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Auch schon bei Jüngeren

Nächtlichen Harndrang abklären lassen

Nächtlicher Harndrang ist ein weit verbreiteter Schlafstörer, der von vielen Betroffenen als unvermeidbare Alterserscheinung betrachtet wird. Doch Urologen warnen: Er kann auch Alarmsignal für eine Erkrankung sein.
Carina Steyer
03.08.2020  08:30 Uhr

Gesunde Menschen können nachts schlafen, ohne auf die Toilette zu müssen. Dafür sorgt ein komplexes Zusammenspiel der harnbildenden und harnableitenden Organe, verschiedener Hormone und Gehirnfunktionen. Manchmal kommt es dennoch vor, dass man durch Harndrang geweckt wird. Ein Grund zur Sorge ist das erstmal nicht. In der Regel ist die abendliche Trinkmenge schuld, die ausnahmsweise größer als normal ausgefallen ist. Von einem behandlungsbedürftigen nächtlichen Harndrang oder Nykturie sprechen Mediziner erst, wenn man regelmäßig mindestens zweimal pro Nacht auf die Toilette muss, ohne am Abend übermäßig viel getrunken zu haben.

Wie hoch die Zahl der Betroffenen tatsächlich ist, lässt sich nicht genau sagen. Nächtlicher Harndrang fällt wie etliche andere urogenitale Erkrankungen in eine Grauzone, über die viele Menschen aus Scham nicht gerne sprechen und auch keinen Arzt aufsuchen. Für Deutschland existieren bisher nur die Daten der repräsentativen Herner LUTS (lower urinary tract symptoms)-Studie. Demnach ist fast jeder zweite Mann über 50 Jahren betroffen. Nächtlicher Harndrang ist aber kein rein männliches Problem, das zeigt die Auswertung von 43 Einzelstudien, die Urologen der Universität Utrecht vorgenommen haben. Hier zeigten bis zu 60 Prozent der über 70-Jährigen Symptome, unabhängig vom Geschlecht. Und auch das Gerücht von der Alterserscheinung konnten die Urologen widerlegen. Bis zu 18 Prozent der 20- bis 40-Jährigen kennen ebenfalls das Problem des nächtlichen Harndrangs.

Nicht verharmlosen

Mediziner unterscheiden beim nächtlichen Harndrang drei Hauptauslöser: eine zu hohe oder falsch verteilte Flüssigkeitsaufnahme, eine verringerte Blasenkapazität oder eine erhöhte Harnausscheidung. In welche Gruppe der einzelne Patient fällt, lässt sich anhand eines Miktionstagebuchs schnell zuordnen. Dafür notieren Betroffene drei bis sieben Tage lang ihre Trinkmenge, die Anzahl und tageszeitliche Verteilung des Wasserlassens sowie die Menge. Ist der Hauptauslöser erkannt, geht es darum, die Ursache zu finden. Am einfachsten ist das, wenn ein falsches Trinkverhalten vorliegt. Hier geht es in vielen Fällen lediglich darum, dass der Betroffene seine Gewohnheiten ändert, zum Beispiel eher tagsüber als abends trinkt oder am Abend keine größeren Mengen harntreibender Getränke mehr konsumiert. Ist die Blasenkapazität verringert, kann dies anatomisch oder funktionell bedingt sein. Eine anatomisch reduzierte Blasenkapazität kann zum Beispiel nach Operationen auftreten. Für die funktionell reduzierte Blasenkapazität sind meist eine überaktive Blase, Restharnbildung, chronisch rezidivierende Harnwegsinfekte, Blasensteine oder ein Karzinom verantwortlich. Verursacht eine erhöhte Harnausscheidung die Nykturie, ist es für Ärzte von Bedeutung, ob diese gleichmäßig über den Tag verteilt auftritt oder überwiegend in der Nacht. Ersteres spricht für einen Diabetes, eine Niereninsuffizienz, einen Östrogenmangel bei Frauen, eine Hyperkalzämie oder einen krankhaft gesteigerten Durst (Polydipsie). Bei einer nächtlichen Polyurie scheiden die Betroffenen ausschließlich nachts eine erhöhte Harnmenge aus. Hier liegt der Grenzwert bei jüngeren Menschen bei 20 Prozent, für Ältere bei etwa 33 Prozent der täglichen Gesamtharnmenge. Auslöser dafür sind neben der abendlichen Einnahme von Diuretika eine venöse Insuffizienz der unteren Extremitäten, eine Herzinsuffizienz, Schlafapnoe oder ein nächtlicher Mangel des Hormons Argenin-Vasopressin (AVP).

Weitreichende Folgen

Wie stark Betroffene unter dem nächtlichen Harndrang leiden, hängt entscheidend davon ab, wie schnell sie nach dem Toilettengang wieder einschlafen können und wie erholsam sie den Schlaf zwischen den einzelnen Episoden empfinden. Viele Betroffene berichten von vermehrten Alpträumen in den einzelnen Schlafphasen. Bei älteren Menschen steigt die Sturzgefahr durch nächtliche Gänge zur Toilette. Stürze und Knochenfrakturen führen zu vermehrten Krankenhausbehandlungen und letztlich Einweisungen in Pflegeheime. Auch am Tag zeigen sich Schlafunterbrechung und Schlafentzug in zahlreichen Beschwerden. Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, verminderte geistige Leistungsfähigkeit und Kopfschmerzen wirken sich negativ auf die Lebensqualität aus und führen bei jüngeren Menschen zu gehäuften Krankmeldungen. Zudem verursacht das Schlafdefizit häufig Arbeits- und Verkehrsunfälle. Experten befürchten außerdem, dass eine reduzierte Schlafdauer und Schlafqualität zu schwerwiegenden Stoffwechselstörungen führen kann. So konnte eine amerikanische Studie mit neun jungen, gesunden Männern und Frauen zeigen, dass das Aufwecken in der sogenannten »slow-wave sleep«-Phase bereits nach drei Tagen bei allen Teilnehmern eine verminderte Insulinsensitivität und eine Glucoseintoleranz zur Folge hatte. Die Ausprägung der verminderten Insulinsensitivität korrelierte eng mit der Länge der Schlafunterbrechung. Der slow-wave sleep findet bei den meisten Menschen in den ersten vier Stunden nach dem Einschlafen statt und gilt als besonders tiefer, regenerativer Schlaf. Dass dieser bei Nykturie-Betroffenen ebenfalls gestört wird, gilt als wahrscheinlich. Der erste Toilettengang ist im Durchschnitt nach zwei Stunden Schlaf erforderlich.

Therapie je nach Ursache

Besteht der Verdacht auf eine behandlungsbedürftige Grunderkrankung, werden Betroffene an Fachärzte wie Kardiologen bei einer Herzerkrankung oder Pulmologen bei einem Schlafapnoesyndrom überwiesen. Sobald die Grunderkrankung therapiert wird, bessert sich auch der nächtliche Harndrang. In allen anderen Fällen ist das Ziel der Behandlung, die ersten Schlafstunden und damit den regenerativen Schlaf auf mindestens vier Stunden zu erhöhen und somit die Schlafqualität zu verbessern. Welche Therapie dafür in Frage kommt, richtet sich wiederum nach der Ursache. In einigen Fällen reichen bereits Verhaltensanpassungen wie ein Toilettengang vor dem Schlafengehen oder die Einnahme von Diuretika am Vormittag. Eine überaktive Blase wird mit Antimuskarinika behandelt, eine gutartige Prostatavergrößerung mit Alphablockern, 5-α-Reduktase-Inhibitoren oder Phosphodiesterase-5-Inhibitoren. Liegt ein Mangel an Antidiuretischem Hormon vor, kommt der Wirkstoff Desmopressin zum Einsatz. Er reduziert die nächtliche Urinmenge und damit die Zahl der nächtlichen Toilettengänge signifikant. Die Dosierung erfolgt geschlechtsspezifisch und mit niedrig gewählter Dosierung. Das minimiert das Risiko für eine Hyponatriämie, weshalb auch Patienten über 65 Jahren gefahrlos behandelt werden können. Zur Sicherheit empfehlen Experten eine Natriumkontrolle vor und während der ersten Behandlungswochen. 

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