MRT statt Biopsie bei Verdacht auf Prostatakrebs |
Katja Egermeier |
19.12.2024 10:00 Uhr |
Den Ergebnissen der Charité-Studie zufolge könnten Männer zur Abklärung eines Prostatakrebsverdachts häufiger »in die Röhre geschoben« werden. Eine Biopsie bliebe dadurch vielen erspart. / © Adobe Stock/Peakstock
In Deutschland erhalten jährlich etwa 65.200 Männer die Diagnose Prostatakrebs. Der wichtigste Risikofaktor dafür ist das Alter, weshalb Männer ab 45 Jahren regelmäßig Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch nehmen sollten. Das kann neben der Tastuntersuchung der Prostata auch durch einen Bluttest erfolgen. Bei dem sogenannten PSA-Test wird der Wert des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Blut bestimmt, das sich als Tumormarker eignet.
Das Problem dabei: Der PSA-Test weist eine sehr hohe Sensibilität auf und detektiert selbst kleine Tumoren, die (noch) keinen Krankheitswert haben. Ein auffälliger Wert bedeutet zudem nicht zwangsläufig Krebs, da auch andere Faktoren den PSA-Wert erhöhen können. Mögliche Ursachen sind unter anderem Entzündungen oder eine gutartige Vergrößerung der Prostata, Harnwegsinfektionen, Druck auf die Prostata durch Fahrradfahren oder eine kürzlich erfolgte Tastuntersuchung oder Samenerguss.
Liegt der PSA-Wert auch nach einer zweiten Messung über 4 ng/ml oder steigt er im Laufe mehrerer Messungen deutlich an, raten Ärzte in Deutschland in der Regel zu einer Gewebeentnahme. Dabei werden mit einer kleinen Hohlnadel zehn bis zwölf Gewebeproben über die gesamte Prostata verteilt entnommen und analysiert.
Die Charité Berlin ist nun zu dem Schluss gekommen, dass Männern mit auffälligem PSA-Wert eine Biopsie erspart bleiben und stattdessen eine MRT-gestützte Strategie in Betracht gezogen werden könnte. Denn eine Stanzbiopsie beinhalte ein gewisses Infektionsrisiko und könne unangenehme Begleiterscheinungen in den Folgetagen haben, so die Charité. »Wir wollten deshalb herausfinden, ob man bei Männern, deren MRT-Aufnahmen unauffällig sind, zunächst abwarten und beobachten kann, anstatt gleich eine Biopsie zu machen«, erklärt Dr. Charlie Hamm, Erstautor der Publikation und Arzt an der Klinik für Radiologie an der Charité.
Für die Studie, die aktuell im Fachblatt »Jama Oncology« erschienen ist, hat das Team bei etwa 600 Männern mit Verdacht auf Prostatakrebs ein sogenanntes multiparametrisches MRT (mpMRT), auch MR-Prostatographie genannt, durchgeführt. Dabei wurden gewebespezifische Parameter wie die Signalintensität des Prostatagewebes, die Durchblutung und die Diffusion von Wassermolekülen im Gewebe kombiniert und von erfahrenen Radiologinnen und Radiologen ausgewertet. Bei verdächtigen Veränderungen der Prostata wurden Gewebeproben genommen, alle anderen unterzogen sich stattdessen drei Jahre lang regelmäßigen urologischen Kontrollen.
Nach acht Jahren kamen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass sich Patienten bei diesem Vorgehen für mindestens drei Jahre keinem erhöhten Krebsrisiko aussetzten. Ein unauffälliger MRT-Befund mit anschließenden urologischen Kontrollen habe sich als ausreichend verlässlich herausgestellt, heißt es. Zu 96 Prozent könnten Männer in diesen drei Jahren davon ausgehen, dass sie nicht an aggressivem Prostatakrebs erkranken. Ein unauffälliger MRT-Befund biete zwar keine hundertprozentige Sicherheit, aber bei regelmäßiger Kontrolle entdecke man einen möglichen Krebs früh genug, erklärt Hamm. Viele Männer könnten sich die unangenehme Gewebeprobe also zunächst ersparen und müssten sich trotzdem keine Sorgen machen, dass ein Krebs übersehen wird.
»Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer personalisierten Prostatakrebsversorgung«, sagt Hamm. Durch den effektiveren Einsatz der Magnetresonanztomografie könne sichergestellt werden, dass Männer die richtigen Untersuchungen und Behandlungen zum richtigen Zeitpunkt erhalten. Ärztinnen und Ärzte könnten Patienten dadurch bei der Entscheidung unterstützen, wann eine Biopsie wirklich nötig ist. Zwei Aspekte seien allerdings entscheidend: Die MRT-Aufnahmen müssten von erfahrenen Fachleuten durchgeführt und analysiert werden. Zudem müsse ein Sicherheitsnetz für die Männer geschaffen werden, die zunächst keine Biopsie erhalten.