Natur schwer kopierbar |
Isabel Weinert |
30.07.2025 12:00 Uhr |
Der Durchbruch in puncto Greifkraft kam mit dem Einbau von Elektromotoren und Gasdrucksystemen. Angetrieben werden sie in den heutigen sogenannten myoelektrischen Prothesen durch die gezielte Kontraktion einzelner Muskeln im verbliebenen Armstumpf.
Die Muskelkontraktion ist als elektrische Spannung auf der Haut messbar und wird von Sensoren erfasst. Diese leiten sie anschließend als Steuerbefehl an Elektromotoren in der Prothese weiter, die die gewünschte Bewegung umsetzen. Über die Stärke der Anspannung kann der Prothesenträger steuern, ob die Handbewegung schnell, langsam, kräftig oder vorsichtig ausgeführt werden soll.
Bis eine myoelektrische Handprothese im Alltag präzise verwendet werden kann, müssen Prothesenträger derzeit noch viel Geduld aufbringen. Das Ansteuern der einzelnen Muskeln muss aktiv erlernt werden und erfordert regelmäßiges Üben. Auch die richtige Kraftaufwendung im Umgang mit verschiedenen Gegenständen benötigt Erfahrung, die nur ständiges Training mit sich bringt.
Zwar wurde die Rückmeldungsfunktion von Prothesen über die eingesetzte Kraft ebenfalls weiter verbessert, lässt sich aber nicht mit der während des natürlichen Greifprozesses vergleichen. Je nach Prothesenart spüren Betroffene einen leichten Druck, Vibrationen oder hören ein verändertes Geräusch, auf das sie durch Regulierung der Muskelanspannung reagieren können.
Probleme können zudem die Sensoren bereiten. Für die korrekte Messung der Muskelanspannung müssen sie fest auf der Haut haften, was bei einigen Menschen Druckstellen verursacht. Durch starkes Schwitzen oder Erschütterungen, Verrutschen der Sensoren oder Handysignale sind Fehlfunktionen der Prothese möglich. Hier sollen KI-gestützte Systeme künftig helfen, zwischen Stör- und Nutzsignalen zu unterscheiden.
Nicht allen Menschen, die mit einer myoelektrischen Prothese versorgt werden können, gelingt der Umgang so gut, dass sie als Erleichterung im Alltag erlebt wird. Oft wird die Prothese dann nur selten getragen. Andere trauen sich das Erlernen der Steuerung nicht zu und entscheiden sich von Beginn an gegen eine Prothese oder tragen eine rein kosmetische Variante.
Um allen Menschen Zugang zu einer funktionsfähigen Prothese ermöglichen zu können, ist es ein großes Anliegen der Medizintechnik, die Steuerung intuitiver und natürlicher zu gestalten. Das Projekt SOMA (Ultrasound peripheral interface and in-vitro model of human somatosensory system and muscles for motor decoding and restoration of somatic sensations of amputees), an dem Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik sowie Forschende weiterer europäischer Länder beteiligt sind, setzt hierfür auf Ultraschallsensoren.
Diese sind in den Prothesenschaft integriert und schicken laufend Schallimpulse an das Muskelgewebe des Unterarms, die wiederum vom Gewebe reflektiert werden. Die Laufzeiten der reflektierten Signale liefern Informationen über die räumliche Tiefe des Muskelstrangs, der die jeweilige Schallwelle zurückschickt.
So lassen sich nicht nur die durch Nervenstimuli des Gehirns ausgelösten Kontraktionen im Muskelgewebe beobachten, sondern auch Aktivierungsmuster im Muskel erkennen, die für bestimmte Bewegungen der Hand oder eines Fingers stehen. Die Auswertung der Signale übernimmt eine KI-gesteuerte Software, die sie anschließend als Befehle an die Handprothese sendet, wo sie in Bewegungen umgesetzt werden. Der ganze Prozess soll in Echtzeit ablaufen.
Geplant ist zudem, die Rückmeldungsfunktion zu verbessern. Hierfür sollen Handprothesen künftig sensorische Reize vermitteln. Statt auf Ultraschallsensoren setzen die Forscher auf Elektroden, die an Nerven implantiert werden. Sie leiten die Signale anschließend an das Gehirn weiter, das wie bei einer gesunden Hand mit Anpassungen des Greifprozess reagiert.