolgt meist in Kapselform, wobei es ratsam ist, auf standardisierte Präparate mit ausreichendem Boswelliasäure-Gehalt zu achten. Allerdings gibt es bei NEM keine Sicherheit, dass der deklarierte Gehalt auch tatsächlich enthalten ist. Es fehlen anders als bei Arzneimitteln zumeist die notwendigen Kontrollen.
Weihrauch gilt generell als gut verträglich. Leichte Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Verstopfung oder Durchfall sowie allergische Reaktionen nach Einnahme können auftreten. Bei topischer Anwendung von Pflegeprodukten mit Weihrauch kann die Haut gereizt reagieren. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind bislang nicht ausreichend erforscht, es gibt jedoch Hinweise auf Interaktionen mit Cytochrom-P450-Enzymen und P-Glykoprotein.
Kindern, Schwangeren und stillenden Frauen wird von der Anwendung abgeraten, da keine ausreichenden Daten zur Sicherheit vorliegen. Zu beachten ist, dass bei weihrauchhaltigen NEM Verunreinigungen etwa mit Schwermetallen wie Blei oder Pestiziden sowie Beimischungen anderer Stoffe nicht ausgeschlossen werden können. Die Reinheit der Produkte wird allenfalls stichprobenartig kontrolliert.
Weihrauch ist sicherlich mehr als nur ein traditionelles Räucherwerk. Es sind allerdings weitere klinische Studien notwendig, um seine Wirksamkeit etwa bei Gelenkbeschwerden zweifelsfrei zu belegen.