Neues bei Migräne und Angioödemen |
Sven Siebenand |
13.03.2025 10:00 Uhr |
Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine seltene (1: 50.000) vererbte Erkrankung. Sie äußert sich durch unvorhersehbare, wiederkehrende Angioödeme der Haut und Schleimhäute, die sich oft schmerzhaft sind. Diese Schwellungen können an verschiedenen Körperregionen auftreten, darunter Lippen, Gesicht, Extremitäten, Genitalien und Abdomen. Besonders kritisch sind Ödeme im Bereich von Hals, Mundhöhle oder Kehlkopf, da sie zu lebensbedrohlichen Situationen führen können.
Die überwiegende Mehrheit der HAE-Fälle wird durch Mutationen im Gen, das für den C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH) codiert, verursacht. Dieser spielt eine zentrale Rolle in der Regulation von Enzymkaskaden, die zur Bildung von Bradykinin führen. Dieses Oligopeptid erhöht die Gefäßpermeabilität, was den Flüssigkeitsaustritt in den extrazellulären Raum begünstigt und Angioödeme auslöst.
Für die Langzeitprophylaxe von HAE-Attacken gibt es schon Arzneistoffe wie Lanadelumab, Berotralstat und C1-INH. Mit dem Antikörper Garadacimab (Andembry® 200 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze/im Fertigpen, CSL Behring) ist nun eine neue Therapieoption mit einem neuen Wirkmechanismus auf den Markt gekommen.
Garadacimab ist ein erster Faktor-XIIa-Antikörper. Er bindet an dessen katalytische Domäne und hemmt dessen katalytische Aktivität. Dadurch werden die Aktivierung von Präkallikrein zu Kallikrein und die Bildung von Bradykinin blockiert. Dies beugt HAE-Attacken vor, die mit Entzündungen und Schwellungen einhergehen.
Zugelassen ist der neue Antikörper bei erwachsenen und jugendlichen Patienten ab zwölf Jahren zur routinemäßigen Prophylaxe wiederkehrender HAE-Attacken. Wichtig: Garadacimab ist nicht für die Behandlung akuter HAE-Attacken vorgesehen.
Die empfohlene Dosis von Garadacimab beträgt anfangs 400 mg. Diese Aufsättigungsdosis wird am ersten Behandlungstag subkutan in Form von zwei 200-mg-Injektionen verabreicht. Anschließend erfolgt die monatliche Verabreichung einer Dosis von 200 mg. Der Antikörper darf nach einer Schulung vom Patienten selbst oder von einer Betreuungsperson verabreicht werden. Die subkutane Injektion sollte auf die folgenden Injektionsstellen beschränkt werden: Abdomen, Oberschenkel und äußere Oberarme. PTA und Apotheken können zum regelmäßigen Wechsel der Injektionsstelle raten.
Häufig beobachtete Nebenwirkungen sind Reaktionen an der Injektionsstelle sowie Kopf- und Abdominal-Schmerz. Ein Warnhinweis in der Fachinformation von Andembry thematisiert eine mögliche Beeinflussung von Gerinnungstests. Durch Hemmung von Faktor XIIa im Plasma kann Garadacimab die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) in Tests verlängern.
Als Vorsichtsmaßnahme wird Schwangeren empfohlen, Garadacimab nicht anzuwenden. Zudem kann in den ersten Tagen nach der Geburt ein Risiko für den gestillten Säugling nicht ausgeschlossen werden. Anschließend könnte Garadacimab während der Stillzeit aber angewendet werden, wenn dies klinisch erforderlich ist.
Andembry ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius aufzubewahren. Für einen einmaligen Zeitraum von bis zu zwei Monaten dürfen Patienten das Präparat bei bis zu 25 Grad Celsius lagern.