Netzhautschäden – Therapie bei Frühgeborenen |
Bei manchen Frühgeborenen ist die Gefäßentwicklung der Netzhaut gestört. Um eine spätere Erblindung zu verhindern, muss rechtzeitig therapiert werden. / Foto: Shutterstock/spfotocz
In Deutschland kommen jährlich etwa 65.000 Frühgeborene zur Welt, davon sind bis zu 500 Kinder pro Jahr von einer therapiebedürftigen ROP betroffen. Bei diesen Kindern ist die Gefäßentwicklung in der Netzhaut gestört. Wesentliche Teile der peripheren Netzhaut bleiben avaskulär, wie Stahl erklärt. In der Folge können diese avaskulären peripheren Netzhautareale nur unzureichend mit Sauerstoff versorgt werden. Durch den Sauerstoffmangel kommt es letztlich zur Ausschüttung spezifischer vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktoren (Vascular Endothelial Growth Factor = VEGF), die wiederum zu überschießenden und unkontrollierten Gefäßneubildungen mit der Folge von Netzhautablösungen und irreversiblen Erblindungen führen.
»Dieses kann durch eine rechtzeitige Therapie in der Regel verhindert werden«, so der Ophthalmologe mit Verweis auf die Laserkoagulation, die seit den 1990er Jahren in der ROP-Behandlung als Goldstandard gilt. Dabei werden die äußeren Randgebiete der Netzhaut mit einem Laserstrahl verödet, um so das Voranschreiten der Erkrankung bis hin zur bedrohlichen Netzhautablösung zu verhindern.
Aufgrund der sogenannten Rainbow-Studie (Ranibizumab Compared With Laser Therapy for the Treatment of Infants Born) wurde Ende 2019 zudem die Therapie mit Ranibizumab als VEGF-Inhibitor (Dosierung 0,2 mg) zur Therapie aller als behandlungsbedürftig eingestuften ROP-Stadien zugelassen. Bei dieser erfolgt die Medikamentengabe per Injektion in den Glaskörper des Auges. »Damit haben wir zusätzlich zur klassischen Laserkoagulation eine neue Therapieoption gewonnen«, so Stahl.
Der direkte Vergleich zwischen der Lasertherapie und der intravitrealen Medikamentengabe habe gezeigt, dass sich die Krankheitseffektivität in allen Stadien der ROP mit Ranibizumab mindestens so gut wie mit Lasertherapie beherrschen lässt. Den Ergebnissen der RAINBOW-Studie zufolge habe die Injektionstherapie sogar Vorteile.
»In Bereichen, in denen nach der Lasertherapie nur inaktives Narbenareal zurückbliebt, kann sich nach einer Anti-VEGF-Therapie in den Randbereichen weiterhin neuronales Netzhautgewebe entwickeln, das zur Sehfunktion des Kindes beiträgt«, erläuterte Stahl. Auch die Rate hoher Kurzsichtigkeit sei nach Anti-VEGF-Therapie deutlich geringer als nach Lasertherapie. Last but not least sei der Eingriff mittels intravitrealer Injektion im Vergleich zur Laserkoagulation deutlich kürzer und damit mit weniger anästhesiologischen Belastungen für Frühgeborene verbunden. »Nun muss sich zeigen, ob die vielversprechenden Studiendaten den Realitätstest bestehen«, so Stahl.
»Zur Wahl zwischen Laser- und Anti-VEGF-Therapie kann es derzeit keine allgemeingültige Empfehlung geben. Es müssen vielmehr stets individuell die diversen Vor- und Nachteile der beiden Therapieoptionen gegeneinander abgewogen werden«, betonen die DOG, die Retinologische Gesellschaft und der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands in einer gemeinsamen »Stellungnahme zur Anti-VEGF-Therapie der Frühgeborenenretinopathie« im Frühjahr 2020.
Es handele sich bei der Anti-VEGF-Therapie der ROP um eine eingreifende Behandlung mit potentiell auch systemischen Nebenwirkungen. Daher dürfe diese nur nach ausführlicher und laienverständlicher Aufklärung einschließlich schriftlicher Einwilligung der Eltern in enger Abstimmung mit den betreuenden Neonatologen erfolgen. Die Eltern müssten zudem Bereitschaft für die sehr aufwendigen regelmäßigen, engmaschigen und langfristigen Nachkontrollen zeigen. Nicht zuletzt da in einigen Fällen eine ergänzende Lasertherapie nach erfolgter Anti-VEGF-Therapie erforderlich werden kann, sollte die Anti-VEGF-Therapie nur an entsprechend spezialisierten Zentren durchgeführt werden.