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Das richtige Maß Hilfe
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Nach dem Schlaganfall – wie können Angehörige unterstützen?

Nach einem Schlaganfall müssen Betroffene viele Bewegungsabläufe neu lernen. Wie können Angehörige ihnen dabei möglichst gezielt helfen? Eine Expertin gibt Tipps.
AutorKontaktJudith Schmitz
Datum 16.09.2025  12:00 Uhr

»Nach einem Schlaganfall sind viele Angehörige bemüht, dem Betroffenen möglichst viel zu helfen. Anfangs ist das sehr wertvoll. Mit der Zeit aber schadet dieses Verhalten allen Beteiligten. Die Gattin etwa schlüpft immer mehr in die Rolle der Therapeutin und raus aus der Paarbeziehung. Mit der Zeit stößt sie dadurch erschöpft an ihre eigenen Grenzen. Dem Gatten wird die Chance auf ein weiterhin selbstbestimmtes Leben genommen«, sagt Cornelia Cox gegenüber PTA-Forum. Sie ist Physiotherapeutin mit einem Master of Science in Neurorehabilitation, Therapiedirektorin der Schweizer Rehaklinik Zihlschlacht und Autorin des Trias-Ratgebers »Schlaganfall. Das Übungsbuch« (siehe Kasten).

Besser sei es, sich nach der Akutphase zu fragen: Wie können wir unser gemeinsames Leben neu ausrichten und unsere Beziehung gestalten? Mit welchen Maßnahmen kann ich meinem Partner bestärken, möglichst wieder selbstbestimmt und aktiv am gewohnten Leben teilzuhaben? »Hier geht es darum, Tätigkeiten für den Partner nicht zu übernehmen, sondern ihn im rehabilitativen Sinn anzuleiten und zu ermutigen, sie in Teilen auszuführen, bis sie vollständig selbst gelingen«, erklärt Cox.

Das sei sehr wichtig für Schlaganfallpatienten. Denn häufig fielen diese in ein emotionales Loch, weil erst einmal oder auch dauerhaft manches nicht mehr so funktioniert, wie sie es gewohnt sind. »Hier kann der Partner entscheidend mitwirken, das Schicksal anzunehmen und es trotz Schlaganfall in eine positive Richtung zu lenken, die Türen zu einem guten Neustart in hoher Lebensqualität zu öffnen, trotz Einschränkungen«, so Cox.

In ihrem beruflichen Alltag erlebt sie Betroffene, die sich nach einem Schlaganfall vollständig erholen und das Krankenhaus schon nach wenigen Tagen wieder verlassen können. Dann gibt es Betroffene, bei denen eine Einschränkung im sensorischen, kognitiven und/oder motorischen Bereich zurückbleibt. Seltener ist die Behinderung schwerwiegend.

Time is brain

Die Zeit ist dabei einer der Hauptfaktoren, die über den Schweregrad der Schäden entscheiden. Wird der Schlaganfall sofort erkannt und rasch die passende Behandlung eingeleitet, stehen die Chancen auf Heilung gut. »Time is brain«, also »Zeit ist Hirn«, lautet das Schlagwort. Bei einem Schlaganfall sterben minütlich Millionen Nervenzellen im Gehirn ab. Je nach Ort der Schädigung funktionieren dann bestimmte Körperaufgaben nicht mehr, etwa Armbewegungen, Laufen oder Sprechen. »Der Kardinalfehler von Betroffenen und Angehörigen ist es, bis zum Absetzen des Notrufes zu lange zu warten, nach dem Motto ,Schlafen wir erst einmal eine Nacht darüber, vielleicht sieht es morgen schon besser ausʽ. Das ist völlig falsch, lieber einmal zu viel als einmal zu spät sofort den Notarzt wegen Verdachts auf Schlaganfall rufen«, sagt Cox.

Denn nur in der ersten Stunden nach dem Ereignis können durch den Schlaganfall gebildete Blutgerinnsel mit einer Lysetherapie aufgelöst und die Blutzufuhr und damit Versorgung der Nervenzellen mit Sauerstoff und Nährstoffen wiederhergestellt werden. Ist das Hauptgefäß durch ein Gerinnsel verschlossen, wird der Thrombus durch eine Thrombektomie über einen Katheterdraht chirurgisch entfernt. Beide Verfahren tragen entscheidend zur Erholung des Patienten bei. »Wird der erste Schlaganfall früh erkannt und medizinisch optimal behandelt, sinkt das Risiko für einen zweiten um 80 Prozent«, so Cox.

Der Ratgeber, den Cox vor allem für Angehörige geschrieben hat, erklärt Ursachen und Folgen eines Schlaganfalls und was eine moderne Neurorehabilitation leisten kann. Ausführlich bespricht er für Angehörige therapeutische Übungen mit Bebilderung zur Wiedererlangung sämtlicher Funktionen, die sie leicht mit den Betroffenen zur Unterstützung der professionellen Rehabilitation durchführen können: Wie kann eine Halbseitenschwäche, können Wahrnehmungsstörungen ausgeglichen werden, wie wird die Rumpfstabilität wiedererlangt, das Gehen wieder richtig gelernt, Störungen im Bereich des Schluckens, der Sprache, des Sprechens und der Kognition behandelt, wie mit Schlafstörungen, Depressionen und Ängsten umgegangen? Zudem erhalten die Angehörigen praktische Alltagstipps zu Lagerung und Transfer, zu Hilfsmitteln und anderen unterstützenden Maßnahmen wie Notfallmelder und Wohnraumanpassung.

Früh starten

Schon im Akutkrankenhaus starten Therapeuten die ersten rehabilitativen Maßnahmen. Denn in den ersten Stunden und Tagen kann das Gehirn am besten die verlorenen Funktionen des betroffenen Gewebebereiches wiedererlangen beziehungsweise Symptome durch neue Nervenverbindungen ausgleichen. Anschließend stehen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl: die stationäre Reha, die Cox empfiehlt, die ambulante Reha, die mobile Reha daheim oder im Pflegeheim sowie die »vocational rehabilitation«, also die Reha zur Wiedereingliederung ins Erwerbsleben.

Das Wiedererlangen von Funktionen nach einem Schlaganfall erfolgt in drei Phasen. Die erste Phase ist enorm anstrengend, bedarf hoher Konzentration und Geduld. Es gilt damit zu starten, ein verlorenes spezifisches Bewegungsgefühl wiederzuerlangen. Zum Beispiel: Die linke Hand war gelähmt. Finger und Arm können inzwischen etwa durch die Lysetherapie oder spontane Erholung des Gewebes etwas bewegt werden, wenn auch unbeholfen. Sie sollten nun so oft wie möglich trainiert werden, etwa mit Schreibübungen. In der zweiten Phase kommen Anpassungen im Bewegungsablauf hinzu: Die Handschrift wird feiner und individueller. In der dritten Phase setzt eine Automatisierung des Bewegungsablaufes ein. Es entwickelt sich ein differenziertes Bewegungsgefühl, die Koordination wird flüssiger, Energie- und Konzentrationsaufwand werden geringer. Ausdauerndes Üben ist auch hier das A und O.

Cox nennt drei Grundprinzipien für ein langfristiges, echtes Lernen, die Angehörige unbedingt beachten sollten:

  • Die Reha mit hohen Erwartungen des Betroffenen starten: Angehörige sollten dazu das Selbstvertrauen des Schlaganfallpatienten stärken, ihn ermutigen und positive Rückmeldung geben, gleichzeitig darauf achten, dass die Aufgaben anspruchsvoll, aber machbar sind.
  • Dem Betroffenen beim Training Autonomie zusichern: Er sollte mitbestimmen oder aus verschiedenen Möglichkeiten wählen dürfen. Das stärkt sein Selbstvertrauen in die eigenen Leistungen und reduziert Stress.
  • Externer Aufmerksamkeitsfokus: Dem Betroffenen ein Ziel statt einen Bewegungsauftrag nennen, etwa »Greife das Glas« statt »Hebe den Arm«. Ein Ziel zu verfolgen, hat eine positivere Wirkung auf den Betroffenen, als wenn er ziellos eine Bewegung ausführen soll.

Folgende Elemente sind Cox zufolge dabei wichtig:

  • aufgaben- /zielorientiertes Üben
  • Wiederholungen und Forderung bis an die Leistungsgrenze
  • Motivation
  • Mentales Training, also die Vorstellung von einer Bewegung oder auch dass der Angehörige dem Betroffenen den Bewegungsablauf schildert.
  • Externe Reize wie Armheben oder Armstreicheln durch Angehörige als positives Signal an das Gehirn: Hier ist ein Körperteil, stelle eine Verbindung her.
  • rhythmische Unterstützung wie Klatschen
  • Abwechslung und auch Pausen, Schlaf
  • Positive Rückmeldung, Selbstbestimmung und viel Zeit, Ausdauer und Geduld.

Cox appelliert: »Sehen Sie den Menschen nach einem Schlaganfall nicht als Kranken, sondern unterstützen Sie ihn hin zur Eigenaktivität. Dabei ist es wichtig, auch kleine Erfolge zu feiern, etwa wenn das eigenständige Trinken aus einem Glas wieder gelingt.«

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