Mundhygiene ernst nehmen |
Zähne blitzblank? Das sind gute Voraussetzungen auch für die Atemwege. / Foto: Adobe Stock/Andrey Popov
Die menschliche Mundhöhle ist ein Sammelbecken für Mikroorganismen. Hunderte verschiedener Bakterienarten tummeln sich hier und entscheiden über den Zustand der Mundgesundheit. Verschiebt sich die Flora zu Gunsten einzelner Erreger, können Mundgeruch, Karies, Gingivitis und Parodontitis entstehen. Vor allem letztere ist als problematisch zu betrachten. Unbehandelt droht Betroffenen nicht nur der Zahnverlust, die Erkrankung kann sich auch gravierend auf den gesamten Organismus auswirken. So gilt es inzwischen als erwiesen, dass Menschen mit einer Parodontitis ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, rheumatoide Arthritis, Diabetes und Schwangerschaftskomplikationen haben. Diskutiert wird zudem ein möglicher Zusammenhang zwischen parodontalen Keimen und einigen Krebserkrankungen.
Besonders eng ist die anatomische Verbindung zwischen Mundhöhle und Atemwegen. Hier können nicht nur Parodontalbakterien in den Blutkreislauf verschleppt werden, es findet auch ein ständiger Keimtransfer durch den Einatmungssog statt. Bei gesunden Menschen wird dieser durch ein gut funktionierendes Abwehrsystem reguliert und kontrolliert. Liegen jedoch bereits Grunderkrankungen und/oder eine Immunschwäche vor, steigt das Risiko für Atemwegserkrankungen. Aus Studien ist bekannt, dass Parodontitis-Patienten ein 5,4fach höheres Risiko haben, an einer Lungenentzündung zu erkranken als Menschen ohne Parodontitis. Entzündungen des Zahnbetts können zudem eine chronische Bronchitis verursachen. Hier beeinflusst zusätzlich der Fortschritt des parodontalen Knochenabbaus das Ausmaß der Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Je stärker der Zahnhalteapparat bereits zerstört ist, umso stärker fällt die Einschränkung der Lungenfunktion aus. Ebenfalls problematisch ist die Aspiration von mikrobiell belastetem Speichel. Sie kann für rezidivierende Bronchitiden und schwere Lungenentzündungen verantwortlich sein.
Die Parodontitis ist eine entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparats, die durch Stoffwechselprodukte von Bakterien verursacht wird. Anfänglich haften die Bakterien an den Zahnoberflächen, den Zahnzwischenräumen und dem Zahnfleischrand. Dort verursachen sie eine oberflächliche Zahnfleischentzündung, die sogenannte Gingivitis. Bleibt diese unbehandelt, können die Bakterien immer tiefer in das Gewebe vordringen. Zwischen Zahn und Zahnfleisch entsteht eine Tasche, in der sich die Bakterien ungehindert vermehren können. Mit der Zeit werden die Taschen tiefer, Gewebe und Knochen bauen sich ab, das Zahnfleisch geht immer weiter zurück bis schließlich der Zahn ausfällt. In Deutschland ist die Parodontitis-Prävalenz hoch. Schätzungen zufolge sind 40 Prozent der Bevölkerung betroffen.
Studien zeigen, dass Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen eine schlechtere Mundhygiene, mehr Zahnstein und mehr erkrankte Zähne haben als Menschen ohne Atemwegserkrankungen. Besonders stark in den Fokus der Wissenschaft gerückt ist der Zusammenhang zwischen Parodontitis und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Wissenschaftler der University of New York konnten in einer Studie mit knapp 14.000 Teilnehmern nachweisen, dass der Zahnhalteapparat von COPD-Patienten früher Defizite aufweist als der von gesunden Studienteilnehmern. Umgekehrt scheinen Menschen mit überdurchschnittlich frühem Verlust der Zahnhaftung eher dazu zu neigen, an COPD zu erkranken.
Unklar ist noch, ob die Parodontitis ein Risikofaktor für die Entstehung einer COPD ist oder sie lediglich gemeinsame Risikofaktoren teilen. So sind beide Erkrankungen zum Beispiel eng mit dem Konsum von Nikotin gekoppelt. Auffällig ist jedoch auch, dass sich beide Erkrankungen durch chronische Verläufe mit rezidivierenden akuten Entzündungsschüben auszeichnen und diese zeitlich gekoppelt auftreten. Einige Wissenschaftler vermuten deshalb, dass COPD-Schübe durch die Aspiration von Bakterien aus den entzündeten Zahnfleischtaschen ausgelöst werden. Dafür spricht auch, dass es erste Hinweise gibt, dass eine Parodontitis-Therapie die Anzahl der COPD-Schübe reduzieren kann. Diese Phase mit deutlicher Verschlechterung der Lungenfunktion erleben COPD-Patienten durchschnittlich bis zu dreimal pro Jahr. In einer kleinen Studie konnte die Anzahl der Schübe unter Parodontitis-Therapie auf zweimal Jahr reduziert werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) rät COPD-Patienten bereits schon jetzt, auf eine gute Zahnhygiene – mit täglichem Zähneputzen, der Verwendung von Zahnseide und regelmäßigen Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt – zu achten. Ähnliches gilt auch für Asthmatiker. Sie leiden aufgrund der Behandlung häufiger unter Mundtrockenheit und einer Veränderung der Mundflora als gesunde Menschen. Pathogene Bakterien können sich leichter vermehren und typische Folgeerkrankungen wie Mundgeruch, Karies und Parodontitis verursachen. Gleichzeitig konnten brasilianische Wissenschaftler nachweisen, dass Menschen mit Parodontitis ein dreimal höheres Risiko für schweres Asthma haben als Menschen ohne Parodontitis. Neben einer guten Mundhygiene raten die Forscher dazu, ausreichend Wasser zu trinken. Dieses könne vor Mundtrockenheit nach dem Inhalieren eines Asthmasprays schützen. Besonders effektiv sei zudem das Zähneputzen nach der Inhalation von Glucocorticoid-Zubereitungen.
Grundsätzlich gilt für Prothesen: Je öfter und länger sie getragen werden, umso besser ist es. Auch Zahnärzte empfehlen deshalb für gewöhnlich, herausnehmbare Zahnprothesen über Nacht im Mund zu belassen. Der Träger lernt dadurch leichter, die künstlichen Zähne als eigene Zähne wahrzunehmen. Zudem kann durch das ständige Tragen dem Abbau von Kieferknochen entgegengewirkt werden. Studien zeigen jedoch, dass das Alter der Zahnprothesenträger bei der Empfehlung berücksichtigt werden sollte. So konnten japanische Forscher nachweisen, dass ältere Menschen, die ihre Prothesen über Nacht im Mund belassen, rund zweimal so oft an einer Lungenentzündung erkrankten wie gleichaltrige Studienteilnehmer, die den künstlichen Zahnersatz zum Schlafen aus dem Mund nahmen.
Verantwortlich dafür könnte eine mangelhafte Prothesenhygiene sein. Laut einer Studie der Universität Glasgow sind knapp zwei Drittel der mangelhaft gereinigten Prothesen mit pulmonal-pathogenen Keimen belastet. Am häufigsten fanden die Wissenschaftler Pseudomonas aeruginosa. Das Bakterium kann bei immunschwachen Patienten oder Menschen mit Vorerkrankungen chronische Atemwegsinfektionen, eine Bronchitis oder Lungenentzündung auslösen. Darüber hinaus wurden weitere potenzielle Verursacher pulmonaler Erkrankungen gefunden. Dazu gehören Streptokokkus pneumoniae, Haemophilus influenzae B, Streptokokkus pyogenes und Moraxella catarrhalis. Mangelhafte Prothesenhygiene kann zudem die Entstehung einer Gingivitis und Parodontitis begünstigen, die das Risiko für Atemwegserkrankungen abermals erhöhen.
Mit einer guten Prothesenhygiene wird die Keimbelastung auf dem künstlichen Zahnersatz sowie der Mundschleimhaut so gering wie möglich gehalten. Das trägt zu einer gesunden Mundflora bei, die wiederum vor Ansiedlung und Ausbreitung von Krankheitserregern schützt. Prothesenträger sollten deshalb: