Negative Gefühle haben ihren Platz |
In der ganzen Geschichte der Evolution haben Gefühle wie Angst, Wut, Trauer, und Scham Menschen als wichtige Hinweisgeber beschützt, so Salchow. Scham schütze vor sozialem Ausschluss, Angst vor Gefahren. Wut weise auf eine Ungerechtigkeit hin oder zeige, dass ein hoher Wert verletzt wurde und man für sich einstehen sollte. Grund genug, sich auf negative Gefühle einzulassen – und eigentlich können wir auch gar nicht anders. »Unser Gehirn sucht ständig nach etwas, das nicht okay oder sogar gefährlich ist. Das hat den Menschen früher ihr Überleben gesichert.«
Heute brauchen wir diesen Schutz nicht mehr – eigentlich. Doch zum einen sind negative Emotionen auch heute noch nützlich: Sie geben wichtige Hinweise darauf, dass es gerade um etwas Wichtiges geht – wir ärgern uns etwa über unseren Partner, weil wir ein großes Interesse haben, dass unsere Beziehung funktioniert.
Daher sollten wir einem schlechten Gefühl auch Aufmerksamkeit widmen. Bloß nicht zu viel, und zwar wegen der sogenannten Negativitätsverzerrung: Wir nehmen negative Emotionen nämlich viel stärker wahr, wie Salchow erklärt. Das bedeutet: »Damit wir im emotionalen Gleichgewicht sind, brauchen wir ein Verhältnis von drei zu eins: Drei positive Emotionen wiegen eine negative Emotion auf«, sagt Salchow.
Das stellt sich auf Instagram und Co. ganz anders dar: Glückliche Menschen, tolle Erlebnisse, perfekte Wohnungen ? in den sozialen Netzwerken zeigen die meisten nur das Beste von sich. Aber es handelt sich eben um Ausschnitte, das vergessen wir manchmal allerdings zu gerne. »Soziale Medien funktionieren bei Phänomenen wie der Toxic Positivity wie ein Verstärker«, sagt Astrid Schütz. Sie sorgen dafür, dass sich Floskeln wie #goodvibesonly weiter und schneller verbreiten.
Umso wichtiger ist es, offline für eine gute Balance aus negativen und positiven Gefühlen zu sorgen. Aber wie kann das gelingen? Achtsamkeit ist hilfreich, um alle Gefühle zulassen zu können. »Im Moment sein, wahrnehmen: Wie ist es gerade?«, erklärt Schütz, die auch Tests und Trainings zu emotionaler Intelligenz entwickelt. »Die Gefühle annehmen, auch die negativen, aber nicht grübeln, nicht in schlechten Momenten verharren. Und immer wieder auch auf positive Momente hinarbeiten.« In diesem Sinne: #allfeelingsarewelcome – das heißt, alle Gefühle sind willkommen.