Mit Depression nahestehender Menschen umgehen |
Juliane Brüggen |
20.12.2023 08:00 Uhr |
Mit kleinen Aktivitäten wie Spaziergängen können Angehörige die Erkrankten unterstützen. / Foto: Getty Images/Westend61
»Eine Depression kann mehrere Monate anhalten oder auch ein Jahr und länger. Für die zur Seite stehenden Verwandten, die Partnerin, den Partner oder auch die Eltern kann das eine erhebliche Belastung sein«, sagt Andrea Jakob-Pannier, Psychologin bei der Barmer. So fühlten sich laut »Deutschland-Barometer Depression 2018« etwa 73 Prozent der Angehörigen schuldig und verantwortlich für die Erkrankung und die Genesung. Umso wichtiger also, die Mitbetroffenheit oder Überlastung früh zu erkennen.
Mögliche Anzeichen sind allgemeines Desinteresse oder weniger Freude an den Dingen des Alltags, Gefühle von Niedergeschlagenheit, Schwermut und Hoffnungslosigkeit sowie Schlafstörungen. Auch das übermäßige Bedürfnis, die erkrankte Person aus ihrer Situation zu befreien und zu kontrollieren, kann auf eine Überforderung hindeuten.
»Sowohl einige Partnerinnen und Partner als auch Eltern versetzt das Gefühl, für das Wohlbefinden des depressiven Angehörigen verantwortlich zu sein, in Dauerstress. Dies strengt permanent an, schadet der psychischen Gesundheit und kann zu eigenen depressiven Symptomen führen. Im schlimmsten Fall droht ein Teufelskreis zu entstehen, der die Beziehung stark belasten kann«, erklärt Jakob-Pannier. So gab etwa die Hälfte der Befragten in einer Umfrage der Deutschen Depressionshilfe an, durch eine Depression Probleme in der Partnerschaft bekommen zu haben. Bei knapp einem Viertel führte sie zur Trennung.
Einen ausführlichen Ratgeber für Angehörige gibt es unter www.patienteninformation.de.
Bei Zeichen einer Überlastung sollten sich die Angehörigen professionelle Hilfe suchen, um den richtigen Umgang mit der Situation zu finden. Ein Depressions-Selbsttest – zum Beispiel bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – kann helfen, den eigenen Zustand einzuschätzen. Erste Anlaufstellen sind die Telefonseelsorge (0800 1110111), die Nummer gegen Kummer für Eltern (0800 1110550) sowie für Kinder und Jugendliche (116 111) und der Terminservice der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (116 117), der ein psychotherapeutisches Erstgespräch vermitteln kann.
Laut Jakob-Pannier ist es außerdem sinnvoll, sich mit der Erkrankung auseinanderzusetzen: »Das Krankheitsbild einer Depression zu verstehen, verringert die Gefahr von Missverständnissen und beiderseitig verletzten Gefühlen. Und auch wenn es schwerfällt, hilft es sehr, sich in Geduld mit der Partnerin, dem Partner oder dem Kind zu üben. Eine Depression verschwindet nicht von einem Tag auf den anderen, sondern in Trippelschritten. Hier ist Durchhaltevermögen gefragt.«
Unterstützung und Trost erhalten Angehörige auch in Selbsthilfegruppen, zum Beispiel zu finden über den Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen oder unter www.nakos.de. Digital vernetzen können sich Betroffene und Angehörige unter diskussionsforum-depression.de. Ein spezielles Angebot für junge Menschen zwischen 14 und 25 Jahren gibt es unter fideo.de.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie nicht mehr weiterleben möchten oder denken Sie daran, Ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen? Reden hilft und entlastet. Die Telefonseelsorge hat langjährige Erfahrung in der Beratung von Menschen in suizidalen Krisen und bietet Ihnen Hilfe und Beratung rund um die Uhr am Telefon (kostenfrei) sowie online per E-Mail und Chat an. Rufen Sie an unter den Telefonnummern 0800 1110111 und 0800 1110222 oder melden Sie sich unter www.telefonseelsorge.de. Die Beratung erfolgt anonym.