Neue Varianten und Vakzinen |
Verena Schmidt |
18.09.2023 16:00 Uhr |
Bestimmten Personen wird eine Auffrischimpfung gegen Corona in diesem Herbst empfohlen. Geimpft wird dann mit einem neuen, an die mutierten Virusvarianten angepassten Impfstoff. / Foto: Getty Images/Ratana21
Ein Großteil der Menschen in Deutschland hatte sich in den Pandemiejahren gegen das Coronavirus impfen lassen, sich infiziert oder auch beides. Die Grundimmunität ist also hoch, für die meisten eine erneute Impfung nach aktuellem Stand daher nicht nötig. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt allerdings bestimmten Risikogruppen eine Auffrischimpfung mit Abstand von einem Jahr nach der letzten Infektion oder Impfung: Menschen ab 60 Jahren, Personen mit Vorerkrankungen, Menschen, die in Medizin und Pflege arbeiten, sowie Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen. Die Impfempfehlungen gelten auch für die neuen an die Omikron-Sublinie XBB.1.1 angepassten Covid-19-Impfstoffe, wie die STIKO am 18. September 2023 mitteilte. Vorzugsweise sollte im Herbst geimpft werden, damit die Impfwilligen bei eventuell steigenden Fallzahlen über den Winter bestmöglich geschützt sind.
Das Coronavirus hat sich in der Vergangenheit ständig weiterentwickelt, durch Mutationen sind neue Varianten entstanden. Von Interesse ist aktuell besonders die Variante EG.5, auch Eris genannt. In den USA ist EG.5 bereits vorherrschend, auch in Deutschland breitet sie sich immer mehr aus. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Eris neben XBB.1.16 und XBB.1.5 als »Virusvariante von Interesse« (VOI) eingestuft. Sie stammt von der Omikron-Variante XBB.1.9.2 ab, die die gleiche Spike-Aminosäuresequenz aufweist wie die derzeit besonders stark verbreitete Subvariante XBB.1.5. Laut der WHO könnte EG.5 wegen des Wachstumsvorteils und Immunflucht-Eigenschaften wieder für mehr Coronafälle sorgen und eventuell weltweit dominant werden. Das Risiko für die öffentliche Gesundheit durch EG.5 stuft die WHO bisher jedoch als gering ein. Es entspreche dem Risiko, das von den anderen derzeit im Umlauf befindlichen VOI ausginge.
Etwas besorgter zeigen sich Experten angesichts der stark mutierten Variante BA.2.86 (Pirola), über die aktuell noch nicht allzu viel bekannt ist. BA.2.86 unterscheidet sich von XBB.1.5 in mehr als 30 Mutationen im Spike-Protein. Laut den US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) könne BA.2.86 mit hoher Wahrscheinlichkeit die bestehende Immunität aus früheren Impfungen oder Infektionen umgehen, heißt es.
In diesem Herbst soll nun mit »neuen« Impfstoffen geimpft werden, die an die aktuellen Corona-Varianten angepasst sind. Die Firmen Moderna (Spikevax®), Biontech/Pfizer (Comirnaty® Omikron XBB.1.5) und Novavax (Nuvaxovid®) haben jeweils entsprechende Impfstoffe entwickelt, diese sind an die Omikron-Untervariante XBB.1.5 angepasst. Die Vakzinen von Moderna und Biontech/Pfizer enthalten mRNA, die für das Spike-Protein der XBB.1.5-Variante kodiert. Nuvaxovid ist ein monovalenter XBB.1.5-Impfstoff auf Proteinbasis.
Die XBB-Impfstoffe sollen zum Boostern, aber auch für Grundimmunisierungen genutzt werden. Da das Spike-Protein von EG.5 dem von XBB.1.5 sehr ähnlich ist, scheinen die Impfstoffe auch einen guten Schutz vor Eris zu bieten, wie erste Untersuchungen gezeigt haben. Hersteller Moderna hat mitgeteilt, dass sein angepasster XBB-Impfstoff auch eine deutliche Immunantwort gegen BA.2.86 hervorrufe – das gilt höchstwahrscheinlich auch für den Impfstoff von Biontech/Pfizer.
Die Europäische Kommission hat den Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer Anfang September in der EU zugelassen, seit dem 18. September kann mit dem Impfstoff geimpft werden. Der Impfstoff von Moderna wurde am 15. September von der Europäischen Kommission zugelassen.
Warum richten sich die neuen Impfstoffe nur gegen eine einzige Virusvariante, wenn gerade doch mehrere verschiedene mutierte Varianten kursieren? Das entspricht den Empfehlungen, die die europäische Gesundheitsbehörde ECDC und die Arzneimittelagentur EMA bereits Ende Mai herausgegeben hatten. Demnach sollen Impfstoffe jeglichen Typs in Zukunft monovalent sein, also nur noch die Antigene einer Virusvariante enthalten. Die Anpassung der Antigenkomposition soll den Experten zufolge vor allem das Ziel haben, den Immunschutz gegen SARS-CoV-2 zu verbreitern, und nicht auf die aktuellste Virusvariante abzielen. Das Coronavirus entwickelt sich Experten zufolge weiter, ohne zu früheren Antigen-Phänotypen zurückzuspringen. Daher müsse der Impfschutz nicht besorgniserregende Varianten abdecken, die nicht mehr zirkulieren, so die Ausführungen in den Empfehlungen.
Der Comirnaty-Impfstoff wird nicht wie zuvor spekuliert in Einzeldosen, sondern in Mehrdosen-Vials ausgeliefert. Der Nachteil: Werden die Vials geöffnet, sind sie nur noch begrenzt haltbar. Die Apotheke beziehungsweise die Arztpraxis trägt dann das Risiko, dass der Impfstoff in den geöffneten Vials verfällt, wenn es nicht genügend Interessenten gibt. Impftermine müssen daher recht engmaschig organisiert werden. Der Impfstoff von Moderna soll dagegen in Einzeldosis-Durchstechfläschchen auf den Markt kommen.
Wer möchte, kann sich in diesen Herbst wieder auf Kosten der Krankenkassen in Apotheken gegen Covid-19 impfen lassen. Auch Grippeimpfungen in Apotheken gehören seit dem vergangenen Herbst zur Regelversorgung. Beide Impfungen können dabei auch gleichzeitig verabreicht werden – das ist Untersuchungen zufolge ähnlich immunogen und verträglich wie die Einzelgaben.
Das niederschwellige Angebot in den Apotheken soll Arztpraxen entlasten und die Impfquoten erhöhen. Nach § 20c Infektionsschutzgesetz dürfen entsprechend fortgebildete Apothekerinnen und Apotheker die Schutzimpfungen bei Personen ab 18 Jahren (Grippe) beziehungsweise Jugendlichen ab zwölf Jahren (Covid-19) durchführen.
Die ABDA bietet zur kommenden Impfsaison für Apothekenteams auf www.abda.de eine neue Unterseite zum Thema Schutzimpfungen. Hier stehen alle Materialien der ABDA zur Durchführung von Schutzimpfungen in Apotheken gebündelt zur Verfügung.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.