Multitasking macht Stress |
Juliane Brüggen |
25.08.2023 13:00 Uhr |
Oft wollen wir alles auf einmal machen – das kann jedoch Stress verursachen, der langfristig gesundheitliche Folgen haben kann. / Foto: Getty Images/Westend61
Ping – das Handy piept und schon ist die Aufgabe, die wir eigentlich konzentriert erledigen wollen, vergessen: Erst einmal schauen, wer geschrieben hat und ob zu antworten ist. Was diese ständigen Ablenkungen und unsere Tendenz zum Multitasking mit uns machen, hat eine Forschergruppe der Universitäten Erlangen-Nürnberg, München und Bonn untersucht – insbesondere mit Blick auf digitale Komponenten. 186 gesunden Personen (mittleres Alter 23 ± 4 Jahre, circa 75 Prozent weiblich) wurden zufällig in sechs Gruppen aufgeteilt, die unterschiedlichen Dual- und Multitasking-Situationen ausgesetzt waren:
Außerdem gab es eine passive Kontrollgruppe, die ein Video anschaute, und eine aktive Kontrollgruppe, die eine digital zu lösende Aufgabe erhielt (Single-Task).
Zu verschiedenen Zeitpunkten – zum Beispiel vor, während und nach der Aufgabe – wurden Biomarker bestimmt, die mit Stressreaktionen einhergehen: Alpha-Amylase (sAA), Cortisol und sekretorisches Immunglobulin A (sIgA) im Speichel sowie C-reaktives Protein (C-RP) aus dem Blut. Zusätzlich wurden die Teilnehmenden befragt, wie es um das selbst empfundene Stresslevel und weitere Parameter wie Müdigkeit steht.
Es zeigte sich, dass das Alpha-Amylase-Level – also der Marker für die Aktivierung des sympathischen Nervensystems – in den Gruppen mit Arbeitsunterbrechungen, parallelem Dual-Tasking und Multitasking während der Aufgabensituation anstieg und/oder danach abfiel. Analog verlief das selbst wahrgenommene Stresslevel der Teilnehmenden bei parallelem Dual-Tasking und Multitasking. In der aktiven und passiven Kontrollgruppe zeigten sich hingegen keine Veränderungen. In keiner der Gruppen waren signifikante Effekte auf die Biomarker Cortisol, sekretorisches Immunglobulin A und C-reaktives Protein zu sehen, die eine Aktivierung der HPA und des Immunsystems anzeigen würden.
Die Forschenden schlussfolgern, dass Dual- und Multitasking ebenso wie häufige Arbeitsunterbrechungen eine biologische Stressreaktion auslösen können, die vor allem das sympathische Nervensystem betrifft. Dass der Cortisol-Spiegel sich nicht veränderte, stehe im Einklang mit bisherigen Forschungsergebnissen, nach denen die Art des Stressauslösers die Aktivierung der Systeme beeinflusst.
So aktivierten bedrohliche Situationen vor allem die HPA, kognitive Herausforderungen eher das sympathische Nervensystem. Eine chronische Aktivierung des sympathischen Nervensystems sei kritisch, da diese zu Erkrankungen wie Hypertonie und unterschwelligen Entzündungsprozessen führen könne.
In einer Pressemitteilung zeigt sich auch die Deutsche Hirnstiftung alarmiert. »Das Ergebnis der Studie ist ein klares Warnsignal. Wir sollten versuchen, digitales und nicht-digitales Multitasking zu reduzieren, stattdessen besser eine Aufgabe nach der anderen erledigen. Außerdem sollte man sich möglichst vor störenden Unterbrechungen schützen, und beispielsweise auch die ständige Erreichbarkeit überdenken – dies gilt praktisch für alle Situationen mit Mehrfachbelastungen – am Arbeitsplatz wie im Privatleben«, so Professor Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung.
Er geht außerdem davon aus, dass bei längerfristigem Stress durch Multitasking auch die anderen Stresssysteme aktiviert werden: »Die Versuchsanordnung analysierte nur die Wirkung von kurzzeitigem Stress durch Multitasking. Nur ein Stresssystem wurde in Alarmbereitschaft gesetzt, sehr wahrscheinlich wird aber auch mittelfristig die HPA-Achse und das Immunsystem aktiviert, wenn ›Multitasking-Stress‹ über eine längere Zeit das Leben bestimmt.«