Neue Risikofaktoren für Demenz identifiziert |
Verschiedene Faktoren tragen zu einer Erhöhung des Demenzrisikos bei, haben Forschende herausgefunden. / Foto: Getty Images/Cecilie_Arcurs
Ein neuer internationaler Bericht erweitert die Liste der veränderbaren Risikofaktoren für Demenz um einen hohen Cholesterinspiegel und nachlassende Sehkraft. Diese werden mit neun Prozent aller Demenzfälle in Verbindung gebracht: So seien schätzungsweise sieben Prozent davon auf einen hohen LDL-Cholesterinwert ab einem Alter von etwa 40 Jahren und zwei Prozent auf einen unbehandelten Sehverlust im späten Alter zurückzuführen.
Die Eliminierung aller von der Lancet-Kommission benannten nun 14 Faktoren könnte laut dem Bericht knapp die Hälfte der weltweiten Demenzfälle verhindern oder zumindest verzögern. Experten zufolge ist das allerdings eine recht theoretische Rechnung.
Demenz umfasst verschiedene Krankheiten, darunter Alzheimer, die zu einem Verlust geistiger Fähigkeiten führen. Eine Heilung gibt es bislang nicht. Der neue Bericht der »Lancet Commission on dementia prevention, intervention, and care« zeigt, dass fast die Hälfte (45 Prozent) der Demenzerkrankungen vermieden oder verzögert werden könnte, würden die 14 zumeist veränderbaren Risikofaktoren ausgeschaltet.
Neben den neu als Risikofaktoren identifizierten hohen LDL-Cholesterinwerten ab einem Alter von etwa 40 Jahren und dem unbehandelten Sehverlust im späten Alter sind das:
Laut Stefan Teipel vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Rostock sind die beiden neuen Risikofaktoren sicherlich solide belegt, aber die Summe der verhinderbaren Demenzfälle über alle Risikofaktoren hinweg werde nicht bei 45 Prozent liegen: »Die Studie addiert die einzelnen modifizierbaren Risiken auf knapp 45 Prozent. Wenn man mehrere Risikofaktoren beeinflusst, gibt es jedoch synergistische Effekte, man kann für einzelne Individuen die Effekte der Risikoreduktion deswegen nicht einfach aufsummieren.«
Noch dazu würden sich die verschiedenen Faktoren miteinander verschränken, erklärt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). So beeinflusse etwa eine nicht rechtzeitige Korrektur von Hör- oder Sehkraftverlust die Kommunikation der Betroffenen, was sich auf kognitive Fähigkeiten und soziale Interaktionen auswirke: »Regelmäßiges kognitives Training und Vereinsamung sind wiederum Faktoren, die ebenfalls bei der Demenzentwicklung eine Rolle spielen.«
Der Neurologe betont, dass neben geistigem Training – etwa durch Kreuzworträtsel, das Erlernen einer Fremdsprache oder eines Musikinstruments – auch eine gesunde Ernährung, möglichst wenig Alkohol, ausreichend körperliche Bewegung und ein gesundes Körpergewicht wichtig seien, um einer Demenz auf individueller Ebene vorzubeugen.
Bei anderen Risikofaktoren wie etwa der Luftverschmutzung oder dem Zugang zu Bildung sei hingegen die Politik gefragt. Darüber hinaus werde in kommenden Lancet-Berichten sicherlich auch die Bekämpfung der Klimakrise eine Rolle spielen, da Studien bereits die Zusammenhänge zwischen deren Folgen und dem Demenzrisiko untersuchten.
Wichtig sei, so Berlit, schon in einem Alter, in dem noch gar nicht an Demenz gedacht werde, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Dafür sei zentral, die Inhalte des Reports möglichst bekannt zu machen. Der Mediziner unterstreicht: »Jeder Einzelne muss wissen, dass er durch eine Umstellung seiner Lebensführung tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zur Risikominimierung gegen Demenz, aber auch gegen andere Erkrankungen leisten kann.«
Welchen Einfluss eine Reduktion der Risikofaktoren hierzulande haben könnte, berechnete eine deutsche Forschungsgruppe im vergangenen Jahr. Ihre im »Deutschen Ärzteblatt« veröffentlichte Studie ergab: Könnten jene Faktoren bis 2033 um 15 Prozent verringert werden, würde dies die Zahl der Demenzfälle um 138.000 oder 15 Prozent senken.
In Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Der Begriff umfasst verschiedene Krankheiten, darunter Alzheimer, die zu einem Verlust geistiger Fähigkeiten führen. Ein Heilmittel gibt es bislang nicht.