Milchsäure fürs Milieu |
Eine ausgeglichene Vaginalmikrobiota mit vielen Laktobazillen sorgt für Wohlbefinden. Werden sie verdrängt, drohen Infektionen. / Foto: /Adobe StockLeonid Iastremskyi
Die Vagina ist dicht besiedelt, wobei hauptsächlich physiologische Laktobazillen die Mikrobiota bestimmen. Diese auch Döderlein-Bakterien genannten Mikroben sind es, die vor fakultativ pathogenen anderen Bakterien wie Streptokokken, Staphylokokken oder Mycoplasmen, seltener auch Pilzsporen, schützen. Das im estrogenisierten Vaginalepithel gebildete Glykogen wird zu Glucose und Maltose gespalten und stellt das wichtigste Substrat für diese Laktobakterien dar, die daraus Milchsäure bilden und den pH-Wert in den sauren Bereich sinken lassen.
Das erschwert pathogenen Keimen die Besiedelung. »Milchsäure verhindert das Überwuchern von anaeroben Bakterien, die zu bakteriellen Vaginosen und anderen Infektionen führen können«, bestätigte Professor Dr. Alexander Farr von der Klinik für Frauenheilkunde der Universität Wien bei einer digitalen Presseveranstaltung des Pharmaunternehmens Dr. Kade. Die bakterielle Vaginose sieht der Gynäkologe als Paradebeispiel für eine Dysbiose im Ökosystem der Vagina; sie sei die häufigste urogenitale Infektion der Frau. »Bei der bakteriellen Vaginose überwuchert vor allem Gardnerella vaginalis die vaginalen Epithelzellen und verdrängt die Laktobazillen. Der Erreger wirkt als Succinat-Lieferant und sorgt damit für die Vermehrung von Anaerobiern, die Amine produzieren, die wiederum die Schleimhaut reizen und für Ausfluss sorgen.«
Der starke Ausfluss sei denn auch das Leitsymptom. »Er ist gräulich, homogen, sehr nass und riecht unangenehm, zum Teil nach fauligem Fisch. Das kommt von den Aminen. Brennen und Juckreiz sind eher dezent ausgeprägt, dagegen haben einige Betroffene starke Unterbauchschmerzen oder arge Beschwerden beim Wasserlassen«, schilderte Farr das Beschwerdebild. Der pH-Wert in der Scheide ist erhöht, liegt über 4,5.
Hat sich das Gleichgewicht der Vaginalmikrobiota derart verschoben, ist eine antibiotische Behandlung obligat. Arzneistoffe der Wahl sind Clindamycin und Metronidazol, entweder vaginal oder oral. Die im vergangenen Jahr aktualisierte S2k-Leitlinie, die Farr federführend koordinierte, sieht nun erstmals auch vaginale Antiseptika wie Octenidin, Dequaliniumchlorid oder Povidon-Jod als Therapiealternativen vor. »Die Neuerung zielt darauf ab, im Sinne von Antibiotic Stewardship unnötige Antibiotikatherapien zu verhindern.«
Die bakterielle Dysbiose ist durch ihre hohe Rezidivrate nicht gerade eben leicht zu behandeln. »Das hat vor allem mit der Resistenz der Bakterienstämme zu tun. Viele Betroffene haben die Antibiotika bereits erhalten, die Bakterien sind dagegen einfach nicht mehr empfindlich. Sich bildende Biofilme sorgen zusätzlich für Resistenzen: Weil Gardnerella dicht an dicht in diesen metabolischen Koaggregationen am Vaginalepithel anhaftet, können die antibiotischen Substanzen nicht mehr wirken.«
Farr sieht in der Regeneration der Vaginalschleimhaut eine gute Behandlungsoption. »Wir haben gute Ergebnisse, dass die Gabe von Probiotika die Rezidivrate senkt. Nach einer antibiotischen Therapie – die ohnehin die Zahl der Laktobazillen reduziert und eventuell den Scheiden-pH-Wert anhebt – können Frauen ihr vaginales Ökosystem durch die Gabe von Milchsäure oder milchsäurebildenden Bakterien stärken.«
Zum kurzfristigen und raschen Aufbau der vaginalen Mikrobiota empfiehlt Farr die lokale Applikation (wie Kadeflora® Milchsäurekur, Vagisan® Probioflora Hartkapseln, Symbiovag® Lactat Vaginalzäpfchen). Was die Senkung der Rezidivrate betrifft, lägen dagegen langfristig oral eingenommene Probiotika vorne (wie Kadeflora Milchsäurebakterien mit Biotin, Symbiolact® Plus). »Dieser Effekt ist nicht unmittelbar und bringt eine gewisse zeitliche Latenz mit sich, da die Laktobazillen erst aus dem Darm in die umliegenden Organe migrieren müssen«, erklärte der Gynäkologe. Mit dem Stuhlgang ausgeschiedene Laktobazillen gelangten auch über den Damm zur vaginalen Schleimhaut. Eine Einnahme sei ohne Weiteres etwa für ein Vierteljahr möglich.
Eine dysbiotische Vaginalflora ist zudem mit einem erhöhten Risiko für rezidivierende Harnwegsinfektionen assoziiert. In der Prophylaxe sieht Apothekerin Andrea Wohlers eine weitere Indikation für die Gabe von Milchsäure-Präparaten. »Häufig ist ein gestörtes vaginales Milieu die Ursache, mit der Folge eines erhöhten pH-Wertes rund um den Harnröhreneingang. Durch die anatomische Nähe gelangen Bakterien wie Escherichia coli aus dem Analbereich in die Scheide. Bei einem erhöhten pH-Wert können diese sich leicht vermehren und bis in die Harnwege aufsteigen, wo sie dann Beschwerden verursachen.«
Viele Frauen berichten, dass sie während der Menstruation oder nach dem Geschlechtsverkehr häufiger unter einer Harnwegsinfektion leiden. »Da rate ich dann dazu, das Vaginalmilieu unmittelbar nach der Menstruation beziehungsweise nach dem Geschlechtsverkehr für zwei bis drei Tage mit Laktobazillen oder der Milchsäure anzusäuern, um die körpereigene Mikrobiota zu stärken und die Vermehrung der unerwünschten Bakterien zu stoppen.«
Die Unterstützung und Regeneration der Vaginalschleimhaut mit Laktobazillen ist auch eine Indikation für wechseljahresbedingte Scheidentrockenheit. Da das Vorhandensein der Laktobakterien estrogenabhängig ist, ist ihre Konzentration vor allen Dingen ab den Wechseljahren vermindert. Und das spürt frau: Scheidentrockenheit ist das klassische Symptom unzureichender Produktion von Vaginalsekret. Aufgrund der abfallenden Hormonwerte werden die Schleimhäute schlechter durchblutet und jucken, brennen oder es entsteht ein unangenehmer Druck. Vor allem beim Geschlechtsverkehr kann die Schleimhaut abschilfern, was Schmerzen verursacht. Im Klimakterium werden Scheide und Harnwege anfälliger für Entzündungen und Infektionskrankheiten.
Aufmerksam, offen und zugewandt: So gelingt es der PTA, der Kundin die Scheu zu neh men, über Intimprobleme zu sprechen. / Foto: Getty Images/ AlexanderFord
Den meisten Frauen ist es unangenehm, über Beschwerden im Intimbereich zu sprechen. Das macht die Beratung für die PTA zur Herausforderung. Apothekencoach Andrea Wohlers weiß, wie man den Kundinnen die Scheu nimmt.
»Ich versuche zunächst, der Kundin geschlossene Fragen zu stellen, die sie einfach mit Ja oder Nein beantworten kann. Das fällt oft leichter, als detailliert über die Beschwerden zu sprechen«, erklärt die Apothekerin aus Eberbach. Sie erkundige sich dann beispielsweise, ob die Beschwerden schon häufiger aufgetreten sind, ob eher Juckreiz oder Schmerzen bestehen oder ob bereits ein Arztbesuch erfolgt ist. Dabei merke man schnell, ob die Kundin eher zurückhaltend reagiert oder doch ausführlicher antwortet.
Ein geschickter Schachzug sei es, wenn die PTA die Wortwahl der Kundin aufgreift. »Wenn sie sich öffnet, versuche ich, ihre Worte zu übernehmen. Das schafft eine Beziehung und die Kundin fühlt sich wahrgenommen.« Auch die Bedeutung der Körpersprache sei nicht zu unterschätzen. »Signalisieren Sie auch körpersprachlich maximale Aufmerksamkeit – durch eine aufrechte Haltung, einen interessierten Blick und konzentriertes Zuhören.«