Morbus Parkinson – das Einmaleins der Therapie |
Noch weiß man nicht im Detail, warum und wie Morbus Parkinson entsteht. / Foto: Adobe Stock/Kateryna_Kon
Morbus Parkinson tritt eher in höheren Lebensjahren, bei Menschen jenseits des 50. Lebensjahres auf, nur sehr selten wird die Erstdiagnose vor dem 40. Lebensjahr gestellt. Ist die Ursache der Erkrankung nicht bekannt – wie in den meisten Fällen – , sprechen Mediziner vom idiopathischen Parkinson Syndrom (IPS). Diese Parkinsonform muss von sekundären Parkinsonkrankheiten abgegrenzt werden, die zum Beispiel durch Hirnschädigungen oder Medikamente ausgelöst werden. Beim IPS spielt die genetische Disposition eher eine untergeordnete Rolle, während wohl Lebensstil und äußere Faktoren die Krankheitsentstehung begünstigen sollen.
Bei der Ursachenerforschung der Erkrankung steht immer wieder das Protein Alpha-Synuclein in der Diskussion. Alpha-Synuclein ist ein normaler Bestandteil von Nervenzellen. Es kommt vor allem in den Synapsen vor, wo es an der Ausschüttung von Neurotransmittern beteiligt sein soll. Alpha-Synuclein ist auch der Hauptbestandteil der Lewy-Körperchen. Ablagerungen von krankhaft aggregiertem Alpha-Synuclein treten bei Morbus Parkinson, der Lewy-Körperchen-Demenz und anderen neurodegenerativen Erkrankungen auf. Nach einer derzeit von einigen Hirnforschern favorisierten Hypothese sind die Ablagerungen von fehlerhaftem Alpha-Synuclein in den Lewy-Körperchen für das Absterben von Hirnzellen verantwortlich. Interessant ist, dass viele Parkinsonpatienten in der Frühphase der Erkrankung über Riechstörungen und Schlafstörungen klagen. Letztere gehen auf Störungen in den REM-Phasen zurück. Die beteiligten Nervenbahnen für den Geruchssinn haben direkte Verbindungen zu Hirnzentren für die Verarbeitung von Emotionen, die als besonders anfällig für degenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson gelten. Es gibt sogar Experten, die den Beginn dieser Erkrankungen in den Nerven der Riechbahnen vermuten.
Warum durch die pathophysiologischen Prozesse als Grundlage des Morbus Parkinson ausgerechnet dopaminerge Zellen in der Substantia Nigra im Gehirn untergehen, ist noch nicht bekannt. Die Folgen jedoch schon: Es entwickelt sich ein Mangel des Neurotransmitters Dopamin, der für die typischen Symptome des Morbus Parkinson verantwortlich ist. Erst wenn mehr als 60 Prozent der dopaminergen Zellen zerstört sind, treten die typischen fortschreitenden Beschwerden bei den Patienten auf. Zu Beginn der degenerativen Prozesse sind bereits auch Areale des limbischen Systems betroffen, es reguliert die Emotionen. Diese Veränderungen können die Frühsymptome der affektiven Störungen in Form von Depressionen hervorrufen. In diesem frühen Stadium der Erkrankung lassen sich die Symptome allerdings von einer echten Depression als eigenständige Krankheit nur schwer abgrenzen.
Es gibt mehrere Nervenbahnen, bei denen Dopamin der entscheidende Botenstoff ist. Die nigrostriatale Bahn ist eine von ihnen und übernimmt eine wichtige Rolle bei der Planung und Ausführung motorischer Funktionen des Körpers. Die Neurotransmitter Glutamat, Dopamin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA) sind für die Umsetzung willentlich gesteuerter Bewegungen notwendig. Glutamat hat eher erregende Effekte, während Dopamin und GABA eher hemmend wirken. Bei Parkinsonpatienten gibt es aufgrund des Dopaminmangels ein Ungleichgewicht der Botenstoffe, das zu den für Parkinson typischen Bewegungsstörungen führt.
Ein Parkinsonpatient ist leicht an seinen verlangsamten Bewegungsabläufen zu erkennen. Es ist so, als müsse der Betroffene immer erst eine Hemmschwelle überwinden, bis er zu sprechen oder zu gehen beginnt. Charakteristisch sind auch die verminderte Mimik, das maskenhaft erstarrte
Gesicht und der kleinschrittige schlurfende Gang. Diese Symptome werden unter dem Begriff Akinese zusammengefasst. Weitere Leitsymptome sind Rigor (Versteifung der Muskulatur, erhöhter Muskeltonus und das Gefühl von »Gebundenheit«) und Tremor, hier zunächst ein einseitiges Zittern besonders der Hände, die sich unter Stress und Ruhe verstärken können. Dazu klagen Patienten über gestörte Gang- und Standreflexe. Im Verlauf der Krankheit verstärken sich diese Beschwerden und werden häufig von psychischen Veränderungen wie depressiver Verstimmung und Kognitionseinschränkungen begleitet. Belastend sind unter Progression der degenerativen Prozesse auch vegetative Einschränkungen, zum Beispiel Inkontinenz, vermehrter Speichelfluss, Obstipation, sexuelle Funktionsstörungen und die seborrhoische Gesichtshaut.
Morbus Parkinson ist bislang nicht heilbar. Die therapeutischen Maßnahmen können aber dennoch enorm dazu beitragen, die Beweglichkeit zu verbessern und die motorischen Körperfunktionen so lange wie möglich zu erhalten. Neben der medikamentösen Therapie sind physio-, psychotherapeutische Maßnahmen und Logopädie zu empfehlen. Die Pharmakotherapie hat zum Ziel, den Dopaminmangel auszugleichen und das Ungleichgewicht zwischen Dopamin und Glutamat zu reduzieren. Hierzu eignen sich drei Wirkstoffklassen: Levodopa/Decarboxylasehemmer /eventuell mit COMT-Hemmer, Dopaminagonisten, die die Wirkung von Dopamin imitieren, und MAO-Hemmer, die den Abbau von Dopamin blockieren. Weil Dopamin selbst nicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann, wird das Prodrug Levodopa verabreicht. Levodopa kann jedoch nach Einnahme auch bereits in der Peripherie von der Dopa-Decarboxylase zu Dopamin abgebaut werden und dort Nebenwirkungen wie orthostatische Blutdruckschwankungen und gastrointestinale Beschwerden in Form von Übelkeit und Durchfällen hervorrufen. Um die Nebenwirkungen möglichst gering zu halten und sicherzustellen, dass möglichst viel Levodopa ins Gehirn gelangt, erfolgt immer die fixe Kombination (4:1) mit einem Dopa-Decarboxylasehemmer Benserazid oder Carbidopa. Beide sind gleichwertig einzuordnen. Die Dosierung sollte zur Verbesserung der Verträglichkeit eingeschlichen werden. Die Einnahme sollte möglichst mit etwas Abstand zum Essen, am besten eine halbe Stunde vor oder eine Stunde nach der Mahlzeit erfolgen, da Levodopa mit den Nahrungsmittelproteinen um Transporter zur Überwindung der Blut-Hirnschranke konkurriert.
Die Gabe der Dopamin-Vorstufe Levodopa kommt bereits bei der Diagnostik bei Verdacht auf Morbus Parkinson zum Einsatz. Bessern sich die motorischen Beschwerden des Patienten sofort rasch spürbar und setzen nach Abklingen der Wirkung wieder ein, ist dies für den Behandler ein starkes Indiz für die Erkrankung Parkinson. So einfach es sich anhört, den Mangel durch Substitution auszugleichen, so schwierig ist in der Umsetzung jedoch die Feinjustierung der Dosis. Zu hohe Konzentrationen führen zu Dyskinesien, übermäßige Bewegungen bis hin zu Halluzinationen, zu niedrige Konzentrationen rufen Bewegungsarmut und Bewegungsunfähigkeit hervor.
Die zum Start der Behandlung so hervorragende Wirkung von Levodopa ist jedoch im Rahmen der Therapie limitiert. Etwa drei bis fünf Jahre erleben die Patienten eine deutliche Besserung der Beschwerden, man spricht auch von einer Honeymoon-Phase. Dann sinkt die Wirkdauer und die Phasen von Bewegungsunfähigkeit und Überbeweglichkeit wechseln rasch. Diese Fluktuationen deuten auf Über- und Unterschreiten des therapeutischen Bereichs hin. Die richtige Dosierung und Einnahmefrequenz zu finden, ist schwierig. Patienten müssen oftmals vier bis fünfmal pro Tag eine Levodopa-Dosis einnehmen, um nicht in die off-Phasen zur rutschen. Lösliche Darreichungsformen helfen, wenn das Schlucken schwierig wird und die Patienten einen raschen Wirkungseintritt benötigen. Retardierte Formulierungen eignen sich in Form einer abendlichen Einnahme für diejenigen, die morgens unter Bewegungseinschränkungen leiden.
Vor einigen Jahren noch schoben Ärzte den Therapiebeginn mit Levodopa bei jüngeren Patienten auf. Ein Alter über 70 Jahre galt als Grenze. Jüngere Menschen wurden zunächst mit Dopaminagonisten behandelt und das vermeintlich erfolgreichere Levodopa wurde für spätere Stadien der Erkrankung »aufgespart«. Heute wird individuell nach Risikofaktoren und Krankheitsverlauf entschieden, welche Therapie zum Einsatz kommt. Dennoch sind Dopaminagonisten bei leichten beginnenden Symptomen und einem Lebensalter unter 60 Jahren meist die erste Wahl. Die Wirkung der wichtigsten Vertretern Ropinirol, Rotigotin und Pramipexol beruht auf der Stimulation von D2-Rezeptoren. Vorteilhaft gegenüber Levodopa ist die gleichmäßige Kinetik, die die Therapieeinstellung vereinfacht. Außerdem gibt es retardierte Darreichungsformen, die die einmal tägliche Gabe ermöglichen. Rotigotin steht auch als transdermales System zur Verfügung. Bei Neuverordnung der Dopaminagonisten wird mit einer niedrigen Dosierung begonnen, die langsam erhöht wird. Mögliche Nebenwirkungen sind Übelkeit, Schlafstörungen in der Nacht, Tageschläfrigkeit und Impulskontrollstörungen. Patienten sollten zu Therapiebeginn auf die eingeschränkte Reaktionsfähigkeit beim Bedienen von Maschinen hingewiesen werden. Dopaminagonisten können in der Monotherapie aber auch als Basistherapeutika zusammen mit Levodopa eingesetzt werden.
MAO-B-Hemmer wie Selegilin, Safinamid oder Rasagilin sind ebenfalls eine gute Wahl zum Behandlungsbeginn bei leichten Beschwerden. Diskutiert werden unter Rasagilin leichte neuroprotektive Wirkungen. MAO-B-Hemmer können mit oder ohne Levodopa verordnet werden. Sie erhöhen die Konzentration an Dopamin über Hemmung des Abbaus. Die allgemeine Verträglichkeit ist gut, nicht kombiniert werden sollten sie mit mehreren serotonergen Arzneistoffen, zum Beispiel SSRI, Fentanyl oder Tramadol wegen der Gefahr des Serotoninsyndroms. Safinamid hat eine duale Wirkung, weil es zusätzlich noch die übermäßige Glutamatwirkung günstig beeinflusst.
Amantadin und Budipin sind Glutamatantagonisten, die das Gleichgewicht zwischen dopaminerger Hemmung und der Stimulation durch den Gegenspieler Glutamat verbessern. Sie sind schwächer wirksam als Levodopa und werden deshalb im Frühstadium oder in Kombination eingesetzt. Amantadin kann auch infundiert werden und hilft zur Überbrückung, wenn Levodopa zum Beispiel während einer Operation nicht gegeben werden kann. Amantadin sollte bei geriatrischen Patienten mit Demenz aufgrund seiner ausgeprägten anticholinergen Effekte vermieden werden. Anticholinergika wie Metixen und Procyclidin sorgen dafür, dass Tremor und Speichelfluss reduziert werden. Bei älteren Patienten ist auf mögliche anticholinerge Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen zu achten und einschleichend zu therapieren.
Parkinsonpatienten sollten nicht nur auf die Pharmakotherapie setzen. Die Behandlungskonzepte umfassen insbesondere auch Maßnahmen zur Verbesserung der Motorik, Beweglichkeit und des Sprechens. So sollten auch die PTA die Patienten zur regelmäßigen körperlichen Bewegung ermuntern. Schon ein täglicher Spaziergang ist hilfreich. Professionelle Physiotherapie hilft gegen die Muskelschmerzen, ausgelöst durch die Versteifungen unter der Erkrankung. Gleichgewichtstraining ist wirksam und wichtig, um das Sturzrisiko zu mindern. In diesem Zusammenhang sollten auch Gehhilfen angeboten werden, besonders bei den Patienten mit bereits fortgeschrittener Erkrankung. Einschränkungen der Motorik betreffen irgendwann auch das Sprechen, die Sprache wird verschwaschen und undeutlich. Hier ist Logopädie sinnvoll, um die Muskulatur des Mundes und die Stimmbänder zu trainieren.
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Bei Neuverordnung sollte auf das langsame Einschleichen des Arzneistoffs und den jeweiligen Wirkungseintritt aufmerksam gemacht werden. Levodopa-haltige Arzneimittel wirken sofort, während Dopaminagonisten oder MAO-B-Hemmer einige Wochen benötigen, um deutliche Verbesserungen der Beschwerden zu erreichen. Auf mögliche Nebenwirkungen wie Tagesmüdigkeit und gastrointestinale Beschwerden sollte hingewiesen werden. Viele Parkinsonpatienten müssen in der Langzeittherapie komplexe Medikationsregime umsetzen. Hierbei helfen Dossetten, Pillenwecker und aktualisierte Medikationspläne. Abrupte Dosisänderungen oder das Absetzen der Parkinsonmedikamente darf ohne ärztliche Begleitung nicht stattfinden, dann drohen Komplikationen, wie eine akinetische Krise, in der die Patienten plötzlich bewegungslos sind.
Wichtig ist es, auch die Angehörigen zu informieren. Sie müssen in der Langzeittherapie viel Unterstützungshilfe leisten. Hier können auch Selbsthilfegruppen, zum Beispiel von der Parkinsonvereinigung helfen. /
Symptom | Maßnahmen |
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Schlafstörungen | Schlafhygiene, pflanzliche Sedativa, cave: kein Johanniskraut! |
Demenz | Rivastigmin (einziges zugelassenes Antidementivum bei Morbus Parkinson) |
Obstipation | Laxanzien, zum Beispiel Macrogole, Bisacodyl |
Inkontinenz | Inkontinenzberatung, Anticholinergika |
Seborrhö | Puder, Reinigungstücher |
Kopfschuppen | Shampoo mit Salicylsäure, Harnstoff, Ketoconazol |
Depression | SSRI, SSNRI, Mirtazapin, cave: kein Johanniskraut Interaktionspotenzial |