Möglicher Grund für Long Covid gefunden |
Eine akute Infektion kann einen Eisenmangel auslösen. Erholt sich der Körper davon nicht schnell wieder, sind postinfektiöse Syndrome eine mögliche Folge. / Foto: Adobe Stock/StockPhotoPro
Warum manche Menschen nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion Long-Covid-Symptome entwickeln und andere nicht, ist nach wie vor unklar. Im Fachjournal »Nature Immunology« präsentiert jetzt eine Gruppe um Dr. Aimee Hanson von der University of Cambridge in Großbritannien eine anhaltende Störung des Eisenstoffwechsels als mögliche Erklärung. Diese Erkenntnis leiten die Forschenden aus Untersuchungsergebnissen in einer Kohorte von 214 Personen ab, die sich bereits früh im Verlauf der Coronapandemie mit SARS-CoV-2 infiziert hatten und von denen während der Infektion und danach noch ein Jahr lang regelmäßig Blutproben genommen worden waren.
Im Verlauf entwickelte fast die Hälfte der Probanden (45 Prozent) Long Covid – Symptome wie Atemprobleme, Fatigue oder Muskelschwäche, die noch drei bis zehn Monate nach der akuten Infektion anhielten. Mit dem Wissen, bei welchen Patienten es später zu Long Covid gekommen war und bei welchen nicht, waren die Forschenden in der Lage, in den Blutproben der Probanden sowohl aus der Akutphase der Infektion als auch aus der Zeit danach nach Auffälligkeiten zu suchen.
Es stellte sich heraus, dass eine anhaltende Entzündung und niedrige Eisenwerte im Blut, die sich zwei Wochen nach der akuten Erkrankung noch nicht erholt hatten, diejenigen Patienten auszeichneten, die später an Long Covid litten. Die Störung des Eisenstoffwechsels war unabhängig vom Alter und Geschlecht des Patienten sowie der Schwere der akuten Erkrankung ein Prädiktor für Long Covid. Auch Personen mit einem milden Covid-19-Verlauf hatten also ein erhöhtes Long-Covid-Risiko, wenn ihr Eisenstoffwechsel in der Akutphase anhaltend gestört war. Ging die Entzündung nach der SARS-CoV-2-Infektion schnell wieder zurück und stiegen die Eisenwerte rasch wieder an, war das hingegen mit einem niedrigen Long-Covid-Risiko assoziiert.
Entzündungen und Infektionen führten häufig zu einer Eisendysregulation, erklärt Seniorautor Professor Dr. Hal Drakesmith von der University of Oxford in einer begleitenden Pressemitteilung. »Auf eine Infektion reagiert der Körper, indem er Eisen aus dem Blut entfernt. Das schützt uns davor, dass Bakterien das Eisen aus dem Blut abfangen und dadurch schnell wachsen, was lebensbedrohlich sein kann.« Das Blutplasma werde durch diese evolutionär verankerte Umverteilung zu einer »Eisenwüste«.
Halte dieser Zustand über einen längeren Zeitraum an, stehe allerdings zu wenig Eisen für die roten und weißen Blutkörperchen zur Verfügung, sodass der Sauerstofftransport und das Immunsystem weniger effizient funktionierten. »Der Schutzmechanismus wird dann zu einem Problem«, verdeutlicht Drakesmith.
Aus Sicht der Forschenden könnten diese Mechanismen Symptome wie anhaltende Fatigue und fehlende Belastungsfähigkeit bei Patienten mit Long Covid, aber auch mit verschiedenen anderen postviralen Syndromen erklären. Um dem vorzubeugen, müsse die Störung des Eisenstoffwechsels wahrscheinlich bereits früh in der Akutphase der Infektion behoben werden. Hierzu müsse bevorzugt die Entzündung gestoppt werden, bevor sie den Eisenstoffwechsel negativ beeinflusst.
Ein anderer Ansatz könnte eine Eisensupplementation sein, doch diese könnte auch wirkungslos bleiben, wie Hanson ausführt: »Diese Personen haben nicht zwangsläufig einen Eisenmangel, das Eisen ist einfach am falschen Ort gefangen.« Statt einer externen Zufuhr brauche es ein Verfahren, mit dem das Eisen im Körper mobilisiert und wieder ins Blut zurückgeholt werden könne, wo es für die roten Blutkörperchen nutzbar sei.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.