Mikroplastik schadet Mensch und Natur |
Als Mikroplastik werden feste, unlösliche Kunststoffteilchen im Größenbereich von 1000 nm bis 5 mm bezeichnet. / Foto: Adobe Stock/gradt
»Mikroplastik sind feste, unlösliche, partikuläre und nicht biologisch abbaubare Polymere im Größenbereich von weniger als 5 mm bis 1000 nm«, erklärt Janine Korduan, Referentin für Kreislaufwirtschaft vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Experten klassifizieren es nach ihrer Partikelgröße und unterscheiden primäres und sekundäres Mikroplastik.
Stellt die Industrie die kleinen Kunststoffpartikel gezielt her, ist von primärem Mikroplastik Typ A die Rede. Die Partikel werden weiterverarbeitet oder beispielsweise beim Sandstrahlen oder in Kosmetikprodukten wie Peelings verwendet. Korduan erklärt gegenüber PTA-Forum: »Typ B entsteht während der Nutzungsphase.« Dabei ist die größte Eintragsquelle mit schätzungsweise 100 000 Tonnen jährlich hierzulande der Abrieb von Autoreifen. Der Trend zu immer schwereren und größeren Autos wie SUVs verschärft das Problem. Doch auch synthetische Textilien aus Fleece oder Polyester geben bei jedem Waschgang Fasern und damit Mikroplastik in das Abwasser ab. Kläranlagen können diese nur unzureichend herausfiltern.
»Sekundäres Mikroplastik entsteht durch den Zerfall größerer Kunststoffteile im Verwitterungsprozess«, so Korduan. Plastikflaschen im Meer werden beispielsweise durch Wind, Wellen und Sonne über Jahre hinweg immer weiter zerkleinert und schließlich zu Mikroplastik zersetzt. Nanoplastik mit einer Partikelgröße unter 1 nm nimmt eine Sonderstellung ein, ebenso gelöste oder flüssige Kunststoffe. Für BUND zählen diese ebenfalls zu dem Begriff Mikroplastik, obwohl sie chemikalienrechtlich in einen anderen Status und damit Zuständigkeitsbereich fallen.
»Mikroplastik kommt mittlerweile überall vor«, berichtet Korduan. »An allen entlegenen Orten der Welt sowie in uns, wie etwa im Blut.« Italienische Forscher fanden Mikroplastik sogar in der menschlichen Plazenta. Wir atmen Mikroplastik als Feinstaub ein oder essen es durch Meeresfisch mit. Nanoplastikpartikel können auch von Nahrungsmittelpflanzen aufgenommen werden, zeigte jüngst eine neue Studie. Auch in Getränken in Plastikflaschen schwimmen Mikroplastikpartikel, die wir mittrinken.
An sich sind die Polymere inert. Das bedeutet jedoch nicht, dass von ihnen kein Risiko ausgeht. Denn je nach Größe können sie verschiedene biologische Barrieren überwinden. Eine fächerübergreifende Forschungsgruppe aus Marburg zeigte an Zellkulturen, dass Polystyrolpartikel in der Blutbahn eine Gefäßentzündung auslösen können: Durch das Mikroplastik hefteten sich vermehrt Immunzellen an der Gefäßwand an und setzten Entzündungsproteine frei.
Andere Wissenschaftler untersuchten rote Blutzellen. In ihrem Versuch blieben die Partikel mit einer Größe zwischen 1 bis 10 µm direkt an der Lipidmembran haften und dehnten sie erheblich. Diese Spannung destabilisiert die Membran selbst bei einer niedrigen Partikelkonzentration und verringert ihre Lebensdauer stark. Mikroplastik schädigt Zellmembranen also bereits rein physikalisch.
Neben Polymersorte und Partikelgröße entscheiden auch Partikelform, Oberflächenmorphologie sowie insbesondere die zugesetzten Additive über die toxikologischen Eigenschaften. »Je nach gewünschter Materialeigenschaft können über 10 000 Chemikalien zugesetzt werden«, erklärt Korduan. »Laut einer Studie, die im Jahr 2020 sehr aufwendig viele Plastik- und Bio-Plastikprodukte testete, enthielten drei Viertel davon Chemikalien, die auf Zellen toxisch wirken, sich in Organismen anreichern oder hormonähnliche Effekte hervorrufen.« Der häufig verwendete Weichmacher Bisphenol A wirkt beispielsweise estrogenartig. Obwohl er bereits 2018 von der EU als »besonders besorgniserregender Stoff« eingestuft wurde, wird er weiter eingesetzt oder durch ähnlich kritische Stoffe wie Bisphenol S/ F ersetzt. Über die beim Plastik verwendeten Additive gibt es keine Transparenz. Das ist auch im Hinblick auf das Recycling problematisch.
Zusätzlich adsorbiert Mikroplastik auf der Oberfläche Stoffe. Biologisch schwer abbaubare organische Schadstoffe wie Pestizide, das Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) oder polychlorierte Biphenyle (PCB) können sich dabei um ein Vielfaches anreichern. Ihre starke Bindung an Mikroplastik scheint zwar gleichzeitig ihre Bioverfügbarkeit deutlich herabzusetzen. Dennoch müssen weitere Untersuchungen zeigen, welche genaue Gesundheitsgefährdung von Mikroplastik und den adsorbierten oder zugesetzten Umweltchemikalien ausgeht.
»Mikroplastik emittiert aus vielen Plastikprodukten, die in der Umwelt sind«, fasst Korduan zusammen. Ist es erst einmal in der Umwelt, können wir es kaum zurückholen. Im Sinne des Vorsorgeprinzips muss daher dringend der Eintrag von Kunststoffen in die Natur sowie den menschlichen Körper reduziert werden. Die Politik ist angehalten, Verpackungsmüll beispielsweise durch das Angebot von Mehrweg-Behältern im To-go-Bereich zu reduzieren sowie das Recycling zu fördern. Bestimmte Wegwerf-Produkte wie Strohhalme aus Plastik sind seit diesem Jahr verboten. Durch eine Änderung des Verpackungsgesetzes dürfen seit Januar 2022 im Handel auch keine Plastiktüten mehr ausgegeben werden.
Um Mikroplastik in Kosmetika zu verringern, hat das Bundesministerium für Umwelt im Jahr 2015 mit deutschen Kosmetik-Herstellern im sogenannten »Kosmetik-Dialog« den freiwilligen Verzicht auf Mikroplastik mit abrasiver Wirkung bis zum Jahr 2020 vereinbart. Ein umfassendes Verbot wird gerade von der Europäischen Union vorbereitet. Es soll partikuläres Mikroplastik in den nächsten Jahren schrittweise aus Kosmetika, Putzmitteln, Düngern, Medikamenten sowie zur Einstreuung in Kunstrasenplätzen verbannen.
»Allerdings lobbyiert die Industrie für lange Übergangsfristen und der Prozess wird und wurde in der Vergangenheit hinausgezögert«, so Korduan. Sie kritisiert, dass der Gesetzgeber bisher wertvolle Zeit verspielt hat und die Bürger nicht schützt. Dies wäre beispielsweise durch nationale Verbote möglich, während die EU-Prozesse noch andauern. Unklar sei zudem, ob sich Forderungen der Zivilgesellschaft durchsetzen werden, also auch Nanoplastik und lösliches Mikroplastik zukünftig reguliert werden. Denn während die meisten Firmen mittlerweile freiwillig Schleifmittel in Peeling und Zahnpasta durch biologisch abbaubare Alternativen ersetzen, verwenden sie weiterhin gerne Polymere als Bindemittel oder Filmbildner in Kosmetika. Es gibt keine Deklarationspflicht. Verbraucher können also kaum herausfinden, in welcher Menge, Form oder Größe diese enthalten sind. Von Haft- bis Sonnencreme versteckt sich Mikroplastik dabei auch in Apothekenprodukten. Selbst namhafte Hersteller wie Avène, La Roche Posay, Eucerin, Caudalie, Dr. Grandel, Cetaphil, Bioderma, Nuxe, Ladival und viele mehr verzichten bisher nicht in allen Produkten darauf.
Fragen Kunden in der Apotheke gezielt nach mikroplastikfreien Produkten, muss das Kleingedruckte gründlich auf sämtliche Kunststoffe überprüft werden, beispielsweise Polyethylen, Polystyren und Polyacrylat sowie ihre Abkürzungen PE, PS und PA. Auch Polyethylenglykol mit seinen langen Molekülketten, wie zum Beispiel PEG-200, wird kritisch gesehen, da es aufgrund der Größe biologisch nur schwer abbaubar ist. Interessierten stellt BUND die kostenfreie App ToxFox zur Verfügung. Sie überprüft die Inhaltsstoffe bei einem Abscannen des Barcodes zusätzlich auf Mikroplastik und kann damit auch im Apothekenalltag helfen.
Letztlich ist jeder Einzelne gefragt, die eigene Gesundheit wie auch Umwelt durch bestmögliche Reduktion des Eintrags von Mikroplastik in die Umwelt zu schützen und Druck auf die Hersteller auszuüben. Weitere Ideen zur Verringerung des Mikroplastikeintrags in die Umwelt sind, auch mal das Auto stehen zu lassen, auf hochwertige Textilien aus Naturmaterialien zu setzen und bevorzugt unverpackte und plastikfreie Produkte zu kaufen.