Natur schwer kopierbar |
Isabel Weinert |
30.07.2025 12:00 Uhr |
Hände sind ein Wunderwerkzeug, dessen vielfältigste Funktionen immer noch nicht vollständig zu ersetzen sind. / © Adobe Stock/Westock
Die Hand zählt zu den kompliziertesten biomechanischen Systemen der Natur. Gesteuert von 36 Muskeln in Hand und Unterarm meistert sie Bewegungen mit Präzision und Fingerspitzengefühl ebenso mühelos wie mit Kraft und Dynamik. Allein der Daumen wird von acht Muskeln bewegt und ist durch seine besondere Stellung für das Greifen und Festhalten von Gegenständen unerlässlich. Papillarleisten an der Handinnenfläche verbessern die Haftung beim Greifen. Rund 10.000 Sensoren in der Haut von Hand und Fingern versorgen das Gehirn permanent mit Informationen über Strukturen, Oberflächenbeschaffenheiten oder Temperaturen von Objekten und Gegenständen. Das Gehirn wiederum ermittelt aus diesen Informationen Handstellung, Bewegungsabfolge und Kraft, die für das Greifen oder Berühren eines Gegenstandes aufgewendet werden müssen.
Ohne Informationsaustausch zwischen Hand und Gehirn gäbe es beim Greifen so manche Überraschung: Bei zu viel Kraftaufwand ist ein Apfel zerquetscht bevor er zum Mund geführt werden kann. Gläser und Tassen zerbrechen allein durch das Halten in der Hand. Ist die Kraftaufwendung zu gering, gelingt weder das Aufheben noch das Festhalten eines Gegenstands. Und nicht zuletzt wären wir nicht in der Lage, glatte von rauen oder kratzigen Oberflächen zu unterscheiden.
Die hohe Komplexität der Hand macht sie zu einer Herausforderung für die Medizintechnik. Bis heute können Prothesen menschliche Hände nicht vollständig ersetzen, obwohl schon zu Zeiten der alten Römer versucht wurde, adäquaten Ersatz zu finden. Verbreitet waren damals und in den nachfolgenden Jahrhunderten in erster Linie rein kosmetische Prothesen aus Holz oder Metall, die das Körperbild vervollständigen sollten. Der römische General Marcus Sergius soll jedoch bereits eine Prothese getragen haben, die eine für ihn wichtige Funktion erfüllte. Er konnte ein Schild einklemmen und damit weiter in den Krieg ziehen.
Im Jahr 1812 entwickelte der Berliner Zahnarzt und Chirurgietechniker Pierre Ballif die erste Handprothese, die durch den verbliebenen Armstumpf des Trägers gesteuert werden konnte. Aufgebaut war sie aus zwei Seilzügen, die an einem Brustgurt nahe der Achselhöhle befestigt wurden. Durch das Strecken des Ellenbogengelenks beziehungsweise das seitliche Anheben des Armstumpfs wurden die Seilzüge gespannt und die Finger sowie der Daumen bewegt.
Einige Jahre später konnte die Instrumentenmacherin Margarethe Karoline Eichler die Technik weiter verbessern. Die Streckbewegung des Arms führte nun zu einer geschlossenen Faust, was die Prothese leistungsfähiger machte.
Mit den beiden Weltkriegen stieg sowohl die Nachfrage nach funktionsfähigen Handprothesen als auch die Entwicklung neuer Steuerungsmethoden stark an. Zum praktischen Einsatz kam das Verfahren des Chirurgs Ferdinand Sauerbruch von der Universitätsklinik Zürich, bei dem Kontraktionen des verbliebenen Bizeps genutzt wurden, um die Prothese zu bewegen. Über einen Rückkopplungsmechanismus konnte der Träger bereits spüren, wie stark er zugriff. Ein entscheidender Nachteil: Die Greifkraft war so gering, dass sich nur leichte greifen ließen. Dennoch war die Prothese bis Ende der 1950er Jahre regelmäßig und bis in die 1990er Jahre hinein noch gelegentlich in Verwendung.