Neues Alzheimer-Medikament macht Hoffnung |
Heilen kann man die Alzheimer-Erkrankung bislang nicht. / Foto: Adobe Stock/LIGHTFIELD STUDIOS
Ein neues, noch nicht zugelassenes Alzheimer-Medikament könnte Studiendaten zufolge das Fortschreiten der Erkrankung abbremsen. Wie das Unternehmen Biogen, das das Präparat mit dem japanisches Pharmaunternehmen Eisai entwickelt, mitteilte, verlangsamte der Antikörper Lecanemab bei Patienten in einem frühen Stadium den Abbau der geistigen Fähigkeiten um 27 Prozent.
Lecanemab ist ein Antikörper, der sich gegen das Eiweiß Amyloid-beta (Abeta) richtet. Dieses Molekül lagert sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten in Form sogenannter Plaques ab, die ein Kennzeichen der Demenz-Erkrankung sind. In der Studie wurden 1795 Menschen im Frühstadium von Alzheimer untersucht – eine Hälfte bekam den Antikörper, die andere ein unwirksames Scheinmedikament. Es zeigte sich, dass das Mittel zu einer deutlichen Reduzierung der Ablagerungen im Gehirn führt. Darüber hinaus verlangsamte sich der Abbau der geistigen Fähigkeiten. Geprüft wurde unter anderem die Gedächtnisleistung, das Orientierungsvermögen und die Problemlösekompetenz.
»Wenn sich das bestätigt, wäre das eine gute Nachricht«, sagt Linda Thienpont, Leiterin der Abteilung Wissenschaft bei der Alzheimer Forschung Initiative, der Nachrichtenagentur dpa. Es wäre das erste Mal, dass ein Wirkstoff, der in die Mechanismen der Alzheimer-Krankheit eingreift, tatsächlich einen positiven Effekt auf die Kognition der Betroffenen habe. Von einem Durchbruch in der Alzheimer-Forschung spricht Frank Jessen, Forscher am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Die Daten der zugrundeliegenden Studie sind bisher nicht veröffentlicht, die Unternehmen haben die Ergebnisse der Phase-3-Studie in einer Unternehmensmitteilung vorgestellt.
Beide Experten, die nicht an der Studie beteiligt waren, betonen, dass auch dieses Medikament die Alzheimer-Erkrankung nicht heilen kann. »Die Krankheit wird auch weiter voranschreiten, nur langsamer, was aber für die Patienten und Angehörigen von großer Bedeutung sein kann«, sagte Jessen. Unklar sei zum jetzigen Zeitpunkt auch, wie lange der berichtete Effekt anhalte, das müssten weitere Beobachtungsstudien zeigen. »Positiv ist zu vermerken, dass Nebenwirkungen wie zum Beispiel Hirnschwellungen weniger oft auftraten als in Studien zuvor mit vergleichbaren Wirkstoffen«, sagt Thienpont. »Für eine umfassende Einschätzung müssen wir die detaillierten Studienergebnisse abwarten.«
Derweil rät die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) dazu, die Vollpublikation vor einer Einordnung abzuwarten. »Die Studie zeigt nach dieser Meldung, dass der Antikörper die Amyloid-Beta-Ablagerung im Gehirn vermindert und dass dies mit einer Progressionsverlangsamung bei Betroffenen in frühen Stadien der Erkrankung assoziiert ist«, fasst Professor Dr. Richard Dodel, Alzheimer-Experte der DGN, zusammen.
»Die Ergebnisse waren statistisch signifikant, jedoch ist zurzeit noch unklar, ob klinisch beziehungsweise im Lebensalltag tatsächlich ein Nutzen für die Betroffenen zu spüren war. Statistisch signifikant bedeutet nicht automatisch klinisch relevant. Unter Alzheimer-Experten gilt üblicherweise ein Score-Unterschied von 0,5 Punkten als klinisch bedeutsam für die Betroffenen. Dieser wurde mit 0,45 Punkten in der Studie nicht ganz erreicht.«
Derweil kündigten Biogen und Eisai bereits an, nun mit den Zulassungsbehörden in den USA, Japan und auch der EU reden zu wollen. Ziel sei es, bis zum Ende des ersten Quartals 2023 den Zulassungsantrag einzureichen.
Weitere Studien laufen: Zum einen wird eine subkutane Applikationsmöglichkeit durch den Patienten oder seine Betreuenden entwickelt. Zum anderen wird der noch frühere Einsatz bei noch symptomlosen Patienten mit erhöhten Amyloid-Werten sowie bei einer dominant vererbten Alzheimer-Form mit früher Krankheitsentwicklung.